27. Januar: Die Erinnerung wachzuhalten, bedeutet für uns immer mehr als die Geschichte nicht zu vergessen

Zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ am 27. Januar erklären die Vorsitzenden der Partei Die Linke Berlin, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer sowie die Vorsitzenden der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Anne Helm und Tobias Schulze:

 

„Vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Wir gedenken an diesem Tag der Millionen Opfer des deutschen Faschismus. Wir tun das in einer Zeit, in der die Erinnerung an die unvorstellbaren Verbrechen zu verblassen drohen. Wir mahnen, die Ideologien und gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese Verbrechen hervorgebracht haben, nicht aus dem Blick zu verlieren. 

Die Verächtlichmachung der Demokratie, die Hinwendung zum Nationalismus, die Verbreitung von Verschwörungstheorien, das Markieren von vermeintlichen Sündenböcken und zugleich eine wachsende soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Verunsicherung – all das erleben wir heute wieder.

Dass ausgerechnet an diesem Jahrestag in unserem Land gefordert wird, die Grenzen für Menschen auf der Flucht zu schließen und das Asylrecht faktisch abzuschaffen, entsetzt und empört uns. Es scheint vergessen, dass das Recht auf Asyl als Lehre aus dieser Zeit im Grundgesetz verankert wurde. Es scheint vergessen, dass Hunderttausende Jüdinnen und Juden dem mörderischen Terror der Nazis überlassen wurden, weil ihnen Visa und Asyl anderswo verweigert wurden.

Die Erinnerung an das unvorstellbare Leid der Opfer von damals wachzuhalten, bedeutet für uns, sich diesen Entwicklungen aktiv entgegenzustellen. Die Verteidigung demokratischer Grund- und Menschenrechte, die Aufnahme von Menschen in Not, der Kampf gegen die soziale Spaltung unseres Landes und der gegen Diskriminierung und Ausgrenzung gehören für uns zusammen.

Dazu gehört, uns selbstkritisch einzugestehen, dass das Versprechen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland niemals wieder Bedrohungen ausgesetzt sein dürfen, nicht eingehalten wurde und wird. Nicht erst, aber verstärkt seit dem antisemitischen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 erleben wir antisemitische Übergriffe und Bedrohungen gegenüber jüdischen Menschen sowie Anschläge auf Gedenkstätten, Synagogen und andere Orte jüdischen Lebens. Die Einsicht, dass sich jüdische Menschen in Berlin wie in ganz Deutschland nicht sicher fühlen, schmerzt. Es bleibt unsere Aufgabe, das aktiv zu ändern.

Gleiches gilt für Sinti:zze und Rom:nja, People of Colour, queere Menschen, Menschen mit Behinderungen. Die Erinnerung an ihre millionenfache Ermordung, Ausgrenzung, Diskriminierung und Vertreibung wachzuhalten, bedeutet deshalb auch Antiziganismus, Rassismus, Sozialdarwinismus sowie Homophobie und Transfeindlichkeit in der Gegenwart entgegenzutreten.

Die Erinnerung wachzuhalten, bedeutet für uns immer mehr als die Geschichte nicht zu vergessen. Unsere Partei steht in der Tradition von Kommunist*innen und Sozialist*innen, die selbst Opfer der Verfolgung durch den Nationalsozialismus wurden und von denen viele für ihre Haltung und Widerstand mit dem Leben bezahlten, ebenso wie andere, die ihren humanistischen und demokratischen Werten weiterhin folgten. Zu den Lehren, die wir gezogen haben gehört, dass die demokratischen Kräfte zusammenhalten müssen gegen diejenigen, die die Demokratie aushöhlen oder beseitigen wollen.

Deshalb stellen wir uns entschlossen gegen rechte Erzählungen und Hetze, führen die politische Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Positionen und unterstützen zivilgesellschaftliches Engagement dagegen. Dazu gehört auch, die Versuche zurückzuweisen, die Mittel für die politische Bildung sowie für die zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit gegen Ausgrenzung und Diskriminierung zu kürzen und die Arbeit der Träger populistisch in Frage zu stellen.  

Wir unterstützen die Forderung nach einer Prüfung des Verbots der AfD durch das Bundesverfassungsgericht und für den Fall, dass dieses die Voraussetzungen gegeben sieht, auch dessen Umsetzung. Das gebietet das Grundgesetz.

Wir rufen dazu auf, an der bevorstehenden Bundestagswahl teilzunehmen und eine der antretenden demokratischen Parteien zu wählen und denjenigen, die sie bis zur Unkenntlichkeit verändern oder abschaffen wollen, eine Abfuhr zu erteilen.“