Alarmierender Rückgang der Anzahl der Lehramtsabsolvent:innen in Berlin

Franziska Brychcy,
BildungWissenschaftFranziska BrychcyTobias SchulzeDie Linke im Abgeordnetenhaus

Aus den Antworten des Senats auf zwei Schriftliche Anfragen der Linksfraktion (siehe unten) zur Anzahl der Studienplätze, Studierenden und Absolvent:innen in Lehramtsstudiengängen geht hervor, dass die Anzahl der Absolvent:innen weiter stagniert beziehungsweise deutlich rückläufig ist.

Während im Grundschullehramt 344 Masterstudierende ihr Lehramtsstudium im Jahr 2022 abschlossen (+89 im Vergleich zu 2021), waren es im MA-Lehramt ISS/Gymnasien lediglich 532 Studierende (-67 im Vergleich zu 2021) und im Berufsschullehramt 41 Masterstudierende (-3 im Vergleich zu 2021), sodass im Jahr 2022 insgesamt nur 917 Lehramtabsolvent:innen die Berliner Hochschulen verließen. Damit wird die momentan vereinbarte Zielzahl von 2.000 Lehramtsabsolvent:innen weiterhin deutlich verfehlt.

Weitaus dramatischer sieht die Entwicklung in den Bachelor-Studiengängen aus: Im Grundschullehramt schlossen in 2022 nur 407 Bachelorstudierende ihr Studium ab (-129 im Vergleich zum Vorjahr), im BA-Lehramt ISS/ Gymnasium waren es 667 Absolvent:innen (-54 im Vergleich zu 2021) und im Berufsschullehramt stagnierten die Abschlusszahlen mit 47 (+-0 im Vergleich zum Vorjahr).

Dazu erklärt Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Berlin:

„Der Lehrkräftemangel ist nach wie vor eklatant hoch. Bei einem Bedarf von zirka 2.600 Vollzeitstellen im Schuljahr 22/23 konnten deutlich weniger als die Hälfte mit voll ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden, 875 Stellen sind derzeit gar nicht besetzt.

Angesichts dieser dramatischen Situation sind die Berliner Hochschulen in der Pflicht, möglichst jede:n Studierende:n zügig und erfolgreich zum Abschluss zu begleiten. Die Stagnation im Bereich der Masterabsolvent:innen und der Tiefstand bei der Anzahl der Bachelor-Absolvent:innen sind höchst alarmierend.

Während die Hochschulen die Anzahl der Studienplätze im Lehramtsmaster richtigerweise deutlich erhöhen (+ 130 Grundschullehramt; + 100 ISS/ Gymnasium), ist völlig unverständlich, warum im Lehramtsbachelor Grundschule sogar Studienplatzkapazitäten abgebaut werden (Anzahl Studienplätze: 935 in 2022, 985 in 2021, 999 in 2020), während dafür gleichzeitig ein Fünffaches an Bewerbungen vorliegt sowie 1.867 Studienbewerber:innen im WS 22/23 von den Hochschulen abgelehnt wurden. Die starren Zulassungsbeschränkungen müssen hier dringend überdacht werden!

Wenn wir in Berlin perspektivisch die benötigten 3.000 Lehramtsabsolvent:innen pro Jahr erreichen wollen, müssen die Studienkapazitäten, auch im Lehramtsbachelor sowie im Q-Master, deutlich ausgebaut werden! Dies muss verbindlich in den Hochschulverträgen vereinbart und der Mittelabruf aus dem Sonderprogramm Lehrkräfteausbildung von zusätzlich jährlich 17 Mio. Euro zweckgebunden daran geknüpft werden!“

 

Darüber hinaus machen die Anfragen deutlich, dass insbesondere in den Bachelor-Studiengängen mit Lehramtsoption die Regelstudienzeit vielfach überschritten wird. Die durchschnittliche Studiendauer für die Lehrämter ISS/ Gymnasium und Berufsschulen liegt bei 8 Semestern.

Die Zunahme der Exmatrikulationen ist insbesondere bei den Masterstudierenden im Grundschullehramt der HU (90 in 2022, 24 in 2021, 15 in 2020) und bei den Bachelorstudierenden im Grundschullehramt der FU (135 in 2022, 84 in 2021, 52 in 2020) auffällig.

Dazu erklärt Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion Berlin:

„Die Hochschulen müssen die Lehrkräftebildung als vordringliche Aufgabe noch stärker priorisieren. Wenn ein Großteil der Studierenden regelmäßig die Regelstudienzeit überschreitet, dann sagt das auch etwas über die Studienbedingungen aus. Es ist nicht hinnehmbar, wenn die durchschnittliche Studiendauer für die BA-Lehrämter für ISS/ Gymnasien und Berufsschulen bei 8 Semestern liegt, die Studierenden entsprechend später in das Masterstudium übergehen, dann erst deutlich verzögert im Referendariat und im Schuldienst ankommen.

Die Zunahme der Exmatrikulationen ist besorgniserregend und erfordert entsprechende Gegenmaßnahmen seitens der Hochschulen wie verstärktes Mentoring, eine bessere Theorie-Praxis-Verzahnung und eine enge Betreuung im Praxissemester. Wir können es uns nicht mehr leisten, in Größenordnungen Lehrkräfte während des Studiums zu verlieren. Zur Erreichung dieser Ziele stellen wir als Koalition den Hochschulen langfristig zusätzliche Mittel in Höhe von mindestens 17 Mio. Euro jährlich zur Verfügung, damit unter anderem Personal unbefristet neu eingestellt werden kann. Diese Mittel müssen über 2023 hinaus über Verpflichtungsermächtigungen abgesichert werden, damit die Hochschulen Planungssicherheit haben. Dafür setzen wir uns ein."