Berlin macht Rolle rückwärts

Religiöse Eidesformel im Richterrecht

Zur in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU vereinbarten Wiederaufnahme der religiösen Eidesformel als Regelfall in das Berliner Richtergesetz erklärt der rechtspolitische Sprecher Klaus Lederer:

Kaum beschlossen, soll das neue Berliner Richtergesetz nach dem Willen der künftigen Koalitionäre novelliert werden – in Bezug auf den Richtereid. Das rot-rote Richtergesetz hat das Bekenntnis zu Verfassung und Gesetz in den Mittelpunkt gestellt und die Bezugnahme auf religiöse Beteuerung in das Belieben der Beeidenden gestellt. Nun soll der Gottesbezug als Regelfall im Gesetz verankert werden.

Die Wiederaufnahme des Gottesbezuges in der Schwurformel als Regelfall ist eine Rolle rückwärts. Für Zugeständnisse beim Bau der ZLB und der Kunsthallen-PPP hat sich die SPD konservative Symbolik abkaufen lassen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammt. Für die SPD ist das ein Armutszeugnis und ein Zeichen, dass sie unter schwarzem Druck bereit ist, von ihrer bisherigen Linie abzugehen, die der gesellschaftlichen Realität Berlins Rechnung getragen hat. Berlin ist mehrheitlich säkular, im Übrigen durch religiöse Vielfalt gekennzeichnet. Für staatliche Institutionen ergibt sich daraus die Pflicht, ein distanziert-neutrales Verhältnis gegenüber den Religionen einzunehmen und alle Bekenntnisse, ob weltanschaulich oder religiös, strikt gleich zu behandeln. Der religiöse Bezug in der Eidesbeteuerung ist danach Privatsache und gehört nicht in ein modernes Richtergesetz.

Der Volksentscheid über den Religionsunterricht als Pflichtfach, gegen dessen Einführung die SPD als größerer Partner in der rot-roten Koalition gemeinsam mit uns Position bezog, hat deutlich gemacht: Berlin ist im 21. Jahrhundert angekommen. Die Vereinbarung der beiden zukünftigen Koalitionäre über diese »Rolle rückwärts« macht mit hoher Symbolwirkung deutlich, wohin der schwarz-rote Zug fährt: in voraufklärerische Zeiten, in das vergangene Jahrhundert. Für Berlin ist das ein ausgesprochen schlechtes Zeichen.