Die Ermordung von Hatun Sürücü fordert Konsequenzen

Ausgrenzung und Diskriminierung vor allem von Migrantinnen endlich aufheben

Anlässlich des Mordes an Hatun Sürücü vor vier Jahren erklärt die frauenpolitische Sprecherin Evrim Baba:

Die Debatte um die sogenannten Ehrenmorde wird zum Teil noch immer benutzt, um Gewalt im Namen der Ehre als kulturelle oder religiöse Verbrechen und als bezeichnend für den Charakter vermeintlicher Parallelgesellschaften einzustufen. Dies stellt die Realität auf den Kopf. In nahezu allen Teilen der Welt und in allen soziokulturellen Milieus wird Mädchen und Frauen jeden Alters im Namen der »Ehre« Gewalt angetan, gibt es »Ehrenmorde«, Zwangsprostitution, Missbrauch, Vergewaltigung. Gewalt gegen Frauen ist nicht das individuelle Problem der einzelnen Frau oder einer Familie. Sie ist das Problem einer ganzen Gesellschaft.

Wer Morden wie an Hatun Sürücü vorbeugen will, muss endlich die soziale Ausgrenzung und strukturelle Diskriminierung vor allem von Migrantinnen aufheben. Migrantinnen müssen die Möglichkeit haben, sich dem häuslichen Bereich durch ökonomische Unabhängigkeit genau so zu entziehen wie den Abhängigkeiten von Familie oder Ehemann aufgrund von sprachlichen und aufenthaltsrechtlichen Problemen. Die von Berliner Seite eingebrachten Änderungen im Aufenthaltsrecht zugunsten Betroffener scheiterten jedoch bisher an der Mehrheit auf Bundesebene.

»Ehrenmorde« sind oft das Ende einer Gewaltspirale, die mit Verboten oder Misshandlungen bei Zuwiderhandlungen beginnt. Für Frauen und Kinder mit spezifischen Problemlagen, mit belastenden Lebenserfahrungen und mit sprach- und aufenthaltsrechtlichen Problemen müssen zur Deckung des individuellen Betreuungsbedarfs im Vorfeld ausreichend Angebote zur Verfügung stehen.

In Berlin wird hierfür viel getan. Der Kampf gegen Zwangsverheiratung und Gewalt gegen Frauen hat Priorität und wird ressortübergreifend geführt, wenn auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen. Beratungs- und Unterstützungsangebote arbeiten schnell und professionell, aber am Limit. Hier setzen wir uns auch künftig dafür ein, dass die Projekte auf eine solidere finanzielle Basis gestellt werden.