Merkwürdiges Verständnis von parlamentarischer Aufklärung

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Auszug der Oppositionsfraktionen aus der Präsidiumssitzung

Zum gestrigen Auszug der Oppositionsfraktionen aus der Präsidiumssitzung während der Beratung zum Vorwurf der Verletzung von Verhaltensregeln des Abgeordneten Nolte (SPD) erklären die Mitglieder des Präsidiums der Linksfraktion Martina Michels und Giyasettin Sayan:

Das Präsidium des Abgeordnetenhauses war am Donnerstag zu einer Beratung zusammengekommen, um die erhobenen Vorwürfe gegen den Abgeordneten K.-H. Nolte im Zusammenhang mit den geltenden Verhaltensregeln für Abgeordnete aufzuklären. Die Einladung zu dieser Sitzung lag allen Präsidiumsmitgliedern seit einer Woche schriftlich vor und enthielt umfangreiche Unterlagen, die der Einladung beigefügt waren und zur Aufklärung beitragen konnten. Darunter war auch das 12-seitige Papier, von dem die Opposition behauptet, es als Tischvorlage erhalten zu haben.

Schon zu Beginn der Sitzung, noch bevor überhaupt offene Fragen debattiert werden konnten, haben Oppositionsvertreter erklärt, dass sie nicht bereit wären, den Abgeordneten Nolte zu diesem Sachverhalt auf der Sitzung anzuhören. An Zusatzdokumenten lag in Form einer Tischvorlage lediglich eine anwaltliche Stellungnahme zu aktuellen presserechtlichen Auseinandersetzungen vor. Selbst nach einer einstündigen Sitzungsunterbrechung, die zum Studium der Dokumente genutzt werden konnte, verweigerten die Präsidiumsmitglieder von CDU, FDP und Bündnis90/Grüne, mit Ausnahme des Vizepräsidenten Lehmann-Brauns (CDU), dem Abgeordneten das Recht auf Anhörung zu den Vorwürfen.

Der in einer gemeinsamen Erklärung dieser drei Fraktionen erhobene Vorwurf einer Verletzung der Rechte der Opposition ist absurd. Es ist das ureigenste Recht eines jeden Abgeordneten, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört zu werden. Nach dem Landesabgeordnetengesetz hat das Präsidium die Pflicht, solche Vorwürfe aufzuklären »und das betroffene Mitglied des Abgeordnetenhauses anzuhören«. Ob sich der Abgeordnete dabei einen Rechtsbeistand sucht, ist allein seine eigene Entscheidung.

Sich dieser Aufgabe als Mitglied des Präsidiums zu entziehen, offenbart ein merkwürdiges Aufklärungsverständnis und ist zudem in hohem Maße unkollegial gegen über einem Kollegen unseres Hauses – unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit. Es gab für alle die Möglichkeit, nach einer längeren Debatte im Präsidium sich daraus ergebende Fragen unmittelbar an den Abgeordneten Nolte zu stellen. Diese Verantwortung haben wir mit Ausnahme der Opposition verantwortungsvoll genutzt.

Wer Vorgänge beurteilen will, muss zunächst zuhören wollen, was die jeweiligen Betroffenen dazu zu sagen haben. Mit verantwortungsbewusstem Handeln und kollegialem Umgang hat das Verhalten der Opposition nach unserer Auffassung nichts zu tun.