Homeoffice-Pflicht statt Ausgangssperre

, Anne Helm
Anne HelmCarsten Schatz

Die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz kritisieren die von der Bundesregierung geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Diese erschöpfen sich zum größten Teil in Symbolpolitik und werden effektiv kaum etwas zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen. In vielen Bereichen hat Berlin sogar bereits weitgehendere Maßnahmen ergriffen:

Um die dritte Welle zu brechen, Kontakte zu reduzieren und die Inzidenzzahlen wieder zu senken, müssen drei Bereiche in den Blick genommen werden, in denen Menschen sich mit dem Corona-Virus anstecken können. Das sind Betriebe und Arbeitsplätze, sowie die Wege dahin über den ÖPNV, Schulen und Kitas und der Bereich der privaten Kontakte. Der Beschluss der Bundesregierung zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschränkt sich auch nach über einem Jahr Pandemie noch immer fast ausschließlich auf den Bereich der privaten Kontakte, während Vorgaben für die Wirtschaft, außer für den Handel, weiterhin fehlen. Diese Schieflage ist nicht akzeptabel.

Die geforderte nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr und die damit verbundenen Einschränkungen der Grundrechte ist dabei weder zielführend noch verhältnismäßig. Die Erfahrungen mit Ausgangssperren auf nationaler wie internationaler Ebene zeigen, dass diese kaum zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen. Aktuell weisen Aerosol-Forscher:innen erneut darauf hin, dass Ansteckungsgefahr vor allem in geschlossenen Räumen besteht und Ausgangssperren sich daher als kontraproduktiv erweisen können. Ausgangssperren treffen zudem gerade diejenigen Menschen besonders hart, die unter beengten Wohnverhältnissen leiden. Berlin hat stattdessen bereits sehr weitreichende Kontaktbeschränkungen erlassen.

Eine Ausgangssperre in der Nacht ist absurd, wenn die Menschen gleichzeitig tagsüber nach wie vor in Büros und Betrieben zur Arbeit zusammenkommen müssen. Eine verpflichtende Regelung für Arbeitgeber:innen, Homeoffice anbieten zu müssen, sucht man in dem Beschluss der Bundesregierung aber vergeblich. Berlin ist bei der Homeoffice-Pflicht bereits vorangegangen und hat beschlossen, dass Unternehmen nur noch 50 Prozent ihrer Büroarbeitsplätze in Präsenz benutzen dürfen. Diese Regelung muss bundesweit übernommen und effektiv kontrolliert werden. Wenn diese Maßnahmen keine ausreichende Wirkung zeigen, muss auch über Schließungen von nicht systemrelevanten Betrieben diskutiert werden. Zwar hat die Bundesregierung nun eine Testpflicht für Unternehmen auf den Weg gebracht, doch diese sollen ihren Mitarbeiter:innen nur einmal pro Woche einen Test anbieten (außer denen mit Kundenkontakt). Auch hier haben wir in Berlin bereits eine weitreichendere Maßnahme eingeführt und Unternehmen dazu verpflichtet, den Mitarbeiter:innen zwei Mal pro Woche einen Test anzubieten.

Obwohl für alle anderen Maßnahmen der vorgesehenen Änderungen die Inzidenzzahl 100 als Grenzwert genommen wurde, gilt dies nicht für die Schulen. Diese sollen erst ab einer Inzidenz von 200 in den Distanzunterricht wechseln. Das halten wir für deutlich zu spät. Angesichts der steigenden Intensivbettenbelegung, den erneuten Warnungen von Intensivmediziner:innen und der Tatsache, dass viele Lehrer:innen noch nicht geimpft werden konnten, hat sich die Linksfraktion in den letzten Wochen dafür eingesetzt, dass die Schulen in Berlin sofort in den Distanzunterricht gehen. Wir konnten uns damit innerhalb der Koalition aber leider nicht durchsetzen. Zumindest konnten wir darauf hinwirken, dass ab dem 19. April zwei Tests pro Woche für Schüler:innen verpflichtend sind, die in der Schule durchgeführt werden müssen. Auch in diesem Bereich erfüllt Berlin also bereits das, was die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bund nun fordert.

Der Plan der Bundesregierung geht völlig an den aktuellen Erfordernissen der Pandemiebekämpfung vorbei. Anstatt einer sinnlosen Ausgangssperre muss die Bundesregierung endlich die Wirtschaftsunternehmen in die Pflicht nehmen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Berlin dieser Gesetzesänderung im Bundesrat nicht zustimmt. 

Anne Helm und Carsten Schatz
Fraktionsvorsitzende

(Edit 23.4.2021: Der Text bezieht sich auf den vom Bundeskabinett beschlossenen Stand des Entwurfes zur Änderung des Infektionschutzgesetzes vom 13. April 2021, im Bundestag sind danach einige Änderungen vorgenommen und am 21. April beschlossen worden. Am 22. April passierte es als Einspruchsgesetz den Bundesrat. Für die Schulen wurde damit beispielsweise eine Inzidenz-Obergrenze von 165 festgelegt, die Ausgangssperre beginnt demnach erst ab 22 Uhr, zwischen 22 - 24 Uhr ist es außerdem erlaubt, draußen noch alleine spazieren zu gehen.)