Bauingenieur:innen in Berlin

Franziska Brychcy
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74. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 25. Februar 2021

Zu Perspektiven für Bauingenieure in Berlin schaffen (Priorität der Fraktion der FDP)

Franziska Brychcy (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe FDP-Fraktion! Leider vermitteln Sie mit Ihrem Antrag für mehr Bauingenieurinnen und Bauingenieure den Eindruck, als wollten Sie Eulen nach Athen tragen.

Das bin ich sonst gar nicht von Ihnen gewöhnt. Sie geben an, MINT-Pilotprojekte in der Schule anregen zu wollen, dabei gibt es mit Junior1stein bereits eine Berliner Landesstrategie für MINT in Berliner Kitas und Schulen mit Pilotclustern von verschiedenen Bildungseinrichtungen, die im MINT-Bereich eng kooperieren – von der Kita bis zum Abitur und zur beruflichen Bildung. Die Bildungsverwaltung legt im Rahmen der Qualitätsoffensive Mathematik verstärkt den Fokus auf Lehrkräftequalifizierungsprojekte wie „Mathe sicher können“ zur Förderung von mathematischen Basiskompetenzen.

Sie fordern des Weiteren technische Projekttage und Jobmessen, dabei fehlt es uns nicht wirklich an Formaten. Es gibt zum Beispiel die Berliner Schulpaten, das „Haus der kleinen Forscher“, für Mädchen und junge Frauen den Girls’ Day, die Girls’ Day Akademie, Girlsattack oder „Komm, mach MINT“. Dazu kommt bald der Talente Check, über den wir schon häufiger gesprochen haben, für alle Schülerinnen und Schüler in der achten Jahrgangsstufe. Es gibt die Berliner Schülerinnen- und Schülermesse „Traumberuf IT & Technik“. Alle Fachhochschulen und Universitäten bieten mittlerweile MINT-Orientierungsmodule oder sogar ganze Studienphasen an. Dann wollen Sie ein Stipendienprogramm des Landes Berlin aufsetzen, um die universitäre Ausbildung zu verbessern, insbesondere im Bereich der Technik. Anscheinend ist Ihnen entgangen – das ist ja ungewöhnlich, Herr Förster, weil wir ja zusammen im Wissenschaftsausschuss sind –, dass Berlin als erstes Bundesland mit „Virtual Campus Berlin“ Anfang letzten Jahres ein eigenes Sofortprogramm für digitale Lehre in Höhe von fast 23 Millionen Euro aufgesetzt hat, und aus dem Bund-Länder-Vertrag „Studium und Lehre stärken“ werden zudem bis 2024 insgesamt 56 Millionen Euro an die Berliner Hochschulen fließen, die die Digitalisierung entscheidend voranbringen werden.

Was bei diesem Mittelaufwuchs ein zusätzliches Stipendienprogramm bewirken soll, bleibt in Ihrem Antrag leider etwas nebulös.

Und dann kommen Sie unvermittelt noch mit der Forderung nach mehr Digitalisierung und Automatisierung im Bauingenieursberuf. Es ist zwar richtig, dass die digitale Transformation auch dieses Berufsfeld und das Wissen über Automatisierung, Sensorik, vernetzte Produktion und Robotic immer weiter vorantreibt, aber der Bau ist eben nicht der Maschinenbau, sondern funktioniert komplexer. Bei Bauplanung, Überwachung und Qualitätssicherung brauchen wir auch zukünftig das Personal, also die Bauingenieurerinnen und Bauingenieure.

Klar wäre es in einer idealen Welt wünschenswert, dass das Land Berlin das gleiche Gehaltsniveau wie der Bund anbieten könnte, aber wir haben hier im Land Berlin faktisch ein Tarifgefüge. Der Senat hat dennoch die Möglichkeit ergriffen, eine Fachkräftezulage für Ingenieurinnen und Ingenieure in Höhe von 1 000 Euro für fünf Jahre, die noch einmal auf zehn Jahre verlängert werden kann, einzuführen.

Und liebe FDP, selbst im Kapitalismus ist Geld nicht alles. Die Arbeitsplatzsicherheit und eine gute Work-Life-Balance im öffentlichen Dienst werden von den Beschäftigten sehr geschätzt sowie auch die Möglichkeit, Berlin aktiv mitgestalten zu können.

Es gibt auch noch gute Nachrichten: Der duale Studiengang Bauingenieurswesen zwischen der HWR und den Bezirksämtern, den Senatsverwaltungen und Landesbetrieben findet überaus regen Zuspruch.

Präsident Ralf Wieland:

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt zulassen.

Franziska Brychcy (LINKE):

Nein, danke! – Der Senat kooperiert jetzt auch ganz aktuell mit den Hochschulen für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung in Berlin und Brandenburg, um neue Talente für die Berliner Verwaltung zu gewinnen. Zusammenfassend muss ich also leider feststellen, Herr Förster, dass sich in Ihrem Antrag keine einzige wirklich neue Anregung befindet, die wir aufgreifen könnten, um weitere Bauingenieurinnen und -ingenieure zu begeistern, die der Senat nicht sowieso schon auf dem Zettel hat – sehr schade. Danke!

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