Parlamentsreform beschlossen

Demokratie und BürgerbeteiligungVerwaltungSteffen Zillich

47. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 26. September 2019

Zu lfd. Nr. 5: Fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes (Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 32 A:

Änderung der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin (GO Abghs) (Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP)

Steffen Zillich (LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln hier heute nicht nur in zweiter Lesung die von fünf Fraktionen vorgelegten Anträge auf Parlamentsreform, sondern auch – im Übrigen auf Wunsch der AfD-Fraktion – den Antrag der AfD-Fraktion auf Einrichtung einer Enquete-Kommission. Ich will dazu kurz etwas sagen: Die Einsetzung einer Enquete-Kommission ist ein wichtiges Minderheitenrecht. Man erhält dadurch umfangreiche Möglichkeiten, parlamentarische Vorschläge zu erarbeiten und Experten anzuhören, wenn man es denn schafft, das nötige Quorum, das nötige Minderheitsquorum dafür zu erreichen. Wenn also eine Fraktion das ernsthafte Anliegen hat, eine solche Enquete-Kommission einzusetzen, führt man üblicherweise Gespräche mit dem Ziel, ein solches Quorum zu erreichen – wie gesagt, eine Minderheit reicht dafür aus.

Dann führt man normalerweise Gespräche, dann wirbt man darum, fragt andere, was sie denn eigentlich wollen, wenn man denn tatsächlich vorhat, eine solche Enquete-Kommission einzurichten. Wenn man allerdings einen solchen Antrag einreicht, einfach so, dann ist schon von vornherein klar – ich gestatte keine Zwischenfragen –, dass es um den Inhalt überhaupt nicht geht, sondern es geht um die Selbststilisierung als Fraktion wie bei der Mehrheit Ihrer parlamentarischen Initiativen.

Und natürlich kann man das so machen. Es steht Ihnen frei, das zu tun. Aber uns steht es dann frei, statt über den vorgeblichen Inhalt Ihrer Initiative zu reden, die mangelnde Ernsthaftigkeit Ihrer Initiative zu thematisieren, und genau das ist das, was wir hier feststellen können: Diese Initiative war niemals ernst gemeint.

Wir haben uns schon in der ersten Lesung grundsätzlich mit dem Thema Parlamentsreform auseinanderge-setzt. Ich will noch einmal die Eckpunkte kurz zusammenfassen.

Erstens: Wir ändern das Selbstverständnis dieses Parlamentes. Wir überwinden die Lebenslüge des Halbtagsparlamentes.

Das ist wichtig. Wir haben uns als Fraktion sehr lange dafür eingesetzt. Die Selbstbeschreibung als Halbtagsparlament entspricht schon seit Jahren nicht mehr und immer weniger der Situation der meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier.

Zweitens geht es darum, dass uns diese Selbstbeschreibung als Halbtagsparlament aber auch in unserer parlamentarischen Arbeit behindert, indem es uns nämlich nicht erlaubt, ausreichend Sitzungszeit vorzusehen, indem es uns nicht erlaubt, in den Plenarsitzungen tatsächlich die Tagesordnungen abzuarbeiten, und indem es uns nicht erlaubt, flexibel genug zu reagieren auf das, was parlamentarische Kontrolle notwendig machte. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit der Überwindung dieses Status des Halbtagsparlaments die parlamentarische Arbeit und die Kontrolle an dieser Stelle stärken.

Mit der Mittelpunktregelung stellen wir klar, dass sich zukünftig nicht mehr die parlamentarische Arbeit um die anderen Tätigkeiten der Abgeordneten dreht, sondern allenfalls umgekehrt, und das ist eine ganz wichtige Weiterentwicklung für das Selbstverständnis als Parlament. Zudem steigen wir damit in eine bundes-weit vorbildliche Transparenzregelung über Neben-einkünfte von Abgeordneten ein.

Drittens: Wir begleiten das mit der Selbstverpflichtung, mehr Arbeit zu leisten. Wir weiten, wie gesagt, die Zeit der Ausschusssitzungen und der Plenarsitzungen und auch die Anzahl der Plenarsitzungen aus. Ja, das bedeutet auch, dass wir bei der Überwindung des Halbtagsparlaments auch eine angemessene Anpassung der Diäten vornehmen. Wir bleiben hier unter dem Durchschnitt der Landesparlamente. Darüber hinaus öffnen wir die Altersvorsorge für die gesetzliche Rentenversicherung. Wir tun etwas für die Famili-enfreundlichkeit.

Wir haben – und dazu will ich kurz etwas sagen – auch zwei Beschlussempfehlungen aus den Ausschüs-sen vorliegen. Darin sind neben redaktionellen Änderungen genau zwei inhaltliche Änderungen vorgesehen. Einerseits sehen wir in der Geschäftsordnung vor, dass nunmehr auch die elektronische Zustellung von Protokollen und Einladungen genügen soll, und zum Zweiten stellen wir klar, dass beim Versorgungsausgleich bundesrechtliche Regelungen gelten sollen – durch eine Änderung im Landesabgeordnetengesetzes.

Das war kein einfacher Prozess, sich darauf zu verständigen.

Meine Fraktion verfolgt die Überwindung dieses Status des Halbtagsparlaments seit Langem, und nie konnte es erfolgreich sein, weil das immer wieder entweder andere Prioritäten oder Misstrauen zwischen den Fraktionen oder auch andere Themen verhindert haben. Insofern halte ich es für einen wichtigen Punkt, dass wir jetzt eine solche Einigung vorliegen haben, einen wichtigen Punkt, der auch zeigt, dass man sich in der parlamentarischen Praxis von verschiedenen Punkten aus einem gemeinsamen Ergebnis nähern kann. Das ist ein gutes Ergebnis für uns, und ich denke, dass wir die parlamentarische Arbeit hier gestärkt haben, wenn wir genau das verabschieden. – Danke schön!