Klimanotlage anerkennen, Solarpflicht einführen

Michael Efler

53. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 30. Januar 2020

Zu "VolksinitiativeKlimanotstand Berlin“

hierzu:  Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung
Drucksache  18/2236-1

Dr. Michael Efler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Freymark! Ich weiß nicht, auf welchen Vorgang Sie anspielen und auf welches Papier. Uns liegt nichts von der CDU-Fraktion vor. Das ist ein bisschen komisch, hier auf irgendetwas zu verweisen, das wir gar nicht vorliegen haben.

Ich will mich am Anfang ganz aufrichtig und herzlich bei den Initiatoren der Volksinitiative „Klimanotstand“ und bei den über 40 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern bedanken. Ihr habt die Koalition in die richtige Richtung bewegt. Ihr habt uns angetrieben, bei der Frage der Klimagerechtigkeit noch besser zu werden. Deshalb ist der weitgehende Beschluss, den wir gleich hoffentlich treffen werden, auch euer Erfolg. Vielen Dank dafür – von uns allen, hoffe ich!

Als jemand, der in seinem politischen Leben überwiegend außerparlamentarisch gearbeitet hat, sage ich ganz klar: Hört nicht auf, uns zu nerven! Macht weiter so, und nehmt uns in die Pflicht!

Neulich sagte mir ein politischer Mitstreiter aus der Klimabewegung, es ist total krass für ihn, dass wir in unserem kurzen Leben noch selbst den Klimawandel miterleben können und müssen – und er hat recht: Was früher noch weit in der Zukunft liegende Bedrohungsszenarien waren, ist jetzt Realität geworden. Die Klimakrise ist da, auch wenn einzelne – und heute leider auch jemand aus der FDP – das anscheinend nicht wahrhaben wollen. Es ist Realität geworden. Wir müssen nicht unbedingt nach Australien schauen, wo es brennt, sondern auch hier nach Berlin, wo nur noch 9 Prozent aller Bäume gesund sind. Das besagt der Waldzustandsbericht von Dezember 2019. Das ist keine Klimapropaganda, das ist keine Panikmache, das ist keine Hysterie, sondern eine ganz nüchterne Beschreibung dessen, was auf die Welt zukommt.

Herr Krestel! Liebe FDP-Fraktion! Wenn das jetzt der neue Klimaweg der FDP ist, auf dem Ihnen die AfD Beifall klatscht, muss ich sagen, ist das eine Schande für das Parlament. Ich hoffe, dass Sie diesen Weg wirklich nicht gehen.

[Beifall bei der LINKEN,
der SPD und den GRÜNEN –
Paul Fresdorf (FDP): Herr Efler! Wirklich? –
Holger Krestel (FDP): Ach! Ist das alles,
was Sie draufhaben?]

Bevor ich zu einigen der Maßnahmen komme: Für uns funktioniert Klimaschutz nicht top-down und nicht mit der Brechstange.

[Holger Krestel (FDP): Schämen Sie
sich für diesen Beitrag! –
Weitere Zurufe von der FDP]

– Wenn Sie sich vielleicht beruhigen könnten! Danke schön! – Deshalb haben wir in dem Text auch formuliert, dass wir unser Klimaschutzprogramm unter breiter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger weiterentwickeln wollen.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Frage –

Dr. Michael Efler (LINKE):

Später!

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

– des Abgeordneten Woldeit?

Dr. Michael Efler (LINKE):

Nein!

[Holger Krestel (FDP): Nein, er
hat Angst! Er ist feige! –
Marcel Luthe (FDP): Feigling!]

Wir wollen etwas Neues ausprobieren – und warum nicht einmal ins Ausland schauen? In Spanien, in Schottland, in Irland, in Frankreich, in Großbritannien gibt es Klimabürgerräte, zufällig aus der Bürgerschaft geloste Bürgerinnen und Bürger, die sozial repräsentativ zusammengesetzt eine Beratungsinstitution für Klimaschutz darstellen.  Warum nicht so etwas auch mal in Berlin, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung des BEK ausprobieren? Wir sind offen dafür, lassen Sie uns das diskutieren.

Was steht ansonsten noch in unserem Beschluss? – Wir wollen die Klimaziele verschärfen. Ich weiß, dass das, was wir jetzt hier beschließen werden, der Initiative nicht weit genug geht. Ich bitte aber zur Kenntnis zu nehmen: Wir wollen weit vor 2050 klimaneutral sein. Wir wollen die Klimanotlage anerkennen. Wir haben die Klimawandelfolgenabschätzung drin, und vielen Dank an die SPD-Fraktion, sage ich ganz ehrlich, dass jede Senats- und Bezirksverwaltung und jedes öffentliche Unternehmen in die Pflicht genommen wird. Das ist ein Vorschlag der SPD-Fraktion, den wir übernommen haben. Das ist gut so.

Ich bin als Energiepolitiker sehr zufrieden und glücklich darüber, dass wir zwei Punkte mit aufnehmen konnten: zum einen eine Solarpflicht. Die gibt es bisher noch nirgends in Deutschland. Mit der Solarpflicht werden wir den Anteil der Solarenergie in der Energieversorgung Berlins deutlich erhöhen, und wir werden auch Impulse für das Handwerk setzen. Wir machen also ökologische, vernünftige Politik und auch eine wirtschaftspolitisch vernünftige Politik. Das bringen wir zusammen. Das ist eine Win-win-Situation, und dagegen sollte sich zumindest der vernünftige Teil der Opposition nicht sperren.

Auch was ein Wärmegesetz angeht: Das ist ein Meilenstein. Da haben wir künftig eine Ermächtigung im Gebäudeenergiegesetz, wo wir mehr erneuerbare Energie im Gebäudebestand nutzen können.

Das ist eine sinnvolle Sache, die wir unbedingt machen sollten.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Krestel?

Dr. Michael Efler (LINKE):

Bitte!

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Bitte schön!

Holger Krestel (FDP):

Herr Kollege Dr. Efler! Sie haben eben den Begriff „der vernünftige Teil der Opposition“ gebraucht. Jetzt verraten Sie mir doch mal: Was befähigt Sie eigentlich dazu, die Opposition mit vernünftig und unvernünftig zu bewerten? Ist das eventuell die vermutete Nähe oder Entfernung zu Ihren persönlichen Positionen oder den Positionen Ihrer Partei, oder was wollen Sie eigentlich sagen? Eigentlich ist das in einem demokratisch gewählten Parlament so üblich, dass man die Opposition so hinnimmt, sich gegen sie wehrt – Sie sind ja Regierungsabgeordneter – und nicht solche abfälligen Bemerkungen zwischendurch einstreut.

Dr. Michael Efler (LINKE):

Herr Krestel! Nach der Zwischenfrage vorhin und Ihrer Zwischenbemerkung und Begriffen wie „Klimapropaganda“, die ich sonst in diesem Hause definitiv nur von der AfD-Fraktion gehört habe, gehören Sie für mich definitiv nicht mehr zum vernünftigen Teil der Opposition – Sie ganz persönlich.

Ich will jetzt zum Verkehrsbereich kommen, auch wenn Sie sich noch so aufregen. Der Verkehrsbereich ist natürlich zentral. Für uns ist die oberste Priorität, den ÖPNV auszubauen. Wir wollen hier noch stärker investieren, insbesondere auch in die Außenbezirke. Wir wollen in den Regionalverkehr investieren, in die Straßenbahn. Dafür muss die Finanzierung sichergestellt werden.

Wir brauchen eine dritte Finanzierungssäule. Wir können nicht alle Dinge aus den Haushaltsmitteln finanzieren. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir eine Machbarkeitsstudie bekommen werden, und dann werden wir, darauf werden wir drängen, eine Entscheidung darüber treffen, mit welchen neuen Instrumenten wir den ÖPNV in Berlin ausfinanzieren können.

Wenn wir diese Entscheidung getroffen haben, sind auch wir offen für weitere Fahrpreissenkungen. Auch wir können uns vorstellen, zum Beispiel ein 365-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen.

[Stefan Förster (FDP): Schaumschläger! –
Paul Fresdorf (FDP): Die Rede hätten Sie besser
zu Protokoll gegeben!]

Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Erstens, der Klimaschutz ist eine Gerechtigkeitsfrage, aber nicht alle Mittel sind deswegen gerechtfertigt. Wir wollen selbstverständlich auch bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen immer die soziale Frage mitgedacht wissen, sowohl beim Anwohnerparken als auch beim Wärmegesetz. Es muss ausgeschlossen sein, dass Mieterinnen und Mieter verdrängt werden. Wir werden sehr genau darauf achten.

Ganz zum Schluss an die Koalitionsfraktionen – SPD-Fraktion, Grüne-Fraktion und unsere eigene Fraktion:

[Holger Krestel (FDP): Herr Wolf! Haben Sie
in Hamburg noch ein bisschen Platz? Den können Sie gerne mitnehmen!]

Was wir hier hinbekommen haben, wenn wir die jetzt mal kurz ignorieren, ist ein sehr gutes Ergebnis in der Sache. Das Verfahren, das wir hier in den letzten Tagen hatten, war es nicht. Das ist ausdrücklich festzustellen. Ich fand es auch sehr schade, dass es in letzter Zeit sehr viele öffentliche Schlagabtausche, Schuldzuweisungen, Profilierungsaktionen gab. Lasst uns damit bitte aufhören!

Da draußen interessieren sich die Menschen nicht dafür, wer als Erster eine gute Idee gehabt hat und wer sich am besten darstellen kann, sondern dafür, dass wir die Probleme lösen und in den Griff bekommen.

[Holger Krestel (FDP): Schalten Sie mal die
Phrasendreschmaschine aus!]

Deswegen lasst uns hier zur Sacharbeit zurückkehren. Wir haben eine starke Mehrheit. Wir haben gesellschaftlichen Rückenwind. Wir sind eine sozial-ökologische Mitte-Links-Koalition. Ich appelliere daran, zur Sacharbeit zurückzukehren, dann werden wir in dieser Wahlperiode noch viele Erfolge zählen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN –
Holger Krestel (FDP): Die Rede hätten Sie auch
zu Protokoll geben können! Klimafaschisten! –
Frank-Christian Hansel (AfD): Öko-Dschihad! –
Holger Krestel (FDP): Ja, das ist der Öko-Dschihad!]

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