Migrationspakt der Vereinten Nationen

FlüchtlingspolitikIntegrationKatina Schubert

33. Sitzung, 15. November 2018

Katina Schubert (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch diese Debatte zeigt mal wieder, dass die AfD nicht bereit ist, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, sondern auf pure Hetze und Demagogie setzt. Das ist ziemlich anstrengend, aber okay. Es ist Ihr Recht, das zu tun. Mehr ist es dann aber auch nicht. Umso wichtiger ist es dann auch, dass wir bei der kommenden Europawahl alles dafür tun, dass solche Hetzer nicht noch stärker werden und es ein soziales und freiheitliches Europa bleibt. Genau dafür sind Sie die Gefahr. Sie haben sich den Migrationspakt noch nicht einmal angeguckt, denn es geht explizit nicht um Flucht und Asyl.

Es geht um Migration. Das ist der Gegenstand dieses Paktes. Und wenn Sie den Pakt mal von Anfang bis Ende lesen würden, wüssten Sie auch, dass die Hälfte dessen, was Sie erzählt haben, darin überhaupt nicht enthalten ist. Das zeigt einmal mehr, dass es Ihnen überhaupt nicht um die Sache geht, sondern dass es allein um Demagogie geht. Ich hoffe, dieser Spuk hat bald ein Ende hier in diesem Land!

Migration hat es immer gegeben, gerade auch in Deutschland. Wir hatten massenhaft Auswanderung von Deutschland weg, gerade beispielsweise von Demokratinnen und Demokraten. Und wir hatten sehr viel Einwanderung nach Deutschland, gerade auch nach Berlin. Wir denken an das hugenottische Erbe, an das jüdische Erbe. Wie viel Hundertausende, Millionen Menschen sind hierhergekommen! Der ganze Ruhrpott würde nicht funktionieren, wenn die polnischen Einwanderer und Einwanderinnen nicht gekommen wären.

Die ganze westdeutsche Wirtschaft wäre zusammengebrochen, wenn nicht die vielen sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus Portugal, Italien, der Türkei gekommen wären. Damals hat man gesagt, man ruft Arbeitskräfte, aber – oh, Wunder, das stellte Max Frisch fest – es kamen Menschen! Es hat immer schon Migration gegeben, und umso wichtiger ist es, dass wir Migration endlich als etwas Wichtiges begreifen, als etwas Positives, als das, worauf die Menschen auch ein Recht haben, sich zu entscheiden, wo sie leben wollen.

Und deswegen ist es wichtig, dass wir Migration vernünftig regeln. Es ist ein Fortschritt, dass sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in einem partizipativen Prozess auf den Weg gemacht haben, Verfahren zu entwickeln, wie so etwas funktionieren kann.

Präsident Ralf Wieland:

Darf ich Sie fragen, Frau Kollegin, ob Sie Zwischenfragen, einmal von Herrn Buchholz von der AfD und des – –

Katina Schubert (LINKE):

Ich habe eben schon gesagt, die brauchen gar nicht zu drücken. Die lasse ich sowieso nicht zu. AfD – nicht mit mir! Berlin profitiert von Einwanderung ungemein. Hier leben Menschen aus über 190 Nationen. Deswegen ist Berlin genau das, was es ist: attraktiv für viele Menschen. Wir sollten alles dafür tun, dass es auch so bleibt.

Deswegen sage ich: Dieser UN-Migrationspakt ist ein Fortschritt. Klar wünschen wir uns da noch mehr. Wir würden uns z. B. wünschen, dass er verbindlicher wäre, dass er nicht so unverbindlich ist, wie er leider ist. Wir könnten uns auch vorstellen, beim Thema Fluchtursachen mehr zu tun, als das, was jetzt aufgeführt ist, und klipp und klar Rüstungsexporte zu benennen, die zu stoppen sind, damit Kriege aufhören in der Welt.

Aber es ist ein Fortschritt, und ich glaube, man muss jetzt mal gucken, wie man das tatsächlich mit Leben füllen kann. Da ist z. B. von geregelten Migrationswegen die Rede. Ich glaube, dass das wichtig ist. Es ist auch wichtig, das auf den Fluchtbereich zu übertragen. Wir brauchen sichere Passagen. Wir brauchen legale Einwanderungs­wege. Das Sterben im Mittelmeer muss endlich aufhören. Das Sterben an den Grenzen und die Prügelorgien an den Außengrenzen der Europäischen Union müssen aufhören.

Nur wenn es endlich legale Zugangswege gibt, können wir übrigens auch den Schleusern das Handwerk legen und ihnen die Märkte entziehen. Der Pakt bekennt sich eindeutig zur Rettung von Menschenleben. Das ist prima.

Der Pakt bekennt sich eindeutig zur Gewährleistung guter Arbeit. Es gibt ein Bewusstsein über das Problem von Braindrain und möchte auch Maßnahmen ergreifen für Braingain, das heißt, dass auch in die Länder, wo viele Menschen auswandern, wieder andere einwandern können und es da zu einem Ausgleich kommt. Das heißt für mich, es gibt ein Recht auf Freizügigkeit, und zwar nicht nur für die privilegierten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger.

Das UN-Abkommen sagt: Freiheitsentziehung bei Migrantinnen und Migranten ist nur ein letztes Mittel. Das ist erst einmal ein guter Satz. Das teilen wir. Es sagt: Investitionen in Aus- und Weiterbildung, die Erleichterung von der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikation sind zentral wichtig für die Steuerung, die Regelung und vor allem die Integration von Migration. Das finden wir hervorragend. Und es ist umso besser, wenn es überall in der Welt so gemacht wird.

Schlussfolgerung: Der Pakt ist bei mancher Kritik ein Fortschritt, und jetzt kommt es darauf an, dass wir ihn hier und überall mit Leben füllen. – Danke schön!