Quelle: rbb-online.de

Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ausbauen, Opferhilfe stärken

"Die Maßnahmen, die in unserem heutigen Antrag gefordert werden, stärken den Berliner Opferschutz nachhaltig. Hervorheben möchte ich die Berliner Gewaltschutzambulanz, welche nun dauerhaft finanziert werden wird und somit unbefristete Arbeitsverträge an alle Beschäftigten vergeben kann. Dies ist neu und war vorher nicht möglich." sagt die frauenpolitische Sprecherin Ines Schmidt.

71. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 28. Januar 2021 

Zu "Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ausbauen, Opferhilfe stärken" (Priorität der Fraktion der SPD)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 18/3306

Ines Schmidt (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Liebe Zuschauer an den Endgeräten! März 2020: Unsere Gesellschaft hielt den Atem an, als es hieß, dass das öffentliche Leben wie Kinderbetreuungsstätten, Schulen, Beratungsangebote und Hilfeeinrichtungen durch die Coronapandemie schließen müssen. Sofort schoss uns allen dieser eine Gedanke durch den Kopf: Wie gehen wir mit der häuslichen Gewalt um? Schon vorher war sie ein ernst zu nehmendes Problem, aber in so einer Ausnahme- und Stresssituation war die Angst enorm, dass vor allem Kinder und Frauen die Leidtragenden des Lockdowns sind.

Wir haben in Berlin schnell reagiert. Innerhalb von wenigen Tagen wurden zwei Hotels angemietet, die Kindern und Frauen Zuflucht bieten. Das Angebot existiert bis heute und wird so lange beibehalten, wie wir es brauchen.

Die Maßnahmen, die in unserem heutigen Antrag gefordert werden, stärken den Berliner Opferschutz nachhaltig. Hervorheben möchte ich die Berliner Gewaltschutzambulanz, welche nun dauerhaft finanziert werden wird und somit unbefristete Arbeitsverträge an alle Beschäftigten vergeben kann. Dies ist neu und war vorher nicht möglich. Die Fachkräfte schlugen sich mit unattraktiven Einjahresverträgen herum, was dazu führte, dass sich viele von ihnen wegbeworben haben.

Darüber hinaus stärken wir die Täterarbeit, denn Täterarbeit ist der beste Opferschutz. Dieser ist, wie im Antrag beschrieben, Bestandteil eines Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich. Dafür brauchen wir mehr Möglichkeiten für Menschen, die Täter geworden sind, ihr Verhalten zu verändern und andere Lösungsstrategien zu erlernen. Jährlich gibt es in Berlin ca. 1 400 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. An dieser Stelle soll gesagt sein: Partnerschaftsgewalt ist für Frauen und ihre Kinder allzu oft tödlich, wie unsere Statistik zeigt. Momentan gibt es aber nur eine einzige Einrichtung, die Täterarbeit anbietet – die Volksolidarität, wo nur zwei Fachkräfte arbeiten, zwei Fachkräfte für 1 400 Anzeigen, wo Täter unterwegs sind. Wartezeiten für Antigewalttrainings von bis zu einem halben Jahr darf es in Zukunft in Berlin nicht mehr geben.

Wir brauchen eine langfristig finanzierte Täterarbeit in Berlin, die ohne Verwaltungshickhack auskommt. Das Konzept des Berliner Zentrums für Gewaltprävention liegt vor. Setzen wir es schnellstmöglich um!

Weitere wichtige Maßnahmen sind: Die Anzahl der speziell geschulten, sensibilisierten Einsatzkräfte wird erhöht. Die Stelle des Berliner Opferschutzbeauftragten wird, wie schon gesagt, gestärkt und ausgebaut. Zurzeit wird geprüft, eine Notfallhotline für potenzielle Täter einzurichten. Das Pilotprojekt „proaktiv – Servicestelle für Betroffene von Straftaten“ wird ab Mitte 2021 als Schnittstelle zwischen den Betroffenen, der Berliner Polizei und den Fachstellen mit seiner Arbeit beginnen.

Alle Maßnahmen müssen natürlich auch für schwule, lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen zugänglich sein. Besonders verletzliche Gruppen, vor allem behinderte Menschen, brauchen einen einfacheren Zugang zu Opfer- und Gewaltschutzinformationen. Natürlich müssen alle Angebote mehrsprachig vorgehalten werden.

Uns ist klar: Täter müssen die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Sie dürfen nicht im Mittelpunkt stehen, vielmehr müssen die Perspektiven der Betroffenen wahrgenommen werden, damit der innere Heilungsprozess beginnen und das Sicherheitsgefühl zurückkehren kann. Nur durch die Entschlossenheit des Staates und der Gesellschaft ist es möglich, der Gewalt zu begegnen. Häusliche Gewalt ist keine private Kiste, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Opfer sollen nicht nur vor Gewalt geschützt werden, sondern das Thema soll durch Prävention, Eingreifen und Sanktionierung öffentlich gemacht werden.

Was mir persönlich noch sehr wichtig ist: Gewalt ist, verdammt noch mal, kein Schicksal. Wehren Sie sich und suchen Sie Hilfe in unseren Einrichtungen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!