Koalition unternimmt alles, um Unterbringung von Pflegekindern bei pädosexuellen Männern ab 1969 aufzuklären

Kinder, Jugend und FamilieKatrin Seidel

31. Sitzung, 27. September 2018

Katrin Seidel (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Lieber Herr Simon! Bei dem, was Sie zuletzt gesagt haben, nehmen wir Sie beim Wort; das werden wir sicherlich alle miteinander so vorantreiben. Darüber gibt es in diesem Haus wohl keine zweite Meinung.

Weil Sie die Dauer angesprochen haben, bis es zur Beauftragung des Gutachtens damals kam: Es müssen Ausschreibungen gemacht werden, und wenn man seriöse wissenschaftliche Arbeit bei einem so sensiblen Thema beauftragen will, nimmt man nicht den Erstbesten. Da muss man erst einmal gucken, wie die Gemengelage ist. Ich finde es in Ordnung, dass da in Ruhe begutachtet wurde, wen man wofür beauftragt. – Ja, das ist manchmal so!

Und gleich vorneweg zum Antrag der AfD: Wir werden ihn natürlich ablehnen, weil wir – erstens – die von der Überschrift bis zur Begründung enthaltene Unterstellung, der Senat verzögere hier Aufklärung, entschieden zurückweisen.

Wir haben bereits in der Anhörung zu Ihrem früheren und mittlerweile abgelehnten Antrag deutlich gemacht, dass Senat und Koalitionsfraktionen alles unternehmen, um eines der schwersten Kapitel der Berliner Kinder- und Jugendhilfe restlos aufzuklären, und dass wir die damaligen Entscheidungen, Kinder und Jugendliche bei pädophilen Pflegevätern unterzubringen, zutiefst verurteilen und dem mit allen Konsequenzen nachgehen werden – mehrfach!

Wir haben auch mit Respekt zur Kenntnis genommen, dass Senatorin Scheeres Verantwortung übernommen und sich bei den Betroffenen entschuldigt hat. Der Senat hat mehrfach öffentlich gebeten, dass sich Betroffene melden. Dies war mittlerweile auch erfolgreich, auch wenn da noch etwas Luft nach oben ist, es sind nur sehr wenige Personen bisher. Ein Strafantrag ist gestellt, Hilfe und Unterstützung organisiert, ein Hilfesystem eingerichtet, man ist und bleibt im Gespräch.

Zweitens: Der Senat hat besagtes Gutachten 2016 in Auftrag gegeben, um herauszufinden, inwieweit damaliges Senatshandeln diese Vorgänge unterstützt hat. Mit diesem Gutachten, das auf der Webseite der Senatsjugendverwaltung öffentlich zugänglich ist, haben wir uns hier und in anderen Gremien, wie dem Landesjugendhilfeausschuss, mehrfach und ausführlich befasst. Da waren Ihre Leute auch dabei. Die Schlussfolgerungen sind öffentlich gemacht worden. Zu den Ergebnissen gehört auch ein Folgegutachten. Das ist, wie wir hörten, in Auftrag gegeben worden, und Sie wissen auch, Herr Weiß, dass zwischenzeitlich das Göttinger Institut, das die erste Studie gemacht hat, gar nicht mehr existiert. Ein neues Forscherteam ist sozusagen beauftragt, die Aufgabenstellung ist klar, Finanzierung steht auch, der Antrag ist damit gegenstandslos. Aber was ich noch schlimmer finde: Er ist leider auch noch total kontraproduktiv. Dass Sie hier suggerieren, der Senat wolle nicht handeln und helfen, unterstützt die Suche nach weiteren Betroffenen sicherlich nicht.

Unstrittig ist: Es gibt noch viel zu tun, um lückenlos aufzuklären, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, Betroffenen zu helfen, aber wir versprechen uns ebenso neue Erkenntnisse, um unser gegenwärtiges System der Hilfen zur Erziehung und des Pflegekinderwesens weiter zu qualifizieren und Kinder und Jugendliche früher und besser vor Missbrauch zu schützen. Es gibt bereits eine Vielzahl von Projekten, die ich unmöglich alle aufzählen kann. Ich nenne nur beispielhaft die Projekte der Charité „Kein Täter werden“ und „Du träumst von ihnen“ für Erwachsene und für Jugendliche, eventuelle zukünftige Täter, die sehr erfolgreich arbeiten. Gerade gestern ist die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ gestartet, mit der schulische Schutzkonzepte entwickelt und umgesetzt werden sollen.

Ja, es gibt viel zu tun, wir sind bei der Arbeit, der Senat arbeitet auch. Dieser Antrag ist leider keine Unterstützung dafür.