Hohenzollern nicht aus historischer Verantwortung entlassen – öffentliches Kulturerbe sichern!
Gemeinsame Pressemitteilung der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus
Die Familie von Preußen als Erbengemeinschaft des sogenannten Hauses Hohenzollern erhebt Restitutionsforderungen gegenüber der öffentlichen Hand. Konkret geht es um mehrere Tausend Kunstschätze aus Museen in Berlin und Brandenburg und eine finanzielle Entschädigung. Seit 2014 laufen dazu nichtöffentliche Gespräche zwischen der Familie, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund.
Das Ausgleichsleistungsgesetz, auf das sich die Hohenzollern bei ihren Entschädigungsforderungen berufen, gilt jedoch nur für Enteignete, die den Nationalsozialismus nicht aktiv unterstützt haben und kann deshalb nach Auffassung der Koalition hier nicht geltend gemacht werden. Denn sowohl die historiographische Forschung als auch die Rechtslage und die Rechtsprechung liefern starke Indizien dafür, dass Vertreter*innen des Hauses Hohenzollern der Etablierung und Festigung des nationalsozialistischen Systems erheblichen Vorschub geleistet haben. Es ist Zeit, diese Angelegenheit endlich juristisch zu klären.
Deshalb fordert das Abgeordnetenhaus in einem Antrag, der in der heutigen Plenarsitzung beschlossen worden ist, den Senat auf, das öffentliche Interesse und Eigentum an diesem strittigen Kulturerbe zu verteidigen und darauf hinzuwirken, dass das von den Hohenzollern angestrengte Gerichtsverfahren zügig zu Ende geführt wird. Wohn- und Nutzungsrechte in ehemaligen Immobilien der Hohenzollern sind nicht verhandelbar, ebenso wenig wie eine institutionelle Mitsprache der Familie von Preußen in öffentlichen Kultureinrichtungen in ihrer Funktion als Leihgeberin. Das Abgeordnetenhaus fordert den Senat zudem auf, umfassende Transparenz über die Vergleichsgespräche herzustellen und sämtliche Forderungen der Familie zu Kulturgut in Berliner Museen zu veröffentlichen.
Dr. Susanne Kitschun, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Denkmalschutz (SPD-Fraktion): „Dass die Hohenzollern in letzter Zeit rechtlich gegen Journalistinnen und Wissenschaftlerinnen vorgehen, die kritisch zur Geschichte der Hohenzollern arbeiten, sehen wir mit allergrößter Sorge. Die Geschichte dieser ehemals mächtigen Familie ist eng mit der deutschen Geschichte und dem begangenen Unrecht verwoben. Schon deshalb kann sie keine Privatangelegenheit sein. Mit dem Koalitions-Antrag setzen wir deshalb bewusst ein Zeichen für eine offene Debattenkultur, für Wissenschafts- und Pressefreiheit.“
Regina Kittler, kulturpolitische Sprecherin (Linksfraktion): „Wir werden nicht verschenken, was der Gesellschaft gehört. Die Hohenzollern haben weder ein Anrecht auf die Rückgabe von Gemälden und Kunstschätzen, zu deren Herkunft zudem noch viel aufzuarbeiten ist, noch auf eine Entschädigung für diese oder für Immobilien. Abgesehen davon, dass sie ihre Schätze und ihre Schlösser über Jahrhunderte mittels autoritärer Herrschaft und Frondiensten ihrer Untertanen erschaffen ließen, haben sie vom deutschen Kolonialismus und letztlich auch an der „Arisierung“, also Enteignung jüdischer Firmen profitiert.“
Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen): „Es muss endgültig Schluss sein mit den klandestinen Gesprächen über Ausgleichsleistungen für die Nachfahren einer Familie, die aufgrund ihrer Verstrickungen in den Nationalsozialismus darauf gar kein Anrecht hat. Ein historischer Freispruch der Hohenzollern durch die Hinterzimmertür kommt für uns nicht in Frage. Wir senden mit diesem Beschluss das klare politische Signal, dass demokratische gewählte Parlamente weder bei der Deutung der deutschen Geschichte noch in der Frage der Wissenschaftsfreiheit erpressbar sind. Ich hoffe, dass Brandenburg und der Bund alsbald genauso klar Position beziehen.“