Regina Kittler: Hindenburg von Ehrenbürgerliste streichen, Quelle: rbb-online.de

Hindenburg von der Ehrenbürgerliste streichen

KulturRegina Kittler

„Wer heute noch eine Ehrenbürgerschaft Hindenburgs in Berlin aufrechterhalten will, verschließt die Augen vor der Verantwortung Hindenburgs für die Toten zweier Weltkriege und für die Opfer des deutschen Faschismus.“ sagt Regina Kittler.

49. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 14. November 2019

Zu Paul von Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste Berlins streichen (Priorität der Fraktion Die Linke)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 18/2256

Regina Kittler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist schon lange an der Zeit, Hindenburg, einem Wegbereiter des deutschen Faschismus, die Ehrenbürgerwürde zu entziehen.

Sie wurde ihm auf Antrag der NSDAP und der Deutschnationalen Volkspartei gemeinsam mit Hitler zu dessen Geburtstag 1933 durch einen Teil der Berliner Stadtverordnetenversammlung verliehen. Die Abgeordneten der KPD waren bereits aus der Stadtverordnetenversammlung vertrieben,

[Georg Pazderski (AfD): Diese linken Bilderstürmer!]

die der SPD blieben der Abstimmung fern. Erich Granaß, Fraktionsvorsitzender der Deutschnationalen, begründete den Antrag auf Ehrenbürgerschaft laut amtlichem Protokoll der Versammlung wie folgt – ich zitiere mit Erlaubnis –:

Vorbei ist die Zeit, da Berlin ein Begriff war für undeutsches Wesen, für Internationalismus, für kommunalen Größenwahn. Sparsamkeit, Sauberkeit und Sachlichkeit in einer Selbstverwaltung auf christlich-nationaler Grundlage haben jetzt ihren Einzug in Berlin gehalten. Das Reinigungswerk ist schwer. Mit starker Faust muss eingegriffen werden. Störende Übergangserscheinungen lassen sich schwer vermeiden. Sie werden verschwinden, wenn das Werk vollendet ist. Die Wiedererlangung dieser Ehre beruht in höchstem Maße auf dem tatkräftigen Willen des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg und des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler. Berlin ehrt sich durch diese Verleihung selbst.

Nein! Berlin hat sich durch diese Verleihung entehrt.

Und was mit dem Reinigungswerk und störenden Übergangserscheinungen gemeint war, wissen wir heute. Hindenburg berief am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler und löste gemeinsam mit Hitler und Frick am 1. Februar 1933 den Reichstag auf. Der Auflösung folgten nach dem inszenierten, und zwar von dem Nazis selbst inszenierten Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 unter anderem die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes und die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat.

Damit waren die Grundrechte außer Kraft gesetzt. Es folgten direkt danach Massenverhaftungen von Mitgliedern der KPD und der SPD und gleich danach die Errichtung von Konzentrationslagern. Wir wissen, wie es weiterging. Gewerkschafter und aufrechte Demokraten wurden ebenso verfolgt, gequält, vernichtet wie 6 Millionen jüdische Menschen. Hindenburg war mit schuldig.

Mit der Außerkraftsetzung der Grundrechte durch das aktive Handeln von Hindenburg wurden das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit de facto abgeschafft. Im Beschluss der nationalistischen und faschistischen Stadtverordnetenversammlung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft für Hitler und Hindenburg wurde das mit – ich zitiere – „in Würdigung ihrer Verdienste um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin“ – Zitat Ende – umschrieben. Es wurde ein Handeln gewürdigt, das das deutsche Volk in das bitterste Kapitel seiner Geschichte führte. Und es ließ sich führen, in die dunkle Zeit von Massenvernichtung in Konzentrationslagern und in einen Zweiten Weltkrieg.

Dabei hatte Hindenburg auch schon im Ersten Weltkrieg genug Schuld auf sich geladen, er, der gemeinsam mit Ludendorff 1916 die Oberste Heeresleitung übernahm. Und wer jemals in Verdun war, wird das Bild des Gräberfelds und der endlos scheinenden Kreuze nie wieder vergessen. Hindenburg ließ deutsche Soldaten dort 300 Tage und Nächte kämpfen und jämmerlich verrecken. Etwa 17 Millionen Menschen verloren ihr Leben durch diesen Krieg, über den Hindenburg Bilanz ziehend sagte: „Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.“ – Dass dieser Krieg durch Deutschland nicht mehr gewonnen werden konnte, begründeten er und Ludendorff nach 1918 mit der Dolchstoßlegende – Grundlage für das Weiterleben der reaktionären Kräfte in Deutschland.

Wer heute noch eine Ehrenbürgerschaft Hindenburgs aufrechterhalten will, verschließt die Augen vor der Verantwortung Hindenburgs für die Toten zweier Weltkriege und für die Opfer des deutschen Faschismus. Die Zeit, in der wir leben, erfordert wieder ein Aufstehen gegen Nationalismus und eine Bekräftigung des Nie-wieder-Faschismus.

[Zuruf von der AfD: Nie wieder Kommunismus!]

Das beginnt mit dem Erinnern an die deutsche Geschichte des vorigen Jahrhunderts und an die Opfer, und es schließt die konsequente Verurteilung der Täter ein. Und Hindenburg war Täter! Er darf nicht länger Ehrenbürger unserer Stadt sein!

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