Linksfraktion unterstützt Umbenennung der Mohrenstraße

KulturVerkehrRegina Kittler

61. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 20. August 2020

Regina Kittler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon der Titel des Antrags zeigt ja die verschobene Wahrnehmung der AfD. Bei der Debatte um die Mohrenstraße geht es nicht um eine apolitische, diffuse Achtung der Berliner Geschichte, sondern um die Würde vieler Völker Afrikas und die Achtung ihrer Geschichte.

Es geht nicht um ein Erinnern an Minderheiten, sondern ein Erinnern an die Verschleppung und Versklavung afrikanischer Menschen. Das muss auch zur Beseitigung diskriminierender und rassistischer Bezeichnungen von Straßen, Plätzen und eben auch Bahnhöfen führen.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohr?

Regina Kittler (LINKE):

Nein. – Worum es im Antrag geht, wird in der Begründung übrigens ganz klar. Mich wundert es nicht, dass sich die AfD gerade auf van der Heyden bezieht – ich weiß übrigens sehr wohl, wer der Mann ist –, der in einer seiner Publikationen behauptet, Afrikaner hätten zur Kolonialzeit mehr oder minder freiwillig den Weg nach Europa gefunden. Weil derselbe Historiker an anderem Ort zu dem Schluss kommt, dass die Straßenbezeichnung „Mohrenstraße“ zur Zeit der Entstehung überhaupt nicht rassistisch gemeint sei, sondern allenfalls exotisch, ist es nach Meinung der AfD jetzt eben auch so. Und sie pseudophilosophiert da weiter, ich zitiere:

Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich nicht aus vorgeblichen Gefühlen Einzelner, sondern aus dem Sprachgebrauch in der Gesellschaft.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Regina Kittler (LINKE):

Nein, danke! Von der AfD möchte ich keine Zwischenfragen.

„Vorgebliche Gefühle Einzelner“: Wen meinen Sie denn da? Das würde mich mal interessieren. Ich nehme an, Sie meinen schwarze Menschen. Und die sollen sich gefälligst nicht so haben, es ist halt der Sprachgebrauch der Gesellschaft. Da setze ich jetzt mal ein Zitat dagegen, weil mein Kollege Friederici schon Hannah Arendt anführte, die mit dem Autor des kommenden Zitats sehr verbunden war:

Was jemand willentlich verbergen will, sei es nur vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: Die Sprache bringt es an den Tag.

Victor Klemperer, LTI – die Sprache des Dritten Reiches. Wenn ich sehe, wie einige hier im Haus herumfuchteln, fühle ich mich durchaus daran erinnert.

[Georg Pazderski (AfD): Haben Sie es denn gelesen,
oder haben Sie es nur mitgekriegt?]

– Selbstverständlich! – Wer diese Bücher liest und auch die Tagebücher von Klemperer – die empfehle ich Ihnen auch noch mal –, der wird Sprache neu überprüfen, auch die, die wir als Kinder vielleicht bedenkenlos oder arglos übernahmen.

In ihnen wird klar, welche Auswirkungen der Sprachgebrauch auf das menschliche Denken und in der Folge auch auf das Handeln hat. Die Verwendung des Wortes „Mohr“ setzt schwarze Menschen herab, und diese empfinden das auch so. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt.

Das allein reicht mir und reicht uns, um Artikel 1 des Grundgesetzes in Anwendung zu bringen und zu handeln. Ihr ganzes Geschwafel, auch Ihres, Herr Pazderski, über vorgebliche Gefühle Einzelner, ist so durchschaubar.

Schwarze Sichtweisen werden als subjektiv, emotional oder irrational abgewertet, weiße hingegen, nämlich Ihre weißen, als nüchtern, objektiv und wissenschaftlich angesehen. Das ist Rassismus, was Sie hier betreiben.

Das ist die Auswirkung von Kolonialamnesie.

Die Linksfraktion begrüßt im Gegensatz zur AfD die Initiative der BVG zur Umbenennung der U-Bahnhaltestelle. Die wird auch kommen, Herr Friederici. Da können Sie ganz sicher sein. Übrigens, weil Sie mit Ihrer Partei so gegen Umbenennungen sind – da lachen jetzt wirklich die Hühner –, erinnere ich mal an 1989 und die folgenden Jahre.

Dieser U-Bahnhof hieß übrigens mal „Otto-Grotewohl-Straße“. Den haben Sie umbenannt, bloß mal so zur Erinnerung.

[Martin Trefzer (AfD): Wollen Sie den zurück, Frau Kittler?]

– Was für einen Namen ich möchte, sage ich Ihnen noch.  – Wir begrüßen übrigens auch, dass in der BVV Mitte nach 16 Jahren Debatte endlich bei der Straßenumbenennung gehandelt werden soll, und dort findet die Debatte statt – übrigens auch mit der schwarzen Community und mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Wir, die Linksfraktion, schließen uns der Forderung von Zusammenschlüssen wie dem Afrikarat Berlin-Brandenburg, Berlin Postkolonial und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland nach Umbenennung der Mohrenstraße und des gleichnamigen U-Bahnhofs an.

Ich unterstütze auch den Vorschlag, eine Benennung nach einer Persönlichkeit wie dem Gelehrten Anton Wilhelm Amo vorzunehmen, der im 18. Jahrhundert als Kind aus Ghana nach Preußen verschleppt wurde und sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte. Und den Antrag der AfD werden wir selbstverständlich ablehnen, da können Sie hier schäumen, Herr Pazderski. Sie sind nicht die Mehrheit, Gott sei Dank!

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