Quelle: rbb-online.de

Bilanz Berliner Mietendeckel: ein Erfolgsmodell

Mieten- und WohnungspolitikGaby Gottwald

"In Berlin sinken die Mieten. Das gibt es in keiner anderen europäischen Metropole. Ist es ein Wunder, für das uns alle Welt beneidet? Nein. Es ist das Resultat konsequenter Politik, die sich an den Interessen der Mieterinnen und Mieter orientiert." sagt Gaby Gottwald.

67. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 19. November 2020

Zur Aktuellen Stunde "Bilanz Berliner Mietendeckel: ein Erfolgsmodell"

Gabriele Gottwald (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Berlin sinken die Mieten. So schreibt es der Zentrale Immobilien Ausschuss – ZIA – in seinem Herbstgutachten. Das ist praktisch der heilige Gral der Immobilienwirtschaft.

Sinkende Mieten gibt es in keiner anderen Europäischen Metropole. Ist es ein Wunder, für das uns alle Welt beneidet? Nein! Es ist das Resultat konsequenter Politik, die sich an den Interessen der Mieterinnen und Mieter orientiert.

Sinkende Mieten wurden durch Beschlusslage dieses Parlaments gemacht, durch einen Senat, der den Mumm hatte, unbekanntes Feld zu beschreiten und allen voran die ehemalige Senatorin Katrin Lompscher, der ich hier noch mal ausgesprochen danken möchte.

Ab Montag müssen Vermieter von sich aus überhöhte Mieten kappen. Eigentümerverbände wie Haus & Grund raten ihren Mitgliedern dazu, das Gesetz zu befolgen und halten entsprechende Formulare bereit. Das finde ich gut.

Es wurden im Vorfeld viele Argumente gegen den Mietendeckel vorgebracht. Von der Opposition gab es viel Getöse, wie heute auch. Und was ist von den armseligen Versuchen, ein gutes Gesetz madig zu machen, geblieben? – Nichts!

Sie, Herr Laatsch, haben das hier eben wieder vorgeturnt, was die Basis der AfD-Politik ist: Gehässigkeiten schüren, Sozialneid schüren, die Leute gegeneinander aufhetzen, damit sie möglichst Ihnen hinterherlaufen. Was Sie aber nicht begriffen haben, ist: Es geht nicht darum, wer in welcher Wohnung wohnt. Es geht darum, wie hoch der Preis einer Wohnung ist. Egal, wer darin wohnt. Das ist die Basis unserer Politik, und das ist vernünftig!

Gibt es weniger Neubau durch den Mietendeckel? Herr Gräff hatte sich wie immer in dieser These versucht. – Nein, gibt es nicht. Die Bauaktivität ist auf dem Höchststand, und die Baugenehmigungen bleiben trotz Corona auf hohem Niveau. Der Mietendeckel verhindert den Neubau nicht. Aber, Herr Gräff, es ist bemerkenswert, dass gerade die am lautesten wettern, die kaum bauen. Die CDU zieht in ihren Bezirken beim Bau keinen einzigen Hering vom Teller. Sie ist das Bauschlusslicht in der Stadt.

Lassen Sie mich noch was sagen, damit Sie sich noch mehr aufregen können!

Präsident Ralf Wieland:

Darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Frau – –

Gabriele Gottwald (LINKE):

Nein, danke! Ich möchte keine Zwischenfrage!

Präsident Ralf Wieland:

Keine Zwischenfrage.

Gabriele Gottwald (LINKE):

Sie schimpfen ja immer so gerne auf unseren sehr geschätzten Baustadtrat Herrn Schmidt. Ich komme aus Friedrichshain-Kreuzberg. Ich sage Ihnen: Kreuzberg, kleiner Bezirk, hat eine 3,4-fache Bevölkerungsdichte gegenüber zum Beispiel Steglitz oder noch mehr gegenüber Reinickendorf. Wir bauen fast das Doppelte von dem, was Sie in ihren piseligen CDU-Bezirken bauen, damit das mal klar ist.

Dann wird gerne das Gerücht gestreut, der Mietendeckel habe dazu geführt, dass das Vermietungsangebot deutlich rückläufig wäre. Auch da hat sich Herr Gräff bemüht. Wir wissen: Die Fluktuation ist gering. Dennoch ist den Aussagen von Internetplattformen mit Vorsicht zu begegnen. Sie sind nur eine Momentaufnahme aus einem Ausschnitt des Marktgeschehens und nicht valide. Viele Wohnungen werden zudem direkt vergeben. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. – BBU –, der größte Verband in Berlin, hat explizit erklärt: In seinem Verband gibt es keine Änderungen im Angebotsverhalten. Das sollte einem zu denken geben, weil da alle drin sind: die Öffentlichen, die Genossenschaften und die großen Börsennotierten.

Und was soll denn mit diesem Gerücht eigentlich transportiert werden? Gibt es massenhaft Vermieter, die freie Wohnungen lieber leerstehen lassen? Lieber keine Mieter als gedeckelte? Ich glaube nicht, dass dies ein weit verbreitetes Phänomen ist.

Es wäre auch gesetzeswidrig, die Wohnung einfach mal so mehr als drei Monate leer stehen zu lassen. Ich kann davor nur warnen, denn Leerstand wird mit einem fetten Bußgeld geahndet.

Durch den Mietendeckel werden Mieter nicht mehr durch Modernisierung aus ihren Wohnungen geekelt. Diese Maschine zum Gelddrucken haben wir abgestellt, da wir die Umlage begrenzt haben. Das ist ein echter Erfolg des Mietendeckels

Die Regulierung der Mietpreise ist richtig und wichtig. Strukturell war es unser Berliner Problem, dass mit Bestandswohnungen so viel Rendite gemacht wurde und so privater Wohnraum zu Betongold verkam. Dieser Zusammenhang bedroht Mieter grundsätzlich. Wir haben die Kreise der Anleger leicht gestört, zumindest für fünf Jahre. Aber wie wir im akuten Fall Heimstaden sehen, ist der Anreiz zur Shoppingtour auf unserem Wohnungsmarkt immer noch recht hoch. Es ist zu viel überschüssiges Kapital unterwegs, das einen sicheren Hafen sucht. Aber unser Wohnungsmarkt soll dieser Hafen nicht sein, wenn nicht der Schutz der Berliner Mieterinnen und Mieter auch gleichzeitig gewährleistet ist.

Ich hoffe, auch Heimstaden hat dies aktuell begriffen und verhält sich dementsprechend. Der Handel mit Wohnhäusern ist gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent eingebrochen. Das ist, nicht wie Sie vermuten, eine gute Nachricht, finde ich, denn der Verkauf und Kauf von Wohnungen schafft keinen neuen Wohnraum, das Argument ist Ihnen bekannt, sondern verteuert nur deren Preis, den immer die Mieter zahlen.

Wir wollen daher, dass es weniger lukrativ ist, mit privatem Wohnraum Rendite für Pensionsfonds, Versicherungen und andere Finanzanleger zu machen. Wohnraum ist keine Ware, und wir versuchen, uns dem Stück für Stück zu nähern.

Fügen wir jetzt Vermietern einen großen Schaden zu, weil wir ihre Gewinne reduzieren? – Nein! Es gibt bisher rund 600 Härtefälle. Das ist übersichtlich. Niemand wird über den Mietendeckel in ein Minus getrieben. Die großen Player haben eh kein nachhaltiges Problem mit dem Mietendeckel. Die neuen Quartalsabschlüsse von Deutsche Wohnen und Vonovia bestätigen das. Klar, der Deckel schmälert die Gewinne, aber er scheint das Unternehmensziel nicht zu erschüttern: Gewinne und Dividende sollen steigen und die Aktienkurse ebenfalls. – Der Mietendeckel ersetzt ganz offensichtlich keinesfalls eine Vergesellschaftung der größten Unternehmen am Wohnungsmarkt.

So weit ist alles in Butter, nach meiner Meinung, gäbe es nicht das Problem, dass die Immobilienwirtschaft eine Strategie entwickelt hat, wie sie den Mietendeckel zumindest teilweise unterlaufen oder gar sabotieren kann. Sie hat das Paralleluniversum der sogenannten Schattenmiete erschaffen, sprich: Nach ihrer Ansicht gibt es eine eigentliche und eine uneigentliche Miete. So werden unter anderem bei neuen Mietverträgen zwei Miethöhen im Vertrag fixiert, eine meist hohe Wunschmiete, nach dem Vermieter, und ein geforderter Betrag analog zum Mietendeckel. Ein wirkliches Novum, so etwas hatten wir, glaube ich, noch nicht. Es werden auch Zustimmungen zu Mieterhöhungen in laufenden Verträgen verlangt, deren Bezahlung jetzt nicht eingefordert wird. Diese Praxis widerspricht meiner Meinung nach dem Gesetz.

Ich mache es noch mal ganz einfach, damit es alle verstehen: Wir haben hier ein Verbotsgesetz beschlossen, das besagt, eine Miete ist verboten, die die zulässige Miethöhe überschreitet.

Das ist extra einfach formuliert, damit es alle verstehen können. Das Verbot umfasst fordern, entgegennehmen und vereinbaren.

Die Vermieter jedoch bedienen sich einer gezielten Abschreckungsstrategie. Sie behaupten, das Gesetz werde eh gekippt, und dann gelte die Schattenmiete, die dann rückwirkend gezahlt werden müsse. Diese Angstmacherei verfolgt natürlich das Ziel, gerade bei Neuvermietungen weniger zahlungsfähige Bewerber zu verprellen. Das ist Absicht. Hier wird absichtlich Sinn und Zweck des Gesetzes unterlaufen, Wohnraum für alle Einkommensgruppen zugänglich zu machen, zu gleichen Bedingungen.

Ich kann daher nur alle, die solche Erfahrungen machen, auffordern, sich ans Bezirksamt zu wenden, damit dieses den Vermieter in seine Schranken weist. Es findet bereits statt. Pankow ist da vorbildlich. Verstöße gegen das Gesetz sind laut Bundesverfassungsgericht bußgeldfähig. Die ganze Trickserei mit der Schattenmiete fußt auf dem Kalkül, das Bundesverfassungsgericht kippt das Gesetz. Wir gehen davon aus, der Mietendeckel bleibt. Die jetzigen Störmanöver laufen dann ins Leere. – Vielen Dank!

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