Städtebauliche Neuordnung am Checkpoint Charlie

Katalin Gennburg

32. Sitzung, 18. Oktober 2018

Katalin Gennburg (LINKE):

Ja, liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute tatsächlich ein sehr ambitioniertes Thema auf dem Tisch. Ich nehme an, wir haben hier auch interessante Verbindungen über die Fraktionsgrenzen hinweg. Herr Evers hat jetzt schon den Aufschlag gemacht, wie wir zu einer staatlichen Lösung für das vorliegende Problem kommen. Ich werde darauf in meiner Rede zu sprechen kommen.

Heute reden wir über ein Bauvorhaben an jenem Ort, der in der ganzen Welt stellvertretend für das geteilte Berlin und den Kalten Krieg steht. Fast schon handelt es sich um eine Marke, ein Branding. Über die Pläne des Investors Trockland müssen wir als rot-rot-grüne Landesregierung jetzt mal Tacheles reden, weil das Vorhaben der Firma, ein Hardrock-Hotel zu bauen und daneben ein Museum zum Gedenken in den Keller zu verbannen, auch von der „New York Times“ mit Kopfschütteln kommentiert wird. So geht es nicht weiter.

Die Kommodifizierung, also die Inwertsetzung von Kulturgütern und Zeitgeschichte ist keineswegs trivial, wie wir heute in Berlin an jeder Ecke sehen. Mit jedem weiteren Betonbrocken, der als Mauerrest verkauft wird, schreibt sich unsere Stadtgeschichte tiefer in das historische Bewusstsein aller ein. Nirgends sind die Geschichten so lebendig wie in der Stadt mit einer Mauer, die Familien trennte, Leben forderte und ein Stadtleben entstehen ließ, das noch heute in seiner Unterschiedlichkeit erlebbar ist und sich faktisch in den Berliner Stein gemeißelt hat. Dit is Berlin, wa?

Das dachten sich nun auch schon mehrere Investoren. Wenn wir heute über den Checkpoint Charlie sprechen, dann reden wir über Heritage, Kulturerbe und ein Baufeld, das weltweit als Abbild des Kalten Krieges im geteilten Deutschland steht, genau dieser Grenzübergang, ein Ort übrigens, der auch stellvertretend für die unfassbar schlechte Liegenschaftspolitik der Vergangenheit steht, der verkauft und beliehen und heute in Zahlen einfach nur insolvent ist, auch ein denkwürdiges Sinnbild für das wiedervereinigte Deutschland. Große Träume und große Transaktionen hat dieser Ort rund um die Zimmerstraße bereits gesehen, und nun steht ein neues Vorhaben im Raum.

Ich bin bewusst mit dem Bezug auf einen städtebaulichen Umgang mit Denkmalorten und Kulturstätten eingestiegen, denn was wir in Berlin erleben, ist, dass jenes Investorenkonsortium namens Trockland gerade ein Stück Mauer – –  Und wir reden hier über jenen Todesstreifen, der zu viele Menschenleben kostete und heute eine von Berlins Hauptattraktionen ist. Auf diesem Todesstreifen hat Trockland sich Baurecht verschafft und die Mauer beseitigt, sodass sogar David Hasselhoff erneut anreiste und seinen Schlager „Looking for Freedom“ darbot und die Proteste gegen Mauerabriss und Luxusbebauung gegenüber dem ebenfalls grässlichen Ort Mercedes-Benz-Arena flankierte. Das ist der Investor, der aktuell vorschlägt, ein Museum zum Gedenken an den Teil der Geschichte zu bauen, deren Artefakte er anderswo für Luxusbutzen abreißt.

Für das Museum zur Geschichte der deutsch-deutschen Teilung bietet Trockland dem Land Berlin 25 Jahre Mietgarantie, aber das Museum soll in den Keller. Mal unter uns: Das ist kein Angebot. – Während wir über dieses Investorenkonsortium, welches sogenanntes Mezzanine-Kapital einsammelt, nicht viel mehr wissen, als dass hier etliche Geldgeber aus Steueroasen dringend nach Geldanlagen suchen, möchte ich insbesondere unseren Regierenden Bürgermeister befragen, ob dies nicht jene Immobilienanleger waren, die Sie im Sommer noch nach neuseeländischem Vorbild aus der Stadt verbannen wollten.

„Wem gehört Berlin?“, fragt der „Tagesspiegel“ gemeinsam mit dem Recherchenetzwerk „CORRECTIV“, und wir stehen mittendrin. Recherchen zum Investor finden sich fast täglich neue, und eines ist klar: Gut zuhören, bitte! Das überschuldete Grundstück liegt beim Insolvenzverwalter, und es gibt kein Baurecht. Niemand – ich betone, niemand – kann uns antreiben, diesen weltweit bekanntesten Ort deutsch-deutscher Teilungsgeschichte zu verramschen. Ja, genau, verramschen für ein Hardrock-Hotel mit Party und Saufen auf dem Todesstreifen und ein Museum im Keller.

Im Sommer machte der Enteignungsfall des Schlosses Reinhardsbrunn nach dem Denkmalgesetz in Thüringen Schlagzeilen. Die dortige Landesregierung enteignete, weil der Denkmalwert des Ortes in Gefahr geriet und damit das Kulturerbe des Landes. Ich möchte eindringlich darauf hinweisen, dass der Checkpoint Charlie als eingetragener Denkmalort mit inzwischen unter Schutz gestellten Brandwänden sehr enge Spielräume für eine städtebauliche und historisch sensible Entwicklung vorgibt. Danke übrigens an das Landesdenkmalamt und Herrn Haspel für diesen wichtigen Schritt! Hier wird darauf zu achten sein, ob dem Erbe Rechnung getragen wird. Und diese Botschaft ist wichtig: Eine Enteignung zur Sicherung des Denkmals ist machbar und steht im Raum.

Wir sind uns einig: Wir werden Verantwortung für diesen Ort übernehmen, und er wird zur Nagelprobe zum Umgang mit unserer Geschichte. Wir alle können unseren Kindern nämlich nicht erklären, warum wir ein Museum zum Gedenken an den Kalten Krieg im Keller eines Hochhauses mit 25 Jahren Duldung bzw. Mietdauer eingetauscht haben gegen diesen historischen, unbezahlbaren Ort. Letzter Satz: Oder wie meine Mutter immer zu sagen pflegt, dafür sind wir 89 nicht auf die Straße gegangen. – Vielen Dank!

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