Konjunktur: Berlin wächst weiter

WissenschaftHarald Gindra

49. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 14. November 2019

Zu Aktuelle Stunde: Konjunkturentwicklung: Berlin wächst weiter

Harald Gindra (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Vortrag aus dem Volkshochschulkurs Volkswirtschaft, aus dem ich keine Vorschläge für die Entwicklung der Berliner Wirtschaft heraushören konnte, ist es schwer, wieder auf das Thema zurückzukommen.

Aber vielleicht, zwei Meldungen von heute: Einerseits sind wir tatsächlich bundesweit vorbeigeschrammt an einer Rezession. Das ist ja in einer bestimmten Weise definiert: 0,1 Prozent Zunahme im Quartal hat verhindert, dass wir von einer Rezession sprechen können. Berlin hebt sich davon ab, das haben ja meine Vorredner schon entwickelt.

Die anderen Nachrichten heute sind unter anderem: Tesla verzückt Berlin, Berlin elektrifiziert, Berlin rockt – auch in einer gewissen Weise begründet.

Nur der RBB dämpft etwas die Stimmung, weil er die Frage stellt: Wer ist Elon Musk? – Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:

Der Superstar der Tech-Szene will künftig Tesla-Autos in Brandenburg produzieren lassen. Doch der US-Unternehmer kann mehr als E-Fahrzeuge –er greift nach den Sternen. Aber Musk ist auch unberechenbar, Kritiker nennen ihn gar einen Hochstapler.

Das hat der RBB gesagt. – Ich vertrete das nicht, sondern wir haben die Chance, mit der Tesla-Ansiedlung, die in der ersten Stufe in Grünheide 3 000 Arbeitsplätze schaffen soll, zu dem starken Digitalisierungsstandort, der wir schon sind, ein noch stärkerer Fahrzeug- und vor allem E-Mobilitätsstandort zu werden.

In dem Bereich arbeiten bereits 22 000 Beschäftigte. Also wir haben ja zum Beispiel das Daimler-Motorenwerk in Marienfelde. – Bitte keine Zwischenfragen! – Dort wird es darum gehen, in den Bereichen den Digitalisierungsschub zu verkraften. Aber soweit ich es über die IG Metall mitbekomme, sind in den Betrieben und gerade in der Begleitung mit den Betriebsräten die Transformationsprozesse auf gutem Weg.

Man kann sagen: Berlin ist in den letzten Jahren – und daran hängt auch ein Teil der besseren Konjunkturdaten für Berlin gegenüber dem Bundesgebiet – ein Gewinner der Digitalisierung. Hier haben sich zahlreiche Konzerne aus Deutschland, Europa und darüber hinaus mit Technologie-Hubs und Laboratorien angesiedelt, wo neue Innovationen entwickelt werden, die allerdings stärker in den Industrieanteil ausstrahlen müssen, worauf Herr Jahnke schon hingewiesen hat. Ich bin nicht zufrieden mit einem Industrieanteil von unter 10 Prozent.

Ich denke, das ist zum Beispiel ein Ansatz, wo wir stärker verknüpfen müssen und wo wir zum Glück eine starke Basis in den kleinen und mittleren Unternehmen in Berlin finden können, die wir stärker mit Wissenschaft, Labs und Innovationsfähigkeit und einer Gründerkultur aus den Universitäten heraus verknüpfen müssen.

Der Masterplan Industrie liefert Ansatzpunkte zur Weiterbildung der Beschäftigten, um Digitalisierung und Transformationen in der Industrie bewältigen zu können.

Angesprochen wurde von Herrn Gräff Investitionsfeindlichkeit zum Beispiel über den Mietenspiegel: Herr Gräff verkennt, dass wir sowohl ein wirtschaftliches wie ein soziales Gleichgewicht in dieser Stadt brauchen. Sonst wird sich die positive, über dem Bundesdurchschnitt liegende Wirtschaftsentwicklung nicht halten können.

Sie haben das Wirtschaftsfrühstück der IHK angesprochen. Ich weiß nicht, Herr Gräff, ob Sie auch dabei waren, als Herr Benko – mit dem ich durchaus verschiedene Differenzen in der Umgestaltung der Stadt mit seinen verschiedensten Hochhausplänen hätte – die förderliche Politik der Stadt Wien im Wohnungsmarkt hervorgehoben hat.

Er hat direkt von leistbaren Mieten dort gesprochen, weil sich die Kommune im Wohnungsmarkt engagiert. Sie kennen vielleicht auch nicht die Umfrage der Deutschen Zentralgenossenschaftsbank und des Bundesverbands der Deutschen Raiffeisenbanken, die feststellt, dass der Immobilienmarkt ein Standortrisiko für Arbeitgeber ist. Insbesondere für München hebt sie hervor, dass gerade die kleinen und mittleren Betriebe erhebliche Schwierigkeiten haben, wegen des angespannten Wohnungsmarkts noch Fachkräfte nach München zu bekommen. Also erzählen Sie nicht – und das verstehe ich leider auch nicht bei der IHK –, dass die Maßnahmen zur Regulierung des Wohnungsmarkts und dass Leute mit einfachem und normalem Einkommen hier überhaupt noch leben können in dieser Stadt, die Wirtschaftsentwicklung dämpfen würde. Es stimmt einfach nicht!

Es fördert, dass weiterhin junge, kreative Köpfe, die vielleicht erst einmal nicht so viel Geld in Berlin verdienen können wie andere Experten kommen. Experten werden ja auch angezogen von Berlin, die teilweise, wenn sie es mit Mieten in Paris oder San Francisco vergleichen, immer noch sagen, dass Berlin ein Paradies zum Wohnen ist. Aber viele andere kommen ja nicht mehr mit den Mieten in Berlin klar.

Es stimmt auch nicht, dass es eine riesige Delle in der Bauwirtschaft geben wird. Ich habe mir noch vor einem Jahr anhören können – da ging es darum, dass wir beim Berliner Vergabe- und Ausschreibungsgesetz Rücksicht nehmen müssten –, dass die Bauwirtschaft mir erzählt: Wir haben es doch gar nicht mehr nötig, euch etwas anzubieten! – Wir sind auch im überhitzten Baumarkt gewesen. Die Baufirmen waren alle auf Monate ausgebucht und sind es immer noch. Es wird diese Delle nicht geben, die Sie herbeizureden versuchen, und teilweise wird jetzt im Prozess des Gesetzes sozusagen gestreut, dass alle möglichen negativen Effekte eintreten werden.

Es wird eher fördern, dass sozusagen das wirtschaftliche  Gleichgewicht in der Waage bleibt.

Was passiert außerdem mit diesem starken Druck auf die Flächen für Wohnungsbau usw.? – Es besteht der Verdrängungsdruck von Gewerbe. Ich kenne einen Betrieb in Neukölln, der erwartet hat, dass er vielleicht 8 Millionen für sein Grundstück realisieren könnte. Das ist eine Tochterfirma eines größeren Unternehmens in Deutschland. Sie bekommen ein Angebot von 15 Millionen. Da sich diese Gesamtfirma sanieren will, können sie gar nicht anders – sagt die Geschäftsführung –, als so ein Angebot anzunehmen, weil sie halt im Moment Cash brauchen. Und das bedeutet doch, dass es auch auf dem Gewerbemarkt diese verrückte Entwicklung, einen zunehmenden Druck gibt, und wir alles tun müssen, um diese Sicherung herzustellen!

Herr Gräff! Sie haben angesprochen, was Sie dort so alles vorschlagen. Aber wir haben genau in dem Haushalt die Bedingungen gelegt, dass die Bezirke Gewerbeflächenkonzepte entwickeln können. Wir haben die Grundlage gelegt, dass die WISTA große Gewerbeflächen ähnlich wie in Adlershof systematisch angehen kann, um dort Ansiedlungen zu schaffen, zum Beispiel auch den CleanTech-Park, der ja auch in der Diskussion ist, ob das vielleicht für Tesla interessant ist.

Also Ihr ganzer Versuch, an der Wirtschaftspolitik dieses Senats herumzukritteln und dann doch zu eröffnen mit einem Lob und am Ende dann doch zu sagen, dass das alles sozusagen nicht wegen, sondern gegen diesen Senat so erfolgreich ist –

[Zuruf von der FDP: Trotz!]

– Ja, ja, trotz dieses Senats! –, ist eine ziemliche Luftnummer und in dieser Stadt nicht nachvollziehbar. Diese Stadt wird darum kämpfen, dass sie ein wirtschaftliches und soziales Gleichgewicht bekommt, dass die Zukunftstechnologien weitergehen. Selbst für die Behauptung bei der Verwaltung stimmt das ja nicht. Es gab auch einen Index der Digitalisierung der Verwaltungen, und tatsächlich ist es so, dass Berlin selbst da – das ist vielleicht ein Armutszeugnis, wie weit das insgesamt in Deutschland ist – einen Spitzenplatz bei der Digitalisierung der Verwaltung belegt. Ich bin unbedingt dafür, dass wir auch in dem Bereich wesentlich aktiver werden im Zusammenhang mit Start-ups usw. rund um das City-Lab. Das müssen wir ausbauen, dass die Menschen mitgenommen werden in der Digitalisierung dieser Stadt, dass sich neue Geschäftsmodelle entwickeln können und dass die Menschen sagen können: Wie nutzen wir die neuen Techniken? – Damit ende ich mit meinem Beitrag.

Kontakt