Plenartag am 2. Mai 2024

1. Mai - Tag der Arbeit

Damiano Valgolio (Die Linke): "CDU-SPD-Senat zerschießt Tarifverträge"

Sehr geehrte Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr verehrte Damen und Herren,

am 1. Mai sind gestern in Berlin zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, so viele wie schon lange nicht mehr. Sie haben für Gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne demonstriert. Aber auch für soziale Gerechtigkeit, Frieden und die Verteidigung der Demokratie. Das war ein starkes Zeichen! Selbstbewusste Beschäftigte und starke Gewerkschaften sind in Zeiten von Inflation, Kürzungspolitik und Aufrüstungswahn wichtiger denn je.

Was hatte unser Senat zu der ganzen Sache beizutragen?

Wie jedes Jahr wurde im Vorfeld nur über mögliche Krawalle geredet. Der Tag der Arbeit ist wieder einmal auf einer Frage der öffentlichen Sicherheit und Ordnung reduziert worden. Frau Spranger hat öffentlich über den Einsatz von Wasserwerfern philosophiert. Die Polizeiführung hat Pflastersteindepots aufgespürt, die sich dann wohl als normale Baustellen entpuppt haben.

Warum das Ganze? Offenbar braucht diese Koalition das Säbelrasseln, um vom eigenen Versagen abzulenken. Der Senat redet lieber von Law-and-Order und von Wasserwerfern, als von Guter Arbeit, weil er den Beschäftigten in der Stadt nichts anzubieten hat. Haushaltschaos, Kürzungspolitik, markige Worte – aber für die arbeitenden Menschen in Berlin rührt der Senat keinen Finger.

Insofern ist es nur konsequent, wenn zum Tag der Arbeit gleich die Innensenatorin redet – zu Guter Arbeit hat dieser Senat einfach nichts zu sagen.

Wer wissen will, wie der Senat mit Arbeitnehmern umgeht, muss sich nur die erbärmliche Posse um die Hauptstadtzulage ansehen.

Noch immer fehlen den Beschäftigten bei freien Trägern und vielen landeseigenen Betrieben jeden Monat 150 Euro brutto im Portemonnaie. Das ist für eine Kita-Erzieherin ein ganze Menge Holz.

Deshalb sagen wir mit unserem Antrag, den wir heute vorgelegt haben: Hauptstadtzulage für alle! Und so lange das nicht umgesetzt ist und die Ungleichbehandlung anhält, muss mir kein Mitglied dieses Senats und kein Vertreter dieser Koalition irgendwas von „Guter Arbeit“ erzählen. 

Und, liebe Genossen von der SPD, kommt mir bitte auch nicht mit dem Argument: Aber, der alte Senat hat die Haupstadtzulage doch auch nicht an die Träger gezahlt. Das lag doch daran, dass die SPD das blockiert hat. Die Sache lag schon im Koalitionsausschuss und wir hätten das auch durchgesetzt. Ihr lasst heute die freien Träger im Regen stehen und versucht das damit zu rechtfertigen, dass ihr das ja vor zwei Jahren auch schon gemacht habt. Das ist wirklich das Letzte und zynisch, liebe SPD.

Besonders schlimm bei dieser Sache ist, dass der Senat erst die Hauptstadtzulage zugesagt hat und jetzt sein Wort bricht. Das hat dazu geführt, dass die AWO ihren gerade mit Verdi abgeschlossenen Tarifvertrag widerrufen hat. Die Träger können nur Tarifverträge für ihre Beschäftigten abschließen, wenn sie sich auf die Refinanzierung durch den Senat verlassen können. Wir haben in den letzten in mühevoller Kleinarbeit die Tarifbindung bei den freien Trägern erhöht. Der CDU-SPD-Senat macht das in kürzester Zeit kaputt. Er zerschießt Tarifverträge, das ist eine Schande.

Das einzige, was die Koalition im Bereich Arbeit überhaupt vorweisen kann, ist eine Erhöhung von Landes- und Vergabemindestlohn auf 13,69 Euro pro Stunde.

Dabei hat der Senat nichts anderes gemacht, als eine Verordnung zu erlassen, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Übrigens reingeschrieben 2020 unter rot-rot-grün. Wenn die korrekte Anwendung eines Gesetzes schon Grund zum Jubeln ist – gute Nacht.

Anstatt einer solchen Verordnung wäre es nötig, das Gesetz zu ändern und den Mindestlohn auf mindestens 14 Euro anzuheben, wie wir es beantragt haben. Nur so erfüllt man die EU-Mindestlohnrichtlinie, die einen Mindestlohn von 60 % des Medianlohns vorsieht.

Und um Altersarmut zu verhindern, muss der Landes- und Vergabemindestlohn dann schnell rauf auf 15 Euro. Aber auch hier lässt die Koalition die Beschäftigten im Regen stehen.

Ganz besonders im Stich lässt die Koalition junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen. 3.700 sind im laufenden Ausbildungsjahr unversorgt. Es gibt ein bewährtes Mittel, das nachweislich für mehr Ausbildungsplätze sorgt. Das ist die Ausbildungsplatzumlage. Als im Bauhauptgewerbe 1975 die Umlage eingeführt worden ist, hat sich die Ausbildungsquote innerhalb von 3 Jahren von 1,5 % auf fast 5 % verdreifacht.

Unsere Arbeitssenatorin Katja Kipping hat 2022 ein fertiges Konzept für eine Ausbildungsplatzumlage vorgelegt. Anstatt das umzusetzen, setzt der CDU-SPD-Senat auf ein freiwilliges Bündnis für Ausbildung. Dort wurde bisher vor allem über Zahlen gestritten. Und der Stichtag für zusätzliche Ausbildungsplätze ist immer weiter nach hinten gerutscht. 

Jetzt sollen bis Ende 2025 2.000 zusätzliche Ausbildungsverhältnisse entstehen. Gelingt das nicht, soll angeblich die Umlage kommen. Ob das Ziel erreicht ist, weiß man aber frühestens im März 2026. Da ist der jetzige Senat nur noch wenige Monate im Amt und ehe das nächste Ausbildungsjahr beginnt, ist die Legislaturperiode vorbei. Es ist deshalb klar: Unter diesem Senat wird mit Hilfe der Ausbildungsplatzumlage kein zusätzlicher Ausbildungsplatz entstehen. Die Umlage ist beerdigt, das ist ein Armutszeugnis.

Unterdessen ist die Tarifbindung in Berlin auf weniger als 50 % gesunken. Da müssen wir gegensteuern, auch mit dem Instrument der Wirtschaftsförderung. Unter rot-grün-rot ist uns beim Neustartprogramm zum ersten Mal gelungen in der Berliner Wirtschaftsförderung eine Tariftreueklausel zu verankern. Wenn wir den Grundsatz „Öffentliches Geld nur für Gute Arbeit“ ernst meinen, darf Förderung nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif zahlen. So sieht es unser Antrag vor. Doch auch hier sehe ich beim Senat keinerlei Bewegung.

Ich mache mir da keine Illusionen. Für eine bessere Arbeitspolitik wird es einen anderen Senat brauchen. Aber, Frau Innensenatorin Spranger, vielleicht können Sie wenigstens für etwas bessere Arbeitsbedingungen bei der Polizei sorgen.

Lassen Sie uns hinterfragen, ob jedes Jahr über 6000 Polizeikräfte am Tag der Arbeit in der prallen Sonne noch zeitgemäß sind. Ich finde, wir sind längst an einem Punkt, an dem wir das schrittweise zurückfahren können.

Gute Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei heißt auch, sie von nicht nötigen Aufgaben zu entlasten! Die haben einen harten Job und genug zu tun in Berlin. Also, weniger Polizei am 1. Mai, das wäre die richtige Konsequenz aus den letzten drei Jahren.