Strafvollzug löst keine sozialen Probleme

Humanen Strafvollzug umsetzen

Nach einem Besuch in der JVA Plötzensee am 31. Januar 2022 hat die Fraktion DIE LINKE. im Abgeordnetenhaus folgenden Beschluss gefasst:

Die Ursachen für kriminelles Verhalten sind vielfältig. Ein nicht unerheblicher Teil der Strafvollzugsgefangenen wird auch wegen sozialer Nöte kriminell. Die Struktur des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung hat unmittelbare Auswirkungen auf Menschen mit geringeren materiellen Ressourcen.

Besonders deutlich wird dies bei Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Ersatzfreiheitsstrafe wird dann verhängt, wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt oder eingetrieben werden kann. Geldstrafen werden aber verhängt, weil eine Freiheitsstrafe für geringfügige Vergehen und positiver Sozialprognose als nicht angemessen angesehen werden. Das Berliner Strafvollzugsgesetz enthält eine Norm, nach der beim Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe die Gefangenen zur Abwendung der weiteren Vollstreckung vorrangig bei der Tilgung ihrer Geldstrafen zu unterstützen sind. Wir unterstützen die Forderung der Justizsenatorin nach Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Soziale Not darf nicht mit Freiheitsentzug bestraft werden.

Eine weitere Möglichkeit die Unterbringung im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe zur reduzieren ist die Entkriminalisierung von Strafdelikten wie zum Beispiel der Beförderungserschleichung oder des Containerns. Die unbefugte Benutzung eines öffentlichen Transportmittels kann über das Zivilrecht geahndet und verfolgt werden, die Entkriminalisierung des Containers sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Noch verwendbare Lebensmittel in Mülltonnen zu entsorgen, statt sie einer Verwendung zuzuführen ist der eigentliche Skandal.

Aber auch jenseits der Ersatzfreiheitsstrafe schafft der Strafvollzug Folgeprobleme, die weder dem Opferschutz dienen, noch dem Resozialisierungsauftrag. Solange die Strafgefangenen weder nach Mindestlohn bezahlt werden, noch in der Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung versichert sind, werden sie insbesondere im Rentenalter und nach der Entlassung finanziell abgehängt. Der Bund muss dringend dafür sorgen, dass die Strafvollzugsgefangenen soweit sie in der JVA arbeiten den Mindestlohn erhalten und sie entsprechend in der Rentenversicherung versichert sind. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Einbeziehung in die Rentenversicherung aus Resozialisierungsgesichtspunkten für zulässig erklärt.

Um humane Bedingungen im Strafvollzug zu gewährleisten sind erhebliche Investitionen in den Justizvollzuganstalten des Landes Berlin erforderlich. Der Investitionsstau muss aufgelöst werden. Dabei stehen wir vor der Herausforderung, eine in ihrer Grundkonzeption dem Gedanken der Resozialisierung entgegenstehende Architektur dergestalt zu sanieren, dass eine auf modernen Vollzug ausgerichtete Unterbringung möglich wird. Zusätzliche Herausforderungen bestehen darin, den Strafvollzug auf seine künftige Demografie vorzubereiten. Das bezieht sich beispielsweise auf das steigende Alter der Inhaftierten und die daraus resultierenden Anforderungen an eine barrierefreie und pflegegerechte Unterbringung. Insbesondere betreffen diese Maßnahmen die Justizvollzugsanstalten Tegel und Moabit.

Ein guter Strafvollzug setzt gute ausgebildete und zufriedene Mitarbeiter*innen in allen Bereichen voraus. Der drohenden Personalknappheit muss mit attraktiven Beschäftigungsbedingungen entgegengetreten werden, wie es mit der Laufbahnaufwertung für den Allgemeinen Vollzugsdienst nun angegangen wird.

Ein auf Resozialisierung ausgerichteter Strafvollzug dient auch dem Opferschutz. Die Resozialisierung als Hauptaufgabe des Strafvollzuges gelingt umso besser, je humaner der Strafvollzug ist. Das Strafrecht und das Strafprozessrecht müssen dringend von Regelungen befreit werden, die Menschen mit geringen finanziellen Mitteln überproportional sanktionieren.

Hierzu erklärt der rechtspolitische Sprecher Sebastian Schlüsselburg:

Wir brauchen eine grundlegende Reform des Strafgesetzbuches mit dem Ziel sogenannte Armutsdelikte wie zum Beispiel die Beförderungserschleichung oder das Containern zu entkriminalisieren. Die unbefugte Benutzung eines öffentlichen Transportmittels kann über das Zivilrecht geahndet und verfolgt werden, die Entkriminalisierung des Containers sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Gefängnisse lösen keine sozialen Probleme.

Ein humaner und auf Resozialisierung gerichteter Vollzug ist weder mit Haftanstalten aus der Kaiserzeit, noch mit zu wenig Personal zu machen. Deswegen haben wir beschlossen erheblich in die Berliner Vollzugsanstalten zu investieren und die Laufbahnaufwertung für den Allgemeinen Vollzugsdienst vorzunehmen.