Untersuchungsausschuss zum rechten Terror in Neukölln

aktualisiert 14. Juni 2022
Propagandadelikte, Sachbeschädigungen, Drohungen, bis hin zu Brandanschlägen - seit 2009 sind Menschen im Bezirk Neukölln, die sich gegen rechts engagieren, von einer rechtsextremen Terrorserie betroffen. Unter anderem unser jetziger Abgeordneter Ferat Koçak und seine Familie wurden 2018 Opfer eines lebensbedrohlichen Brandanschlages. Mutmaßliche Täter sind zwar ausgemacht und werden wohl noch 2022 vor Gericht stehen, doch die letztgültigen Beweise für ihre Täterschaft wurden bislang nicht ermittelt. Ebenso ist die Frage offen, ob und inwieweit weitere Personen an den 72 zur Tatserie gerechneten Straftaten beteiligt waren – als Mittäter:innen, Unterstützer:innen oder ideologische Wegbereiter:innen.
Das Handeln und die Versäumnisse und Fehler der Berliner Sicherheitsbehörden sind bislang nicht aufgeklärt. Ebenso wenig die Frage, wer wann welche Erkenntniss hatte. Unter anderem versäumte es das Berliner LKA im Vorfeld des Brandanschlags, Ferat Koçak über dessen Beobachtung durch zwei Neuköllner Neonazis zu informieren, die dem LKA bekannt geworden war. Auch beobachtete der Berliner Verfassungsschutz mutmaßlich einen LKA-Beamten bei einem Treffen mit einem Beschuldigten der Tatserie. Mögliche Verstrickungen von Polizeibeamten mit der rechtsextremen Szene stehen also im Raum.
Nicht zuletzt sind in den Jahren 2012 und 2015 auch zwei Tötungsdelikte zu beklagen – Burak Bektaş und Luke Holland – bei denen ein rechtsextremer Hintergrund jeweils sehr naheliegt, doch bislang nur völlig unzureichend ermittelt wurde. Zwar wurde im Fall Luke Holland ein Täter verurteilt, doch wurde möglichen Verbindungen zu Neonazis trotz Hinweisen nicht nachgegangen. Im Fall Burak Bektaş gelang es bislang nicht, einen Verdächtigen zu ermitteln.
Um mehr Licht ins Dunkel all dieser Vorgänge zu bringen, setzen wir gemeinsam mit der rot-grün-roten Koalition einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Dieser hat gesetzlich garantierte Rechte zur Aufklärung; er kann Akten einsehen, Zeug:innen befragen und Beweismittel erheben. Er soll insbesondere das Vorgehen der Sicherheitsbehörden, des Landeskriminalamtes, des Berliner Verfassungsschutzes und der Staatsanwaltschaften untersuchen. Sowohl die Polizei Berlin als auch der Verfassungsschutz verfügen über Erkenntnisse aus verschiedensten Maßnahmen, die der Untersuchungsausschuss auswerten muss. In den Antrag zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses und den entsprechenden Fragenkatalog sind viele Anliegen der Betroffenen und Initiativen eingeflossen.
Der Antrag ist am 5. Mai im Abgeordnetenhaus beschlossen und der Untersuchungsausschuss damit eingesetzt worden. Jetzt muss der Ausschuss die Arbeit aufnehmen. Am 16. Juni findet die konstituierende Sitzung statt.
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