Nach Diesel-Urteil: Umweltverbund stärken

Kristian Ronneburg

23. Sitzung, 8. März 2018

Kristian Ronneburg (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon deutlich geworden: Das, was Sie als CDU uns hier gönnerhaft unterbreiten – ein sogenannter Pakt gegen Fahrverbote –, ist ein Sammelsurium von Vorschlägen aus der Mottenkiste. Lassen Sie mich zuerst einmal deutlich sagen: Diesen Pakt, den Sie im Sinne einer ideologiefreien Verkehrspolitik, des Gesundheitsschutzes und der Luftreinhaltung einfordern, den gibt es schon, und zwar ist das der Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün. Abschied von der autogerechten Stadt, die den Verkehr in unserer Stadt ins Chaos stürzt, stattdessen Stärkung des Umweltverbundes vom ÖPNV über den Radverkehr bis zum Fußverkehr.

Sie haben das Sofortprogramm zur Verbesserung der Luftreinheit und zur Vermeidung von Fahrverboten des Senats erwähnt; das sollten Sie sich noch einmal genauer anschauen. Wir haben hier ein befristetes Förderprogramm für Berliner Taxis. Wir werden auch ein Förderprogramm für wirtschaftsnahe Elektromobilität haben. Wir haben das Ziel, die Landesflotten auf E-Mobilität umzustellen. Wir machen Nachrüstungsangebote bei kommunalen Fahrzeugflotten. Wir treiben den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur voran.

Wir entwickeln verkehrliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen in besonders schadstoffbelasteten Gebieten, u. a. die Einführung von Tempo 30 auf Abschnitten von besonders belasteten Straßen, um zu prüfen, ob Stickoxide dadurch verringert werden können. Nachgerüstete BVG-Busse und sauberste BSR-Fahrzeuge sollen gezielt in hochbelasteten Gebieten eingesetzt werden. Wir verbessern die Radinfrastruktur. Wir steigern die Attraktivität des ÖPNV.

Aber gehen wir noch mal einen Schritt zurück zur CDU. Die Überschrift des Antrags ist schon einfach irreführend. CDU und ideologiefreie Verkehrspolitik, das ist ein Widerspruch in sich. Das haben Sie hier im Abgeordnetenhaus immer wieder mit Ihren Anträgen unter Beweis gestellt. Letztlich ist das wirklich ein einziger Treppenwitz, das ist Wählertäuschung vom Feinsten. In Ihrer Begründung schreiben Sie, dass kommunale Fahrverbote nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nun möglich seien. Sie würden aber eine Verbotspolitik für den politisch falschen Weg halten. In welchem Paralleluniversum leben Sie eigentlich? Die Fahrverbote sind ein Resultat politischen Versagens, und zwar in erster Linie der vergangenen Bundesregierungen und damit maßgelblich auch der Union.

Wir wollen keine Fahrverbote. Aber was hat denn die Bundesregierung gemacht? – Seit 2015 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der Nichteinhaltung der seit 2010 geltenden Grenzwerte. Wer hat sich denn nicht gerührt und gewartet, bis ein Richter entscheidet? Wir als rot-rot-grüne Regierung müssen hier in Berlin die Scherben aufkehren, die Sie durch Nichthandeln maßgeblich verursacht haben. Bevor Sie uns hier also einen Pakt vorschlagen, machen Sie sich mal ehrlich, und machen Sie Ihre Hausaufgaben!

Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, dass die Autoindustrie die Dieselmotoren auf ihre Kosten nachrüsten müsse, dann beglückwünsche ich Sie zu dieser Erkenntnis, denn genau das war der Fehler der Bundesregierung. Sie haben die Autohersteller gewähren lassen und sie aus der Verantwortung entlassen.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gräff?

Kristian Ronneburg (LINKE):

Nein, keine Zwischenfrage! – Sie sind vor den Lobbyisten eingeknickt, ohne an die vielen Bürgerinnen und Bürger zu denken, die mit ihren Dieselautos nun dastehen.

Um Fahrverbote zu verhindern, müssen die Autohersteller verpflichtet werden, auf ihre Kosten den Schadstoffausstoß mit technischen Nachrüstungen deutlich zu verringern. Auch der ADAC hat mit verschiedenen Tests gezeigt, dass der NOx-Ausstoß dadurch um etwa 70 Prozent gemindert werden kann. Außerdem müssen auch Dieselsubventionen endlich gestrichen werden. Nur so ist jenseits von Fahrverboten auch kurzfristig eine deutliche Reduzierung der Emissionen möglich.

Aber viel erwarten können wir als Berlinerinnen und Berliner wohl auch von einer künftigen Bundesregierung nicht. Das zeigen schon allein die planlosen Vorschläge an die EU-Kommission, wo erstmals auch offiziell von der Regierung ein fahrscheinloser ÖPNV ins Spiel gebracht wurde. Letztendlich war es eine Nebelkerze. Eine richtige, mutige, fortschrittliche Bundesregierung würde den massiven Ausbau des ÖPNV zu ihrem Projekt machen. Sie würde die Kommunen bei der stufenweisen Einführung eines fahrscheinlosen ÖPNV, bei massiven Investitionen in den Ausbau von Strecken und die Schaffung von Fahrzeugkapazitäten unterstützen.

Mit Ihren CDU-Vorschlägen werden wir nicht weit kommen. Plätze für Park-and-ride in den Außenbezirken und in Brandenburg – die notwendigen Flächen dafür gibt es doch gar nicht, weder in Berlin noch in Brandenburg, um überhaupt nur ansatzweise einen verkehrlichen Nutzen zu schaffen. Wir müssten Zigtausende Plätze schaffen; das ist völlig unrealistisch und ideologiebetrieben. Auch da sind wir als rot-rot-grüne Koalition mit den Mobility-Hubs, die die BVG plant, schon viel weiter.

Zum Thema Tarifsystem wird sehr bald die Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnehmen.
Zum Rückbau wichtiger Verkehrsadern, den Sie hier beschreiben – zur A 100 wird es heute noch eine Debatte geben –: Ihre Kritik an dem Radverkehrsprojekt an der Frankfurter Allee ist ziemlich neben der Spur. 900 Meter einer Autospur sollen stadtauswärts dem Radverkehr weichen. Da sprechen Sie von Politik zugunsten weniger Verkehrsteilnehmer! Da kann man nur feststellen: Ihnen sind offenbar alle Menschen egal, die keinen fahrbaren Untersatz haben – Radfahrer egal, Fußgänger egal, ÖPNV-Nutzer auch egal. So geht es nicht!

Weil Sie immer die TVO erwähnen: Zur TVO sei gesagt, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern sehr bald etwas dazu präsentieren können und Ihr Gerede von mutwilligen Verzögerungen endlich Lügen strafen können.

Ich hätte noch viel mehr anzumerken, aber fürs Erste reicht das. Wir werden den Antrag im Ausschuss beraten. Wir stellen insgesamt fest: Sie kommen reichlich spät und haben eigentlich nichts Neues zur Debatte über die Verhinderung von Fahrverboten vorzutragen. Schade!

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Kristian Ronneburg