Biotopverbund und Vernetzung der Grünflächen

GrünflächenUmweltschutzMarion Platta

31. Sitzung, 27. September 2018

Marion Platta (LINKE):

Als Erstes stelle ich mir mal wieder das Pult herunter. Es ist immer wieder bemerkenswert, wenn vorher die starken Männer gesprochen haben, dass die Frauen das dann wieder herunterdrücken dürfen, aber so ist es nun einmal.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, die Zeit für die inhaltliche Diskussion des Antrages „Biotopverbund und Vernetzung der Grünflächen gesamthaft bei der Stadtplanung absichern“ haben wir weder in der ersten Lesung noch in den Ausschüssen, in die dieser Antrag überwiesen worden ist, diskutieren können. Andere Themen waren wichtiger und auch der FDP offensichtlich wichtiger, deshalb ist auch keine Vertagung der Punkte vorgenommen worden. Wir haben diesen Antrag im Ausschuss abgelehnt, und sicher kann ich es auch noch einmal begründen, was damals ja nicht möglich war.

Der Antrag enthält schon im zweiten Satz den für alle Seiten vertretbaren banalen Standpunkt, dass Grünflächen und Biotope und die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Das sehen wir auch so. Aber das, was am Ende dabei herauskommt, entspricht nicht mehr dem, was ursprünglich angedacht war und in diesem Satz enthalten ist.

Wir haben in unserer Stadt wirksame Planungsinstrumente für eine langfristige Stadtplanung in Form von Flächennutzungsplan und Landschafts- und Artenschutzprogramm, auch mit dem Programmpunkt Biotop und Artenschutz. Diese Planungsinstrumente sind in breiter Beteiligung mit der Stadtgesellschaft entstanden und werden immer wieder angepasst, wenn neue Bedingungen berücksichtigt werden müssen.  Solche neuen Bedingungen sind natürlich auch Bevölkerungszuwachs und die in diesem Sommer nicht übersehbaren Klimafolgen. Wir streiten regelmäßig über Inhalte von themenbezogenen Stadtentwicklungsplänen; und gerade auch an solchen Punkten, die Herr Freymark angesprochen hat, sind es diese Debatten, die wir führen, nämlich: Was ist in der Liebenwalder Straße passiert? Welche Stadträte haben welche Entscheidung getroffen? Zu welchem Zeitpunkt wurde nicht darüber nachgedacht, eine doppelstöckige Turnhalle für die verdichtete Stadt als Regelturnhalle zu entwickeln usw. usf.

Wir streiten also darüber, weil wir Stadtentwicklungspläne haben wollen für Wohnen, für Verkehr und auch für das Gewerbe. Wir als Koalition haben uns im Koalitionsvertrag – das hat ja meine Kollegin schon angesprochen – auch im Bewusstsein der begrenzten Flächenverfügbarkeit dazu bekannt, dass wir einen Stadtentwicklungsplan Grüne Infrastruktur brauchen. Grün-, Frei- und Naturflächen, ob nun als Wald, Parkanlage, Friedhöfe oder eben auch Kleingärten, bis hin zur begrünten Fassade, wo ein Stadtbaum eben kein Platz mehr findet, all das wollen wir berücksichtigen. Diese Dinge gehören auch in eine lebenswerte Stadt. Davon sind wir fest überzeugt.

Bei der Festsetzung von Zielen und Maßnahmen zur weiteren Grünflächenentwicklung wird der Prozess zur Erarbeitung der Charta Berliner Stadtgrün inhaltlich und, so hoffe ich zumindest, mit großer Beteiligung beitragen können. Wir werden sehen, wie der Start im Oktober läuft, aber ich denke schon, dass genügend Initiativen in der Stadt darauf vertrauen, dass das eine ehrliche Debatte wird und dass wir am Ende auch zu einem ordentlichen Papier kommen, das von allen Seiten berücksichtigt wird.

An der Durchsetzung des gesetzlichen Schutzes von Biotopen und des Biotopverbundes – wie im Berliner Naturschutzgesetz verankert – werden wir auch im Namen der 34 Zielarten für den Biotopverbund im Land Berlin durch Sicherung von Flächen festhalten. Und wir haben ja schon viele Flächen sichern können: FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete usw. Eine neue, hier im Antrag der FDP geforderte Einteilung von Flächen in „besonders“ oder „vordringlich“ zu schützende und in ihrem Wert über andere angehobene Flächen lehnen wir jedoch wegen der Vielfalt der Funktionen von Biotopen als Lebensraumkomplex, Naturerlebnis und Naturgenuss – gerade auch für uns Menschen – ab. Gewinne definieren sich eben nicht nur über Zahlenwerte vor dem Eurozeichen. Die Vermarktung von Flächen – gerade der privaten Flächen – ist ja wohl offensichtlich mehr und mehr auch ein Anliegen der FDP.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Henner Schmidt?

Marion Platta (LINKE):

Gerne!

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Bitte schön!

Henner Schmidt (FDP):

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Sie haben das jetzt sehr allgemein geschildert, aber wie sehen Sie denn die laufenden mindestens zwei Projekte, wo Friedhöfe nun einmal bebaut werden sollen? Setzen Sie sich dafür ein, dass das nicht passiert? Oder überlassen Sie das noch einem weiteren allgemeinen Prozess?

Marion Platta (LINKE):

Wenn es nach mir ginge, dann würde ich diese Flächen nicht freigeben, aber ich kenne ja auch die Position der Friedhofsbesitzer, die sagen, es sind überwiegend Wirtschaftsbereiche, die da für andere Nutzung freigegeben werden, und eben nicht schützenswerte Areale. Ich plädiere dafür, dass all die, die sich in den Naturschutzverbänden mit den einzelnen Arten auf den Friedhöfen beschäftigt haben, noch das eine oder andere Projekt nachträglich durchführen können, damit klar ist – und jedem klar ist –, dass diese Friedhöfe mehr sind als nur eine Begräbnisstätte, sondern dass sie gerade auch für unsere Klimasituation im Land Berlin von wichtiger Bedeutung sind – und für die Biotopverbünde im Allgemeinen durch ihre Größe sowieso schon.

Ich kann es noch einmal zusammenfassen: Uns sind z. B. die Schöngesichtige Zwergdeckelschnecke – das empfinde ich als einen besonders schönen Namen –, der Feuerschmied oder auch der Feldhase bewusst. Wie alle anderen Mitbewohnerinnen und -bewohner in unserer Stadt brauchen sie ihre Lebensflächen. Deshalb hat Berlin 2012 eine Strategie der biologischen Vielfalt beschlossen. Wir werden auch weiter an den Zielen festhalten und uns jede einzelne Fläche genauer anschauen.

Ich komme zum Schluss: Die integrierte Stadtentwicklung mit Druck auf Nutzungsverdichtung – und nicht auf Verdrängung – ist das tägliche Geschäft der rot-rot-grünen Landesregierung. Diese Koalition erinnert sie natürlich regelmäßig an diese Aufgabe, um die Vielfalt der Lebensbereiche zu erhalten. Die Ablehnung, die wir schon in den Ausschüssen vorgenommen haben, werden wir heute auch vollziehen. – Vielen Dank!

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