Änderung des Berliner Hochschulgesetzes

Dass eine wissenschaftliche Laufbahn heute wie vor 100 Jahren immer noch einem Glücksspiel gleicht, hat viel mit überkommenen, nur auf die Professur orientierten Strukturen, aber auch mit versäumter Personalentwicklung an unseren Hochschulen zu tun.

Rede als Video

10. Sitzung, 4. Mai 2017

Nr. 6:

Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung –
Drucksache 18/0282

Erste Lesung

Aus dem Wortprotokoll

Tobias Schulze (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich den großen Soziologen Max Weber, der vor fast 100 Jahren Folgendes schrieb:

Denn es ist außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der keinerlei Vermögen hat, sich überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn auszusetzen. Er muss es mindestens eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu wissen, ob er nachher die Chance hat, einzurücken in eine Stellung, die für den Unterhalt ausreicht.

Junge Menschen, die sich für Wissenschaft als Beruf entscheiden, waren damals und sind bis heute Hasardeure. Es war und ist vollkommen unberechenbar, ob es fleißige und innovative Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis zu einer unbefristeten Professur schaffen. Aus diesem Grund werden diese Promovierten oder Habilitierten immer noch als Nachwuchs bezeichnet, und das, obwohl sie in der Regel 30 oder sogar 40 Jahre alt sind und oft schon älter, obwohl sie oft innovative Forschungsergebnisse vorweisen können und den Hauptteil der Lehre in unseren Universitäten leisten. Diese Leistungsträger „Nachwuchs“ zu nennen, wird ihrer Bedeutung für unsere Wissenschaftseinrichtungen nicht einmal annähernd gerecht.

[Beifall bei der LINKEN, von Dr. Ina Maria Czyborra (SPD) und von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Dass eine wissenschaftliche Laufbahn heute wie vor 100 Jahren immer noch einem Glücksspiel gleicht, hat viel mit überkommenen, nur auf die Professur orientierten Strukturen, aber auch mit versäumter Personalentwicklung an unseren Hochschulen zu tun.

Der vorliegende Gesetzentwurf geht nun eine von vielen Lücken diesbezüglich an, denn er schafft transparentere und verlässlichere Wege zur Professur. Wie schon Max Weber es tat, können wir uns dabei etwas von den Hochschulstrukturen im angloamerikanischen Raum abschauen. Unser Stichwort für Personalentwicklung kommt von dort, und es heißt: „Tenure-Track“. Tenure-Track bedeutet, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf eine befristete Juniorprofessur berufen werden, beschreiten damit einen verbindlichen Weg in Richtung Lebenszeitprofessur. Es geht also um eine Art Probezeit mit festen Meilensteinen vor der Entfristung.

 

Zugleich sollen die Universitäten erstmals klare Regeln für Berufungen in ihren Satzungen transparent und demokratisch festschreiben. Solch ein System für Berufungen wollen wir nun im Hochschulgesetz verankern. Das wäre nicht nur ein Fortschritt hin zu mehr Gerechtigkeit, es ist eine schlichte Notwendigkeit, wenn man kreative Köpfe für die Wissenschaft gewinnen und auch halten will. Die Zeiten, in denen diese kreativen Köpfe aus purem Enthusiasmus jede noch so prekäre, befristete und abhängige Teilzeitstelle antreten und sich von Vertrag zu Vertrag hangeln, sind endlich. Prekarität ist kein Qualitätsmerkmal.

Nur wer transparente Wege zur Professur definiert, kann mehr kreative und innovative Männer, und übrigens besonders auch Frauen, dafür begeistern. Das hat nun selbst die Bundesregierung erkannt. Sie gibt in den kommenden zehn Jahren 1 Milliarde Euro zur Finanzierung von 1 000 Tenure-Track-Professuren aus. Etwa 65 davon wollen wir in unsere Stadt Berlin einwerben; auch dafür brauchen wir das Gesetz, das zur Debatte steht. Dieser Gesetzentwurf ist ein Baustein für eine moderne Personalentwicklung im Sinne guter Arbeit an Berlins Hochschulen. Weitere Bausteine werden folgen. Rot-Rot-Grün liefert hier. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –Vereinzelter Beifall bei der SPD]