Änderung des Schulgesetzes

33. Sitzung, 15. November 2018

Regina Kittler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war das Jahr 2008, da hatte Rot-Rot den Mut, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen, und neben der ISS und dem Gymnasium das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule auf den Weg zu bringen. Elf Berliner Schulen begaben sich damals auf diesen Weg, mittlerweile sind es 24, und aus den Bezirken werden uns neue Interessenten und Interessentinnen gemeldet. Die Schulkonferenzen hatten dies mit großer Mehrheit beschlossen, weil die Kollegien gemeinsam mit den Eltern und auch Schülern und Schülerinnen nicht mehr hinnehmen wollten, dass der Bildungserfolg in erster Linie von der sozialen Herkunft abhängig ist.

In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich die Gemeinschaftsschule als Erfolgsmodell erwiesen, das Schule macht. 2016 legte die wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase ihren Abschlussbericht vor, der belegte, dass es Gemeinschaftsschulen wirklich gelingt, den Bildungserfolg ihrer Schülerinnen und Schüler von der sozialen Herkunft abzukoppeln und sich zu Schulen für alle zu entwickeln, in denen alle erfolgreich lernen können, hochbegabte Kinder genauso wie Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Es war übrigens die allerletzte Rederunde in der 17. Legislaturperiode in diesem Haus vor der Wahl im September 2016, als wir über die Gemeinschaftsschule als Regelschule diskutiert haben, für die sich neben Stefanie Remlinger und mir, auch Lars Oberg und Martin Delius – beide nicht mehr in unserem Haus – ausgesprochen haben. R2G war schon in Sicht und wurde dann nach der Wahl mit dem Koalitionsvertrag Realität, in dem die Gemeinschaftsschule als schulstufenübergreifende Regelschule als ein Ziel verankert worden ist. Dieser Kreis wird sich nun schließen. Das wird ein großer Tag für mehr Bildungsgerechtigkeit.

Bei der gestrigen Feier zum zehnten Geburtstag der Berliner Gemeinschaftsschulen in der Fritz-Karsen-Schule haben die Schülerinnen und Schüler eine Schatzkiste der Senatorin mitgegeben, mit vielen klugen Ideen gefüllt, und sicherlich wird die Senatorin uns irgendwann in der Beratung noch einmal dazu berichten, was sie mit den vielen klugen Vorschlägen, Ideen und all dem, was in der Schatzkiste versteckt worden ist, machen wird. Zwei Schülerinnen packten dabei zwei Perücken in die Schatzkiste: eine, bei der sie vor aller Augen symbolisch einen alten Zopf abschnitten, und eine mit einer coolen, bunten Frisur, in der die Haare sich widerständig in alle Richtungen aufstellten, als Symbol für bunte Vielfalt.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Regina Kittler (LINKE):

Nein. – Vielfalt zeigt sich auch darin, dass sich Gemeinschaftsschulen als inklusive Schulen verstehen, sie leben Inklusion in viel größerem Umfang als alle anderen Schulen dieser Stadt. In unseren Gemeinschaftsschulen lernen 9 Prozent Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wenn man außerdem weiß, dass die ISS 7 Prozent Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschulen, und im Gegensatz dazu an den Gymnasien nur zwischen 0,1 und 1 Prozent, dann wissen wir, dass wir hier etwas ändern müssen.

Die Linksfraktion sieht hier im Geiste unseres Koalitionsvertrages auch für das Schulgesetz weiteren Änderungsbedarf, der über die Regelung für inklusive Schwerpunktschulen hinausgeht. Das betrifft die Aufnahme der inklusiven Schule als Zielstellung und die Verankerung des Anspruchs auf einen Schulbesuch an einer allgemeinen Schule auch für die Schülerinnen und Schüler, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Die Linksfraktion unterstützt hier den Fachbeirat für Inklusion, der genau dies fordert.

In diesem Zusammenhang der Entwicklung hin zu einer inklusiven Schule begrüße ich sehr die Änderungen in § 107 bezüglich der inklusionspädagogischen Beratung und Unterstützung, deren Organisation und Durchführung hier geregelt werden, und die für die Schulen sehr wichtig sind – genauso wie die Stärkung der Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und Gesundheitseinrichtungen sowie dem schulpsychiatrischen Dienst, dessen Aufgabenbeschreibung gerade auch den Weg der inklusiven Schule stärken kann.

Ebenso werden die Position der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern gestärkt und die Möglichkeiten zu ihrer Beratung und Unterstützung geregelt. Ein Fortschritt für die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehe ich auch in den neu ins Schulgesetz aufgenommenen Absätzen 8 und 9 in § 58 zum Nachteilsausgleich und zum Notenschutz. Unter anderem wird dort auch der Notenschutz bei Lese- und Rechtschreibschwäche und Dyskalkulie im Schulgesetz benannt. Betroffenen Schülerinnen und Schülern kann hier eine große Last genommen werden. Wichtig sind dann sicher auch die dazugehörigen Ausführungsverordnungen.

Änderungsbedarf sieht die Linksfraktion – aber da, denke ich, hat sich ja auch schon die Datenschutzbeauftragte eingebracht – bei der Einhaltung des Datenschutzes. Aber da diese Vorlage zur Beschlussfassung ja bereits per Vorabüberweisung den Weg in eine gemeinsame Anhörung des Bildungsausschusses und des KTDat-Ausschus­ses fand, werden wir uns zu diesen und anderen Änderungen in der Auswertung der Anhörung sicherlich noch verständigen.

Kurz zu den Änderungsanträgen der AfD: Hinsichtlich der Drucksache 18/1398-2 muss ich einfach nur einmal feststellen: Das, was Sie hier aufschreiben – bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens werden die Kinder und Jugendlichen in ihrer Herkunftssprache unterrichtet –, das ist Rassismus. Als Nächstes fordern Sie wahrscheinlich auch noch den Ariernachweis, damit Kinder gemeinsam Unterricht in unseren Schulen mit anderen durchführen dürfen. Das werden wir ohne Debatten abschließen.

In dem zweiten Änderungsantrag wird ja dann auch noch ziemlich viel – ich würde einmal sagen – rumgesülzt, was denn an Querschnittsaufgaben in ein Schulgesetz gehört. Da möchte ich Ihnen bloß einmal sagen: Wenn das Erlernen des Blockflötenspiels, das Sie hier explizit benennen, eine der Hauptaufgaben in den Schulen sein soll, weil es typisch deutsch sei, na dann schönen Dank auch! – Ich würde sagen, das können wir beides – so wie es ist – in den Papierkorb werfen.

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