Frauen- und gleichstellungspolitische Perspektiven müssen in der Coronakrise stärker beachtet werden

Aus dem AbgeordnetenhausFrauenpolitikInes Schmidt

Corona hat das Leben in Deutschland grundlegend verändert. Frauen leisten in der aktuellen Krise einen immensen Beitrag für die Gesellschaft und bekommen dafür nicht die Anerkennung, die ihnen zusteht. Die gestern vorgestellten Studienergebnisse des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlins (WZB) zeigen, dass erhebliche Rückschritte in der Gleichstellung von Frauen und Männern drohen.

Die von der rot-rot-grüne Koalition in Auftrag gegebene Studie „Die Corona-Pandemie – eine Krise der Frauen?“ untersuchte die kurz- und langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die soziale und ökonomische Situation von Frauen in Berlin. Erforscht wurde, wie sich die Situation von Frauen und Familien in Berlin verändert hat.

Anlässlich der Vorstellung der ersten Ergebnisse erklärt die Sprecherin für Frauen- und Gleichstellungspolitik der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus Ines Schmidt:

"Die Studie gibt Hinweise, dass vor allem selbstständige Frauen von den Corona-Beschränkungen in ihrer Erwerbstätigkeit stark betroffen waren, aber nicht im gleichen Maße von Coronahilfen profitierten wie ihre männlichen Kollegen. Gerade Frisörinnen, Kosmetikerinnen, Geschäftsführerinnen von Mode- und Textilgewerbe haben erkennbar seltener Überbrückungshilfen beantragt. Möglicherweise kam hier die allgemein große Verunsicherung darüber, wer überhaupt und in welchem Umfang antragsberechtig sei, sowie eine ablehnende Haltung gegenüber einer zusätzliche Kredit- und Darlehnsaufnahme besonders zum Tragen.

Darüber hinaus zeigen die Studienautor:innen, dass die Einstellung zur Arbeit im Homeoffice, in der Krisenzeit einen gesellschaftlichen Wandel vollzogen hat, mit ungewollten Effekten für die Frauen. War es vor der Pandemie vor allem ein Privileg von Männern im Homeoffice arbeiten zu dürfen, genossen sie es während der Pandemie verstärkt, diesem zu entfliehen und überließen es angesichts geschlossener Schulen und Kitas überdurchschnittlich stark den Frauen die Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und Familienarbeit zu schultern. Im weiteren Verlauf könnte es zudem zu negativen Auswirkungen auf Vollbeschäftigung, Beförderung und Rückkehr an den außer Haus Arbeitsplatz kommen.

Nach Ansicht der Studienautor:innen sollte die Politik dringend die Arbeitsfähigkeit von Ämtern und Behörden in Ausnahmesituationen gewährleisten und dementsprechend ausbauen. In den Expertinneninterviews wurde immer wieder auf die Nichterreichbarkeit von Jugendämtern, Jobcentern, Senatsverwaltungen und Bezirksämtern hingewiesen.

Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie zeigen, dass bei der Entwicklung resilienter, krisenfester gesellschaftlicher Strukturen frauen- und gleichstellungspolitischen Perspektiven besonders ernst genommen werden müssen. Dazu gehören unter anderem:

  • Sichere Konzepte, um KiTas und Schulen offen zu halten
  • Mehr Erholungszeiten für Familien, um Erschöpfung abzubauen
  • Stärkere Berücksichtigung von Frauen bei Entwicklung von Hilfen
  • Mehr Unterstützung für sozial benachteiligte Familien
  • Die Arbeitsfähigkeit von Ämtern und Behörden muss gewährleistet werden
  • Finanzielle Aufwertung der Berufe in Pflege, Gesundheitswesen, Erziehung und Einzelhandel sowie die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen
  • Die Abschaffung der Sonderregeln für geringfügig Beschäftigte
  • Steuer-, Sozial -und Familienleistungen so abzustimmen, dass sie zu einer finanziellen Verbesserung für Frauen, insbesondere Alleinerziehenden führen
  • Rahmenbedingungen und Arbeitszeiten schaffen, dass Väter und Mütter sich die Care-Arbeit gerecht teilen können
  • Veränderung von „männlichen“ Arbeitskulturen (Vollzeitnorm) hin zum neuen Normalarbeitsverhältnis mit 30 Stunden pro Woche 
  • Kindergrundsicherung muss für alle Kinder eingeführt werden"