Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in Moskau und ganz Russland schützen

Das Land Berlin bekennt sich zur sexuellen Vielfalt. Vertreterinnen und Vertreter des Landes Berlin setzen in der Öffentlichkeit deutliche Zeichen für das Erfordernis ihrer Akzeptanz: Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund der sexuellen

Orientierung oder aufgrund der Geschlechtsidentität hat in Berlin keinen Platz.

30. Mai 2013

32. Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 23

Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in Moskau und ganz Russland schützen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion auf Annahme einer Entschließung
Drucksache 17/0998

Fünf Minuten pro Fraktion!

Vizepräsident Andreas Gram:

– Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Lederer.

Dr. Klaus Lederer (LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann natürlich eine namentliche Abstimmung dann beantragen, wenn man weiß, dass der Antrag tatsächlich verhandelt wird. Wenn aber vorher das Signal gegeben wird, ihn erst einmal in den Ausschüssen zu versenken, wüsste ich nicht, woher einem vorher die Idee zur Beantragung einer namentlichen Abstimmung kommen sollte. Das Eine und das Andere bedingen einander.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN –
Michael Dietmann (CDU): Die Piraten wollten es doch!]

– Sie wissen, was Sie da reden? – Das glaube ich. Dann hören Sie mir noch ein bisschen zu.

[Michael Dietmann (CDU): Das fällt mir schwer!]

Gemeinsam mit Quarteera e. V., mit dem Berliner CSD und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung haben am 28. Februar 2012 Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen dieses Hauses vor dem Brandenburger Tor gegen das Vorhaben der Stadtduma von St. Petersburg demonstriert, ein Gesetz gegen die sogenannte Propaganda für Homosexualität zu erlassen. Die Sprecherinnen und Sprecher für Lebensweisen aus diesem Haus haben sich damals mit einem Brief an die Abgeordneten des Stadtparlaments gewandt. Damals schienen auch der Herr Evers und der Herr Schreiber die heute aufgeworfenen Bedenken in Bezug auf die Zuständigkeit des Hauses und der Abgeordneten dieses Hauses noch nicht zu teilen und haben die Achtung der Menschenrechte aller Menschen gleich welcher sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität eingefordert.

Sie haben diesen Brief auch als Appell, als konkrete Einlösung unseres Bekenntnisses als Abgeordnetenhaus von Berlin verstanden, das am 2. April 2009 beschlossen hat:

Das Land Berlin bekennt sich zur sexuellen Vielfalt. Vertreterinnen und Vertreter des Landes Berlin setzen in der Öffentlichkeit deutliche Zeichen für das Erfordernis ihrer Akzeptanz: Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund der sexuellen
Orientierung oder aufgrund der Geschlechtsidentität hat in Berlin keinen Platz.

– Herr Präsident! Ich habe ein wenig das Gefühl, als sei das hier eine Bahnhofshalle.

Vizepräsident Andreas Gram:

Sie haben das Gefühl nicht zu Unrecht. – Meine Damen und Herren! Wir haben gleich eine namentliche Abstimmung. Dafür bitte ich ohnehin um Konzentration. Wir haben hier ein Grundprinzip, nämlich dem Redner zuzuhören oder hinauszugehen. Ich bitte, dem Kollegen so viel Respekt entgegen zu bringen. – Bitte schön, Herr Dr. Lederer!

Dr. Klaus Lederer (LINKE):

Ich setze das Zitat fort:

Der Senat von Berlin und das Abgeordnetenhaus sind in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie diese Botschaft bei jeder geeigneten Gelegenheit im städtischen bis hin zum internationalen Rahmen nachdrücklich öffentlich vertreten.

Das haben wir 2009 beschlossen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Wir haben es einstimmig beschossen.

Frau Kollegin Bentele! Ich hätte kein Problem damit, wenn sich Berlin und das Abgeordnetenhaus auch in Bezug auf andere Menschenrechtsverletzungen in dieser Weise – wie Sie es sagen – binden würden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Wes Geistes Kind Sie sind, haben Sie deutlich gemacht, als Sie hier von Gruppeninteressen gesprochen haben. Menschenrechtsverletzungen betreffen immer die Mensch­heit als Ganzes. Jede Menschenrechtsverletzung gegen Einzelne richtet sich immer gegen die Gesellschaft.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Es geht hier nicht darum, Lobbyismus für Schwule zu machen. Das machen Teile Ihrer Partei. Das machen Teile der SPD. Es geht hier darum, Menschenrechte einzufordern. Menschenrechtsverletzungen sind etwas Anderes. Dabei kann man sich nicht auf Formalia zurückziehen, auf im Übrigen ohnehin nicht zutreffende staatstheoretische Erwägungen über die Verteilung zwischen Bund und Ländern in Sachen Außenpolitik.

Es ist uns damals leider nicht gelungen, die Beschlussfassung über das Gesetz in der St. Petersburger Stadtduma aufzuhalten. Mehr noch: Was in St. Petersburg beschlossen worden ist, hat negative Vorbildwirkung für andere Kommunen und jetzt offenbar für die russische Staatsduma.

Es ist erschütternd, wie die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexuellen, wie tagtäglich immer noch in vielen Ländern der Erde die Menschen, Bedrohungen ausgesetzt sind oder mit Füßen getreten werden. Sind es in Frankreich Ultrareaktionäre und Konservative, die gegen einen progressiven Akt der Nationalversammlung sogar mit Gewalt mobil machen, geht in Russland – sollte dieses Gesetz Wirklichkeit werden – die Gewalt vom Staat aus. Hier ist Solidarität nötig, hier insbesondere, laut und vernehmbar.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Das geplante Gesetzesvorhaben verstößt gegen den Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Russland hat die EMRK unterzeichnet, Deutschland auch. Hier muss ein klares Zeichen her. Berlin hat eine Städtepartnerschaft mit Moskau und sucht den kritisch-freundschaftlichen Diskurs.

Bei Menschenrechtsverletzungen bedarf es allerdings klarer Worte. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Antrag von allen Fraktionen eingereicht worden wäre, so, wie wir damals alle den Brief geschrieben haben. Dass das nicht der Fall ist und dass sich die Koalition heute sogar der Sofortabstimmung entziehen wollte, sät Zweifel. Was bitte sind die Gründe für diese Positionierung, und was sollen die formalen Argumente, die Sie vorgetragen haben? Lieber Herr Schreiber! Was Sie hier Herrn Birk unterstellt haben, ist eine Diffamierung, die ich zurückweisen möchte.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

 

Es reicht eben nicht, Herr Wowereit, Herr Schreiber, Herr Evers, Flaggen aufzuziehen und sich auf Empfängen der Communities präsent zu zeigen. Diese Koalition kürzt bei der Lesbenberatung im laufenden Haushaltsjahr, enthält sich im Bundesrat bei der Gleichstellung in Sachen Steuerrecht, tritt sexueller Diffamierung eines honorigen Gutachters in der BVV Mitte durch einen CDU Bezirksverordneten nicht entgegen -

Vizepräsident Andreas Gram:

Sie müssten bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Dr. Klaus Lederer (LINKE):

– und lässt in der Debatte um die ISV 2.0 zweifelhafte Familienbilder relativieren, wie Sie es damals getan haben, Frau Bentele. Schade! Ich hoffe, dass Sie sich jetzt trotzdem für eine Zustimmung entscheiden können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN]

Vizepräsident Andreas Gram:

Danke schön, Herr Kollege Dr. Lederer! –

Meine Damen und Herren! Die namentliche Abstimmung ist beantragt. Wir werden Sie durchführen. Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. Sie kennen das, links und rechts an den Seiten des stenografischen Dienstes. Dann bitte ich die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Das steht in § 71 der Geschäftsordnung. Frau Kollegin Haußdörfer ist schon sehr bewandert im Aufrufen der Namen. Ich denke, dass Sie die Zustimmung des ganzen Hauses haben. Die Stimmkarten werden Ihnen durch Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind, eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge.

Ich eröffne also die Abstimmung über die genannte Drucksache und bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Gibt es noch einen Kollegen, der nicht abgestimmt hat? – Das ist nicht der Fall, dann schließe ich den Wahlgang und unterbreche die Sitzung bis zur Verkündung des Ergebnisses.

[Auszählung]

Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen; uns liegt ein Ergebnis vor. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung verkünde ich wie folgt – es geht um die Drucksache 17/0998, das wissen Sie –: abgegebene Stimmen 141, Ja Stimmen 58, Nein Stimmen 83. Damit ist der Antrag abgelehnt.