Veranstaltung: 100 Jahre KPD

Ein Rückblick auf die widerspruchsvolle und wechselvolle Geschichte dieser Partei

Vor hundert Jahren – am 31. Dezember 1918 und dem 1. Januar 1919 – wurde die Kommunistische Partei Deutschlands im Festsaal des Preußischen Landtags, dem heutigen Abgeordnetenhaus von Berlin, gegründet. In den Monaten nach ihrer Gründung durch die Ermordung Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts, Leo Jogiches’ und Eugen Levinés ihrer wichtigsten Köpfe beraubt, rang sie um die richtige Strategie während der durch Revolution und Konterrevolution gekennzeichneten Anfangsjahre der Weimarer Republik. Die Kommunistische Internationale – ursprünglich gegründet als Zusammenschluss revolutionärer Parteien – wurde mehr und mehr zum Instrument sowjetischer Außenpolitik und die KPD zum Spielball der machtpolitischen Kämpfe in der Sowjetunion. Fatal die »Sozialfaschismustheorie« und die Bildung eigener »roter Gewerkschaften«, statt der von oppositionellen kommunistischen und linkssozialistischen Gruppierungen geforderten konsequenten Einheitsfrontpolitik gegen den aufkommenden Faschismus.

Anlass genug in einer Abendveranstaltung am 7. Januar 2019 am historischen Gründungsort im Abgeordnetenhaus auf die widerspruchsvolle und wechselvolle Geschichte dieser Partei zurückzublicken und über Schlussfolgerungen für linke Politik heute nachzudenken.

Mit Beiträgen von Bernd Riexinger (Parteivorsitzender DIE LINKE), Rhonda Koch (Linke.SDS), Dr. Marcel Bois (Historiker), Dr. Ronald Friedmann (Mitglied Historische Kommission DIE LINKE)und Dr. Manuela Schmidt (Vorstandsmitglied Linksfraktion Berlin).Texte von Tucholsky, Alfred Döblin, Luxemburg und Liebknecht. Livemusik von Kai Degenhardt.

100 Jahre Gründung der KPD

Intro von Dr. Manuela Schmidt,
Vorstandsmitglied der Linksfraktion Berlin, 7. Januar 2019

Vor fast Tag genau 25 Jahren, am 08. Januar 1994, begrüßte Berlins PDS-Landesvorsitzende, Petra Pau, in diesem Saal zu einer gemeinsamen Veranstaltung aus Anlass des 75. Jahrestages der Gründung der KPD. Wir befinden uns heute erneut hier an diesem historischen Ort - im Festsaal des Abgeordnetenhauses von Berlin, genau an dem Ort, wo vor 100 Jahren, am 31. Dezember 1918 und am 01. Januar 1919, die KPD gegründet wurde.

Und sowohl damals als auch heute geht es darum, sich kritisch mit der Geschichte der KPD auseinanderzusetzen, der Geschichte der KPD neue Akzente hinzuzufügen, nicht Bisheriges zu ersetzen.

Und es ist auch das von Rosa Luxemburg entworfene und auf dem Gründungsparteitag angenommene Programm mit den zahlreichen vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen, das uns bis heute beschäftigen soll. Doch dazu später mehr.

Wenn wir heute unter dem Titel „von der KPD zur Linken“ über unser historisches Erbe sprechen, will ich das vor allem unter drei Gesichtspunkten tun:

  1. Die Gründung der KPD ist zugleich eine Geschichte der Spaltung der Arbeiterbewegung (SPD, USPD, Spartakusbund, KPD).
  2. Die Geschichte der LINKEN ist ohne die Geschichte der KPD und die Geschichte der KPD ohne den Stalinismus nicht denkbar.
  3. Ein Blick auf das bereits erwähnte Programm der KPD und die dort enthaltenen konkreten Forderungen, beispielsweise die vollständige rechtliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter, zeigt deutlich, dass vieles noch nicht verwirklicht ist. Und es bleibt unsere Aufgabe und Verantwortung, genau dafür zu streiten. Wir LINKEN im Berliner Parlament nehmen das als Auftrag und Verpflichtung.

Zum ersten Punkt: Eine Spaltung der Arbeiter*innenbewegung ist auch immer eine Spaltung der Kampfkraft, ein Spalten der Kräfte im Ringen um Demokratie, um Bürger*innenrechte, um Solidarität und Gleichberechtigung. Das war es damals mit der Spaltung von SPD, USPD, Spartakusbund und KPD. Das ist es heute - in Deutschland und in Europa. Noch immer haben wir weder in Deutschland noch in Europa eine starke vereinte LINKE, obwohl sie dringender gebraucht wird denn je.

Mit der Gründung der LINKEN haben wir versucht, linke emanzipatorische Kräfte in Ost und West zusammenzuführen. Zugleich war und ist die LINKE als Zusammenschluss von WASG und PDS der Versuch, aus der Geschichte zu lernen.

Zum zweiten Punkt: Das Erbe der LINKEN ist schwer belastet durch den Stalinismus. Es ist unabdingbar für heutige linke Politik, dass zunächst die PDS und dann auch die LINKE in ihrem Statut fest verankert hat, dass sie mit dem Stalinismus als System gebrochen hat.

Der Stalinismus war menschenfeindlich und erbarmungslos. Das zeigt sich auch am Beispiel der Schicksale von zwei Mitgliedern aus der ersten Zentrale der KPD - der Sohn von Herrmann Duncker wurde Opfer stalinistischer Säuberungen, Hugo Eberlein musste in der Sowjetunion in Lagerhaft, wurde dort zum Tode verurteilt und erschossen.

Vieles in der KPD war umstritten und in vielem hat sie sich auch geirrt. Als überzeugte Parlamentarierin will ich hier nur auf den Boykott der Wahlen als ein Beispiel hinweisen. Dennoch wäre es für die LINKE falsch, die KPD in Bausch und Bogen zu verdammen. Vielmehr geht es um die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der KPD und mit ihrem Programm.

Und da wären wir auch schon beim dritten Punkt. Lasst uns gemeinsam auf das Programm blicken. Dort heißt es beispielsweise:

  • „Nieder mit dem Lohnsystem! Das ist die Losung der Stunde. Anstelle der Lohnarbeit und der Klassenherrschaft soll die genossenschaftliche Arbeit treten.“ Die Lohnarbeit besteht fort, befindet sich aber im Wandel. Es ist unsere Aufgabe als LINKE über ihre Neugestaltung zu reden und vielleicht auch über Alternativen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Für Berlin und mich als Parlamentarierin bedeutet dies, für Gute Arbeit in Berlin zu streiten. In der letzten Plenarsitzung haben wir hier beispielsweise über die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Berliner Beamtinnen und Beamte geredet. Und wir haben als Haushaltsgesetzgeber schon im letzten Haushalt mehr Geld zur Verfügung gestellt, damit die wichtige soziale Arbeit bei Vereinen und freien Trägern wieder tarifgerechter bezahlt wird.
  • „Das Wesen der sozialistischen Gesellschaft besteht darin, dass die große arbeitende Masse aufhört, eine regierte Masse zu sein, vielmehr das ganze politische und wirtschaftliche Leben selbst lebt und in bewußter freier Selbstbestimmung lenkt.“ Das ist die Frage nach Partizipation, wie wir sie uns in Berlin beispielsweise immer wieder stellen und versuchen im Sinne von mehr Partizipation zu beantworten. Bürgerhaushalt oder das Instrument des Volksbegehrens sind nur zwei ausgewählte Stichworte.
  • Eine zentrale Frage des Politikstils beantwortete das Programm wie folgt: „Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie haßt und verabscheut den Meuchelmord. Sie bedarf dieser Kampfmittel nicht, weil sie nicht Individuen, sondern Institutionen bekämpft, weil sie nicht mit naiven Illusionen in die Arena tritt, deren Enttäuschung sie blutig zu rächen hätte.“ Gerade vor dem Hintergrund des Stalinismus und seines Terrors ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass bei der Gründung der KPD der Kampf gegen Institutionen das Bestimmende war, nicht der Kampf gegen Individuen. Etwas was auch heute wichtig ist, wo Personalisierung von Politik einen anderen Fokus setzt.

Weitere Themen sind die Enteignung oder die Forderung nach der völligen rechtlichen und sozialen Gleichstellung der Geschlechter.

Wir in Berlin versuchen gerade mit der Bezugnahme auf Art. 15 GG eine Enteignung der Deutschen Wohnen. Dass es gelungen ist, gemeinsam mit den Mieter*innen in der Karl-Marx-Allee, Bezirk und Senat und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag eine Lösung im Sinne der Rekommunalisierung zu finden, ist ein großartiger Erfolg und zugleich ein überaus wichtiges Signal in diese Richtung, dass gerade bei politischen Gegnern nicht nur Freude hervorruft.

Darüber hinaus stellen wir uns der Gleichstellung der Geschlechter und wir sind in vielen Punkten aktiv. Auch hier haben wir ein wichtiges Zeichen gesetzt, dass gerade der 8. März, internationaler Kampftag für Frauen, in Berlin als erstem Bundesland Feiertag wird.

In der Sprache vielleicht etwas anders als die KPD, aber der Kampf zur Beendigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist auch einer, den wir heute führen. Vielleicht ist das ja der Grund, warum es im Vorfeld unserer heutigen Veranstaltung so viel Aufregung gegeben hat.

Doch ich lade alle demokratischen Kräfte ein, sich gemeinsam mit uns kritisch mit den letzten 100 Jahren unserer deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Doch vor allem lade ich alle demokratischen Kräfte dazu ein, gemeinsam für die Sicherung der Demokratie zu streiten und zusammen um den Erhalt der Demokratie zu ringen. Und da sei mir noch ein Gedanke gestattet: Die sich nach der Gründung der KPD ausbreitende dogmatische und ritualisierte Geringschätzung formaler politischer Demokratie und formaler Rechtstaatlichkeit ist etwas, dem sich eine demokratische LINKE strikt verweigern sollte.

In diesem Sinne freue ich mich auf unsere heutige Veranstaltung und wünsche ihr gutes Gelingen.