Keine Erfolgsbilanz von Schwarz-Rot

Seit 100 Tagen ist der CDU-SPD-Senat im Amt. Wenig überraschend fällt seine bisherige Bilanz eher dürftig aus. Viele der vollmundig angekündigten Vorhaben harren noch ihrer Umsetzung. Bei manchen ist ein Scheitern bereits absehbar. Andere lassen insbesondere für die Berlinerinnen und Berliner, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, nichts Gutes ahnen. Viel war in diesen 100 Tagen von Law and Order, von Sicherheitsgipfeln und Task-Forces zu hören, wenig darüber wie dieser Senat die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen oder die infolge steigender Preise in Bedrängnis kommenden Menschen unterstützen will.

Eine kurze Bilanz aus Sicht der linken Opposition:

  • Schon die Wahl des Regierenden Bürgermeisters war ein erster politischer Tiefpunkt. Weniger, weil erstmals in der Geschichte Berlins ein Regierender Bürgermeister drei Wahlgänge brauchte, um gewählt zu werden. Vielmehr weil CDU und SPD dabei sehenden Auges in Kauf nahmen, dass die AfD behaupten kann, er sei nur dank ihrer Stimmen gewählt worden.
  • Zu den ersten Entscheidungen des Senats gehörte eine deutliche Anhebung der ohnehin schon hohen Gehälter für die Büroleitungen der Senator:innen. Diese werden üblicherweise durch politisch Vertraute besetzt. Der Hauptpersonalrat der Berliner Verwaltung zeigte sich befremdet.
  • Der neue Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen kündigte in einem seiner ersten Interviews an, dass ab dem nächsten Jahr die Mieten bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen wieder steigen werden. Rot-Grün-Rot hatte zunächst in der Coronakrise und dann angesichts der starken Inflation entschieden, die Mieten in den mehr als 350.000 Wohnungen im öffentlichen Bestand einzufrieren. Ob der Anstieg der Mieten höher als 2 Prozent pro Jahr ausfällt, wie in der aktuell noch gültigen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land und seinen Wohnungsunternehmen noch vor der Pandemie vereinbart wurde, wollte er der Senator nicht ausschließen.
  • Beim Wohnungsneubau setzt der Senat darauf, dass vor allem private Immobilienunternehmen die als Ziel ausgegebenen 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr bauen werden.  Er hält darum an dem von der SPD initiierten Bündnis für Neubau und bezahlbares Wohnen fest, obwohl bekannt wurde, dass die beteiligten privaten Vermieter noch nicht einmal ihre wenigen im Bündnis vereinbarten Selbstverpflichtungen zur Begrenzung von Mieterhöhungen einhalten und darüber hinaus nahezu alle ihre Neubauvorhaben auf Eis legen.
  • Auch beim Bau von dringend benötigten neuen Sozialwohnungen klammert sich der Senat verzweifelt an die Hoffnung, Private dazu bewegen zu können. Dafür will er ihnen nunmehr nicht nur pro Jahr 1,5 Milliarden Euro öffentliches Fördergeld zur Verfügung stellen, sondern erhöht auch die Mietobergrenzen für förderungsfähigen Wohnraum auf 11,50 Euro pro Quadratmeter. Nicht erhöht wird die angestrebte Zahl der mit diesem Geld zu errichtenden Sozialwohnungen, was zur Folge haben wird, dass weniger Wohnungen mit für Geringverdienende bezahlbaren Mieten errichtet werden. Unser Vorschlag mit öffentlichem Geld vor allem die öffentlichen Wohnungsunternehmen zu befähigen selbst Sozialwohnungen zu errichten, wird vom Senat ignoriert.
  • Das von der SPD im Wahlkampf versprochene und im Koalitionsvertrag vereinbarte 29-Euro-Ticket für Berlin ist nicht in Sicht und alle Signale deuten darauf hin, dass es auch nicht mehr kommen wird. Es gibt darüber hinaus bisher auch keinerlei Vorschläge, ob und wenn ja welche Ermäßigungen es auf das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket für verschiedene Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise Menschen mit Berlinpass, Senior:innen oder Studierende geben könnte, wie sie andere Bundesländer schon längst eingeführt haben. Für das das Semesterticket für Studierende führt das bereits an einigen Hochschulen zum Aus zum bevorstehenden Wintersemester.
  • Mit ihrer Ankündigung alle aktuell anstehenden Radwegeprojekte überprüfen zu wollen und bis dahin deren Finanzierung zu stoppen, sorgte die neue Verkehrssenatorin nicht nur für erhebliche Verunsicherung in den Bezirken und Empörung bei vielen Menschen. Sie sendete damit vor allem auch das Signal, an der bisherigen Vorrangstellung des Autos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden festhalten zu wollen. Das mag ihr Sympathie und Zustimmung bei denjenigen einbringen, die sich ein eigenes Auto leisten können. Für den Ausbau des Rad- und Fußverkehrs und die notwenige Verkehrswende insgesamt birgt diese Haltung aber düstere Aussichten.
  • Noch Anfang Juni kündigte der SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende an, dass man vor der Sommerpause einen Antrag auf Änderung der Verfassung zur Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre einbringen würde. LINKE und Grüne hatten zuvor erklärt, dass sie dem zustimmen und damit die notwendige Zweidrittelmehr des Parlaments sichern werden. Statt einer zügigen Einbringung des Antrags verzögert die CDU das Vorhaben und fordert, dass man zunächst ein Programm für politische Bildung von Jugendlichen erarbeiten wolle.
  • Zur 100-Tage-Bilanz von CDU und SPD gehört auch, dass sie progressive Projekte, die Rot-Grün-Rot vereinbart hatte, gestoppt haben. Darunter fällt auch die die Entfristung von Arbeitsverhältnissen im Wissenschaftsbereich. Mit der Verschiebung der von Rot-Grün-Rot geplanten Novellierung des Hochschulgesetzes wird der Status quo von mehr als 80 Prozent befristeter Beschäftigung im Mittelbau aufrechterhalten.
  • Verschoben wurde auch die Einführung einer die Ausbildungsplatz-Umlage, durch die Unternehmen, die nicht ausbilden, an den Kosten, die ausbildende Betriebe zu tragen haben, beteiligt werden. Diese soll nun nur noch kommen, wenn die Unternehmen nicht freiwillig in den kommenden 2 Jahren 2.000 neue Ausbildungsplätze schaffen.
  •  Die derzeit verhandelten Hochschulverträge gleichen voraussichtlich nicht die Inflation aus und führen damit zu Einsparungen in der Substanz. Auch für die dringend benötigten Fach- und Lehrkräfte wird es keine zusätzlichen Mittel geben. Damit stehen die Ausbauziele etwa für eine bedarfsgerechte Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Frage.
  • Die angedrohte Klage der freien und privaten Krankenhausträger gegen die Verlustausgleiche beim kommunalen Krankenhausunternehmen Vivantes stellt dessen Existenz in Frage. Eine Zukunftsstrategie des Senats für Vivantes, die den Konflikt lösen könnte, ist nicht erkennbar. Auch der bedarfsgerechte Ausbau der Krankenhausfinanzierung sowie ein Konzept zur angekündigten Rückführung der Tochterunternehmen von Charité und Vivantes fehlen.
  • Dem Vernehmen nach – bisher liegt dem Parlament kein Entwurf vor – sind im Doppelhaushalt für 2024/25 keine gravierenden Kürzungen in der sozialen und kulturellen Infrastruktur geplant. Das scheint aber nur dadurch gelungen zu sein, dass alle Rücklagen, die Rot-Grün-Rot geschaffen hatte, aufgelöst werden. Die Haushaltsverhandlungen werden zeigen, ob das mit einer längerfristigen Perspektive verbunden ist oder ob hier einfach nur schwierige Entscheidungen aufgeschoben wurden.