Stadtansichten: Wem gehört die Smart City?

Über die Themen Smart City und Digitalisierung als Herausforderungen für eine sozial-ökologische Stadtentwicklungspolitik wurde am 3. Mai 2017 auf Einladung unserer Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City Katalin Gennburg, diskutiert. Dabei waren Wissenschaftler*innen wie auch Praktiker*innen aus den Felder der Stadtforschung, digitalen Ökonomien und Netzpolitik.

Eingangs betonte Katalin Gennburg die Wichtigkeit, sich aus LINKER Perspektive mit dem Smart City-Paradigma zu befassen und die dahinterstehenden Interessen und neuartigen Verwertungsstrategien von Technologiekonzernen zu analysieren und zu kritisieren. Sie verwies zugleich auf die Notwendigkeit, progressive Alternativentwürfe der Digitalisierung städtischen Lebens zu entwickeln und dem Verwertungsdruck datensammelnder Plattformunternehmen klare Grenzen zu setzen, um eine Stadtentwicklung im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner und nicht für maximale Profite anzustreben.

Ela Kagel (Gründerin von SUPERMARKT, Plattform für neue Ökonomien) stellte in ihrem Eingangsstatement dem dominanten, ihrer Auffassung nach technokratischen und konzerngetriebenen, Paradigma der Smart City den konkreten Alternativentwurf der "Sharing City" entgegen, die sich durch Prinzipien wie Kooperation statt Konkurrenz auszeichnet. Sie betonte die Wichtigkeit von Graswurzel-Ansätzen, offenen Daten und einer Wiederaneignung von Plattformen als städtische soziale Infrastruktur für alle Bewohner*innen und verwies auf zahlreiche positive Beispiele aus anderen Städten wie zum Beispiel FairBnB in Amsterdam oder die Gründung von plattformbasierten Freelancer-Genossenschaften.

Tile von Damm (Stadtforscher am MOD Institut Bangalore/Berlin) zeigte seinerseits zahlreiche problematische Aspekte an gängigen Konzeptionen der Smart City auf: So würde von interessierter Seite nicht nur fälschlicherweise suggeriert, alle möglichen städtischen Problemlagen mit den "richtigen" Technologien lösen zu können, die Smart City sei überdies auch ein alles homogenisierender "one size fits all"-Ansatz, der die Vielfalt und lokale Spezifik urbaner Erfahrungswelten, Konflikte und letztlich die autonomen Bedürfnisse der Bewohner*innen völlig ausblende.

Walter Palmetshofer (Open Knowledge Foundation) äußerte eine vor allem praktische Kritik an bisherigen Smart City-Ansätzen: Es gebe Plätze in der Stadt, wo Menschen gar nicht "effizient" sein wollen. Das widerspreche dem Effizienzdogma, so Palmetshofer. Er bemängelte darüber hinaus das mangelnde Problembewusstsein und die Unkenntnis vieler politischer Entscheidungsträger*innen, die häufig dazu führten, dass diese den politischen Vorstößen von Plattform- und Technologieunternehmen  hilf- und konzeptlos gegenüberstünden. Stattdessen müsse man als Stadtverwaltung den international agierenden Plattformen selbstbewusst die Machtfrage stellen.

Timo Daum(Dozent für Online Development und Digital Economy) setzte sich kritisch mit der häufig von linker und LINKER Seite geäußerten Kritik am Smart City-Paradigma auseinander. Unter anderem wies er darauf hin, dass die derzeit existierenden Städte, wie wir sie haben, auch Ergebnisse kapitalistischer Entwicklung beziehungsweise von renditegetriebenen Konzernen wie zum Beispiel der Autoindustrie seien. Er plädierte darüber hinaus dafür, Technologien in ihrer Einbettung in gesellschaftliche Verhältnisse zu sehen, ohne aber deswegen technologische Lösungen (wie zum Beispiel Wärmedämmung oder Elektromobilität) an sich abzulehnen. Insbesondere die ablehnende Haltung vieler linker Kritiker*innen gegenüber Elektroautos halte er für falsch.

Aus dem Publikum wurde kritisch darauf hingewiesen, dass die derzeitigen Bemühungen Berlins, zu einer "smarten" Stadt zu werden, völlig verfehlt seien, solange nicht einmal grundlegende soziale Infrastrukturen wie Bürgerämter funktionierten. Andere Teilnehmende äußerten die Sorge, dass die vermehrte Präsenz von Plattformunternehmen wie Uber, die Infastrukturdienstleistungen anböten, mittelfristig zu einer weiteren Aushöhlung beziehungsweise Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge führen könnten.