Ankommen. Teilhaben. Bleiben.

Linksfraktion schreibt flüchtlingspolitisches Konzept fort

Linksfraktion schreibt flüchtlingspolitisches Konzept fort

Die Pressesprecherin der Fraktion Kathi Seefeld informiert:

Auf ihrer dreitägigen Klausur in Erfurt hat sich die Berliner Linksfraktion unter anderem mit aktuellen Erfordernissen in der Flüchtlingspolitik befasst. Heute wurde dazu folgender Beschluss verabschiedet:

 

ANKOMMEN. TEILHABEN. BLEIBEN.

Mit unserem flüchtlingspolitischen Konzept aus dem Jahr 2014 haben wir Alternativen zur rot-schwarzen Flüchtlingspolitik aufgezeigt und die ungenutzten Handlungsspielräume offengelegt. Darüber diskutieren wir mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren dieser Stadt und überarbeiten das Konzept weiter. Für die Bereiche Wohnen, Arbeit und Ausbildung beschließt die Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus:

1. Wohnen

1.1 Qualität der Flüchtlingsunterkünfte sichern und kontrollieren

  • Wir wollen einen »Heim-TÜV« mit verbindlichen Standards für alle Flüchtlingsunterkünfte und deren regelmäßige Kontrolle. Dazu soll eine Arbeitsgruppe aus Senatsverwaltungen, Bezirken, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsinitiativen, dem Landesbeirat für Integration und Migration sowie anderen fachkundigen Personen eingerichtet werden.
  • Wir wollen, dass einzelne Wohnungen und Appartements – dazu gehören immer Küche und Bad – bei Flüchtlingsunterkünften zum Standard gehören. Sie müssen gut mit dem ÖPNV erreichbar und in eine ausreichende soziale Infrastruktur eingebettet sein.
  • Wir wollen, dass für Flüchtlinge mit Behinderung barrierefreier Wohnraum und ausreichend besondere Unterkünfte und Schutzräume für Frauen, Kinder, Schwangere, LSBTI-Flüchtlinge sowie traumatisierte Menschen bereitgestellt werden und Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal gesichert wird.

1.2 Leerstand nutzen, dauerhaften Wohnraum für Menschen in Wohnungsnot schaffen

  • Wir wollen, dass Not- und Massenunterkünfte schnellstmöglich geschlossen werden.
  • Wir wollen, dass leerstehende Immobilien endlich genutzt werden. Wir fordern eine vollständige Übersicht zur Verfügung stehender Immobilien sowie einen Bericht darüber, wie und mit welchem Ergebnis diese geprüft wurden. Wohnungsleerstand muss generell erfasst werden. Dem Abgeordnetenhaus ist darüber zu berichten.
  • Wir wollen, dass die AV Wohnen sofort so überarbeitet wird, dass sie den Berliner Wohnungsmarkt widerspiegelt und Miet-Richtwerte enthält, die eine Neuanmietung von Wohnungen ermöglichen.
  • Wir wollen, dass in die Liegenschaftsstrategie die Erschließung von Flüchtlingsunterkünften und bezahlbarem Wohnraum für Flüchtlinge und andere Menschen in Wohnungsnot aufgenommen wird. Gemeinnützige Wohnprojekte für Flüchtlinge sollen in das sogenannte Konzeptverfahren aufgenommen werden.
  • Wir wollen, dass für Flüchtlinge der Um- und Neubau von Wohnungen in den Wohnraumförderfonds aufgenommen wird, um insbesondere gemeinnützige Träger und Wohlfahrtsverbände zu aktivieren. Hierfür sind Grundstücke zur Verfügung zu stellen bzw. besondere Förderprogramme zu entwickeln.
  • Wir wollen keine Ausgrenzung, sondern integrative Wohnprojekte – auch in den vom Senat geplanten Modularen Unterkünften. Architektinnen und Architekten sollen aufgerufen werden, solche Wohnprojekte zu entwickeln, die die Vielfalt der Stadtgesellschaft widerspiegeln.
  • Wir wollen, dass die Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen »Wohnungen für Flüchtlinge« ausgeweitet wird und auch bisher nicht beteiligte gemeinnützige, genossenschaftliche und kirchliche Wohnungsunternehmen sowie große private Wohnungsunternehmen einbezogen werden.
  • Wir wollen, dass die Zielvereinbarungen zwischen Senat und städtischen Wohnungsunternehmen ein jährlich anzupassendes Kontingent an Wohnraum für Flüchtlinge festschreiben. Dafür brauchen die Wohnunternehmen einen finanziellen Ausgleich.
  • Wir wollen alle bürokratischen Schritte bei der Wohnraumvergabe auf den Prüfstand stellen und den Zugang zu Wohnraum – beispielsweise durch regelmäßige Mietübernahmebescheinigung oder die Übernahme von Kautionen bzw. Provisionen durch das LAGeSo oder das Sozialamt – deutlich erleichtern und beschleunigen.
  • Wir wollen, dass grundsätzlich alle asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) und Zugang zu Sozialwohnungen haben. Dafür sollen auch die Bezirke ein aktives Belegungsmanagement betreiben oder die Belegung an freie Träger übertragen.
  • Wir wollen die Herrichtung von Wohnraum durch Geflüchtete in Selbsthilfe fördern.

1.3 Vorübergehende Unterbringung

  • Wir wollen, dass auf die verpflichtende Einweisung in Notunterkünfte verzichtet wird, wenn Geflüchtete stattdessen bei Familienangehörigen oder Bekannten unterkommen können.
  • Wir wollen, dass Ferienwohnungen künftig als Wohnungen für Geflüchtete und Menschen in Wohnungsnot zu Verfügung stehen. Senat und die Bezirke sollen dazu mit Eigentümerinnen und Eigentümern der bis Ende April 2016 legal betriebenen Ferienwohnungen verhandeln. Bei illegal betriebenen Ferienwohnungen sollte die drohende Bußgeldzahlung ausgesetzt werden, falls sich die Eigentümer dazu verpflichten, längerfristig an besondere Bedarfsgruppen zu vermieten.
  • Wir wollen, dass mit Betreiberinnen und Betreibern von Hotels, Hostels und Appartementhäusern sowie dem Verband des Hotel- und Gaststättengewerbes (dehoga) über Vereinbarungen zur Bereitstellung von Kontingenten verhandelt wird, ebenso wie mit Gewerkschaften und Verbänden über die Nutzung von Gästehäusern oder Bildungsstätten.

2. Arbeit und Integration

2.1 Beratung und Unterstützung

  • Wir wollen, dass Geflüchtete schnell Zugang zu Ausbildung und Arbeit bekommen. Mit diesem Ziel soll ein umfassendes und abgestimmtes Konzept erarbeitet werden, das von der Erstberatung bis zum Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag die notwendige Begleitung sichert und auch die besondere Lebenssituation von Frauen berücksichtigt wird.
  • Wir wollen eine transparente Planung, die aufzeigt, wann und wo eine Erstberatung angeboten wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unterkünften müssen dazu qualifiziert werden, Ratsuchende an entsprechende Beratungsstellen zu vermitteln. In Unterkünften und Behörden muss mehrsprachiges Infomaterial zur Verfügung stehen.
  • Wir wollen, dass Kompetenzen und Potenziale schnell erkannt werden. Dazu ist speziell geschultes Personal nötig, da nicht immer Qualifikationsnachweise vorliegen bzw. Studien- und Berufsbilder aus dem Herkunftsland nicht mit den hiesigen vergleichbar sind. Die Ausländerbehörde muss angewiesen werden, Ermessensspielräume bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis zu nutzen. Dazu berechtigte Geflüchtete sollen aktiv auf die Möglichkeit hingewiesen werden, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen.
  • Wir wollen, dass notwendige kommunale sozialintegrative Leistungen (Kindertagesbetreuung, Beschulung, psychosoziale Leistungen für traumatisierte Flüchtlinge etc.) sichergestellt werden.

2.2 Qualifizierungsoffensive für Geflüchtete und Langzeiterwerbslose

  • Wir wollen eine Qualifizierungsoffensive für Geflüchtete und Langzeiterwerbslose. Zum Beispiel durch die Neuauflage des Landesprogramms »Stelle statt Stütze«. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber würden bei der unbefristeten Einstellung von Flüchtlingen oder Langzeiterwerbslosen einen Lohnkostenzuschuss erhalten.
  • Wir wollen, dass die Vergabe von Aufträgen im Rahmen eines Landesinvestitionsprogramms die Beteiligung an der Qualifizierungsoffensive voraussetzt.

2.3 Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse

  • Wir wollen deutliche Verbesserungen bei der Anerkennung der Gleichwertigkeit des Berufsabschlusses. Geprüft werden muss, wie Zugangshürden abgebaut werden können, ohne Ausbildungsstandards abzusenken. Grundlage dafür ist eine solide Zahlenbasis, die die Probleme deutlich macht.
  • Wir wollen, dass der beschlossene Härtefallfonds endlich eingeführt wird, damit der teure Prozess der Anerkennung von Abschlüssen nicht aus finanziellen Gründen abgebrochen werden muss.

2.4 Ausbildung

  • Wir wollen, dass die Jugendberufsagenturen, Jobcenter, die Agentur für Arbeit sowie die bezirkliche Jugendberufshilfe den besonderen Bedarf junger Flüchtlinge, aber auch junger Frauen oder Jugendlicher mit Behinderungen, besser berücksichtigen.
  • Wir wollen, dass die Erfahrungen von Initiativen zur beruflichen Integration, die in Berlin bereits arbeiten, stärker genutzt werden. Gute Beispiele sind die »Vivantes Pflegeausbildung für Geflüchtete« oder »Berlin Braucht Dich«.
  • Wir wollen, dass insbesondere für den Bereich der Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und Sozialpädagoginnen und -pädagogen Programme für die Erfassung der Qualifikationen wie auch für ggf. berufsbegleitende Ausbildungsprogramme und Anpassungsqualifizierungen entwickelt werden.
  • Wir wollen, dass auch geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene ohne Schulabschluss und Berufserfahrung die Chance auf Ausbildung bekommen und dafür ausreichend Angebote geschaffen werden. Es muss gesichert sein, dass über 18-Jährige die Schule bis zu einem Abschluss besuchen können.
  • Wir wollen, dass in den Oberstufenzentren (OSZ) die Willkommensklassen in die Lage versetzt werden, über den Spracherwerb hinaus einen Übergang von Schule zu Beruf durch Berufsorientierung und -vorbereitung zu entwickeln. Dieses Angebot sollte für alle zumindest bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gelten.