Benaissa-Verurteilung ist falsches Signal

Gegen die Stigmatisierung und Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen

Der rechtspolitische Sprecher Klaus Lederer erklärt:

Auch wenn sie menschlich nachvollziehbar erscheint: Die Bewährungsstrafe für
Nadja Benaissa ist rechtlich fragwürdig und in Bezug auf die Stigmatisierung
von Menschen mit HIV das falsche Signal.

Rechtlich betrachtet kann Niemandem die Verantwortung abgenommen werden,
sich bei sexuellen Kontakten zu schützen. Dies gilt um so mehr bei
wechselnden Sexualpartnern und einer sexuell vielfältigen Lebensweise.
HIV/AIDS stigmatisiert und grenzt aus. Es ist daher auch heute für viele
Infizierte nach wie vor schwierig, offen über ihre Infektion zu sprechen.
Das Strafrecht ist nicht das geeignete Mittel, um dagegen wirksam etwas zu
tun.

Die Verurteilung ist aber auch kontraproduktiv für die Prävention. Wir
wollen, dass sich Menschen regelmäßig auf HIV testen lassen, da bei
frühzeitiger Behandlung und wirksamer Therapie die Viruslast von
HIV-Positiven stark reduziert werden kann. Ungetestete und nicht therapierte
HIV-positive Menschen tragen unwissentlich zu mehr Neuinfektionen bei. Die
Verurteilung verstärkt nun die Gefahr, dass Menschen sich von regelmäßigen
Tests abhalten lassen oder davor
zurückschrecken: Bei dokumentiertem positiven Testergebnis ist nämlich die
Gefahr der Strafbarkeit manifest, bei Nichtwissen dagegen nicht gegeben.
Damit erschwert die Verurteilung zukünftig eher eine wirksame und
erfolgreiche HIV-AIDS-Prävention, statt ihr zu nutzen.

Rechtswissenschaft und Strafgerichte müssen sich des Stellenwerts
eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und der gesellschaftlichen Wirkungen
der Strafbarkeit weiterhin widmen, um hier perspektivisch zu einer
Rechtssprechungslinie zu gelangen, die diesen Aspekten Rechnung trägt. Die
gesellschaftliche Auseinandersetzung gegen die Stigmatisierung und
Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen muss dagegen forciert werden.