Entfallene Schuleingangsuntersuchungen während der Pandemie - zusätzliche Herausforderungen für Berliner Grundschulen

BildungGesundheitFranziska BrychcyTobias SchulzeDie Linke im Abgeordnetenhaus

Aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Anfrage der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus (Drs. 19/12174) geht hervor, dass die bezirklichen Gesundheitsämter während der Pandemie einen erheblichen Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Einschulungsuntersuchungen nicht durchgeführt haben.

Von 35.177 Erstklässler*innen im Schuljahr 2020/21 wurden 9.647 nicht untersucht, von 35.468 Schüler*innen in der 1. Klasse im Schuljahr 2021/22 waren es 6.376. Das entspricht einem Anteil von 27,4 Prozent zum Schuljahr 2020/21 und 18 Prozent zum Schuljahr 2021/22. Die Einschulungsuntersuchungen zum kommenden Schuljahr laufen derzeit noch und werden voraussichtlich vollumfänglich stattfinden.

Die Schuleingangsuntersuchungen dienen vor allem dazu, frühzeitig mögliche Förderbedarfe der Schulanfänger*innen zu erkennen. Gegebenenfalls können Kinder für ein Jahr von der Schulpflicht zurückgestellt werden. Zuständig für die Durchführung sind die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste (KJGD) der Bezirke.

Trotz zusätzlicher Bundesmittel im Rahmen des „Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“, aus denen 180 neue Stellen in den Berliner Gesundheitsämtern eingerichtet werden konnten, ist der Personalmangel weiter virulent.

Im Bereich KJGD waren zum Jahresende 2020 berlinweit 72,76 Stellen nicht besetzt, ein Jahr später waren es 96,86 Stellen. Das entspricht einem Anteil von 11,3 Prozent aller Stellen Ende 2020 bzw. 14,4 Prozent Ende 2021. Bei den KJGD-Ärzt*innen waren Ende 2021 sogar 20,4 Prozent der Stellen nicht besetzt.

Zu den entfallenen Schuleingangsuntersuchungen erklärt Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus:

„Ein erheblicher Teil der aktuellen Erst- und Zweitklässler*innen wurde vor der Einschulung nicht untersucht. Für die Grundschulen bedeutet dies, dass einige Schüler*innen den Anforderungen der Schule noch nicht gewachsen sind oder sie sonderpädagogische Förderbedarfe mitbringen, die noch nicht diagnostiziert wurden. Für die unter dem eklatanten Fachkräftemangel leidenden pädagogischen Teams bedeutet dies eine große, zusätzliche Herausforderung.
Zwar hat die Koalition die SIBUZE im Doppelhaushalt 22/ 23 noch einmal deutlich gestärkt. Aber es braucht weitere multiprofessionelle Unterstützung an den Schulen, um individuell auf die noch sehr jungen Schüler*innen eingehen zu können, damit sie nicht durchs Raster fallen.“
 

Tobias Schulze, gesundheitspolitscher Sprecher der Linksfraktion, ergänzt:

„Es ist gut, dass während der Pandemie auch von Bundesseite Maßnahmen ergriffen wurden, um die Gesundheitsämter zu stärken. Die Bezirke müssen nun dafür sorgen, dass diese zusätzlichen Ressourcen auch insbesondere bei den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten ankommen. Die Anstrengungen, um offene Stellen, gerade auch im ärztlichen Bereich, zügig zu besetzen, müssen unbedingt intensiviert werden.
Dazu braucht es selbstverständlich auch die nötige räumliche Ausstattung. Einige Bezirke gehen mit Angeboten in Familienzentren kreative Wege, um dem Raummangel zu begegnen. Dennoch: Es braucht eine verlässliche, moderne Ausstattung für die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, gerade angesichts der wachsenden Stadt. Das ist eine der Aufgaben für die kommenden Haushaltsverhandlungen in 2023.“