Carsten Schatz (Die Linke): "CDU und SPD tun nur das Nötigste, um an der Macht zu bleiben."

CDU und SPD tun nur das Nötigste, um an der Macht zu bleiben.

Rede des Fraktionsvorsitzenden Carsten Schatz zum Doppelhaushalt 2024/25

 

Auszug: "Nun liegt dem Abgeordnetenhaus der erste Doppelhaushalt dieser Koalition vor, ein Haushalt, von dem man erwarten sollte, dass er das, was Sie der Stadt versprochen haben, abbildet. Aber auch diese Erwartung wird enttäuscht, denn dieser dicke Stapel Papier ist eigentlich schon jetzt Makulatur. Sie legen uns hier ein Ausgabenpaket in Höhe von etwas mehr als 80 Milliarden Euro für zwei Jahre vor. Über 4 Milliarden Euro davon sind gar nicht gedeckt. Im Haushalt heißt das technisch „pauschale Minderausgabe“. 5 Prozent des Haushaltsvolumens das klingt nicht viel, meinen vielleicht jetzt manche. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass weite Teile des Haushalts gesetzlichen und vertraglichen Bindungen unterliegen, in denen eine pauschale Minderausgabe gar nicht erbracht werden kann.

Sie alle hier auf der Regierungsbank und in den Koalitionsfraktionen wissen sehr gut, dass sich die Kürzungen, die noch erbracht werden müssen, zu weiten Teilen im sogenannten freiwilligen Bereich auswirken werden: in Senioreneinrichtungen, in Jugendklubs, in Beratungszentren und Kultureinrichtungen, in den vielen sozialen Projekten, die diese Stadt ausmachen, von der Sie vor sieben Monaten hier geschwärmt haben, Herr Wegner. – Das soziale Berlin steht dank Ihrer Politik der ungedeckten Schecks auf der Kippe.

Sehr geehrte Abgeordnete der Koalition! Mit dem Haushaltsbeschluss übergeben Sie im Kern die Macht darüber, was realisiert wird, was und wo gekürzt wird und auch, was entfällt – obwohl es im Haushalt steht –, dem Finanzsenator und seiner Verwaltung. Viel wichtiger als der Haushalt wird das Haushaltswirtschaftsrundschreiben, das die Senatsverwaltung für Finanzen kurz vor Weihnachten versenden wird. Dann erst werden die Verwaltungen die Karten aufdecken müssen. Dann, meine Damen und Herren Senatorinnen und Senatoren, werden Sie eine Reihe sehr schlechter Nachrichten zu verkünden haben. Jeder ungedeckte Scheck fliegt irgendwann auf. Wir sollten das in Berlin eigentlich gelernt haben.

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Berlin kann sich keine zweite Sarrazin-Dekade leisten. Wir haben seit 2016 daran gearbeitet, die Verheerungen des Sparen bis es quietscht zu reparieren. Jetzt droht ein Rollback in die Nullerjahre. Sie weigern sich nur, es den Berlinerinnen und Berlinern offen zu sagen.

Sie schaffen mit diesem Haushalt eine doppelte Unsicherheit; kurzfristig, weil nicht klar ist, welche Leistungen, Förderungen, Zuwendungen der Auflösung der pauschalen Minderausgaben zum Opfer fallen. Aber viel größer wird die Misere, wenn man sich die mittel- und langfristige Perspektive anschaut.

Sie entnehmen rund 2,3 Milliarden Euro pro Jahr aus Rücklagen und zehren diese damit bis 2025 auf. Im Jahr 2025 erwartet Berlin also zusätzlich eine Abbruchkante, mit anderen Worten: eine strukturelle Finanzierungslücke in Milliardenhöhe. Und was geben Sie dann für Antworten? – Privatisierung? Massive Kürzungen? Wohin wollen Sie Berlin steuern, Herr Wegner, Frau Giffey?

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Aber auch unter den gegebenen Umständen, mit den gegebenen Spielräumen gibt es machbare Alternativen zu Ihrer Politik, um den finanziellen Spielraum für Berlin zu erweitern. Wir als Linksfraktion haben dafür konkrete Vorschläge unterbreitet: Die Grunderwerbsteuer, die Übernachtungsteuer, die Zweitwohnungsteuer und nicht zuletzt eine bessere Steuerdurchsetzung sind Stellschrauben, mit denen sich Berlin pro Jahr über 100 Millionen Euro mehr Spielraum verschaffen könnte.

Eine Rückführung von unnötigen Investitionen im Sicherheitsbereich würde weitere 50 Millionen Euro erbringen. Wir brauchen zum Beispiel keinen Zaun um den Görlitzer Park. Und rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr würden in einem Spielraum entstehen, wenn Sie den Landesunternehmen eine stärkere Kreditfinanzierung ihrer Investitionen in die Infrastruktur ermöglichen würden. Das alles sind keine Luftschlösser, sondern machbare Vorschläge, die den finanziellen Würgegriff sofort lockern und Freiraum schaffen würden, denn Freiraum für Gestaltung braucht Berlin – für die Sicherung der sozialen Infrastruktur, für bezahlbares Wohnen, für den klimaresilienten Umbau der Stadt, für Integration. Auch dafür haben wir als Linksfraktion Vorschläge unterbreitet, die zeigen, wie es besser geht.

Das soziale Berlin braucht Sicherheit. Wir wollen den gewonnenen Spielraum nutzen und mit 600 Millionen Euro Vorsorge einen Pakt mit den freien Trägern und den Verbänden der Wohlfahrtspflege treffen – einen Pakt für eine krisenfeste soziale Infrastruktur, der dem sozialen Berlin Planungssicherheit gibt, für eine stabile Ausfinanzierung, für eine Entbürokratisierung, damit weniger Arbeit im Büro und mehr für die Menschen verrichtet werden kann, und schließlich, nicht zuletzt, für eine Übernahme von Tarifsteigerungen. Denn gutes Geld für gute Arbeit muss auch im sozialen Sektor gelten.

Wir wollen knapp 10 Millionen Euro mehr in Projekte gegen Antisemitismus und Rassismus, in die Hilfe- und Beratungsinfrastruktur und in die soziale Arbeit der Bezirke investieren. Wir wollen 31 Millionen Euro mehr in die Krankenhäuser und in eine bessere ambulante medizinische und psychiatrische Versorgung investieren. Wir wollen, dass das Land Berlin den Fachkräftemangel entschlossen angeht mit Ausbildungslabs, die die Abbruchquoten bei Ausbildungsverträgen verringern, und mit einer Vorsorge für die Einführung einer Ausbildungsumlage. Apropos Ausbildungsumlage: Diese beerdigen Sie nämlich mit diesem Haushalt einfach durch Nichtstun, weil Sie keine Vorsorge für ihre verwaltungsmäßige Umsetzung treffen. Das wollen wir korrigieren.

Ich höre Sie schon alle: Das ist alles nicht bezahlbar. Aber das ist einfach nicht wahr. Diese Summen lassen sich auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen mobilisieren, wenn ein Umsteuern bei der Finanzierung von Investitionen erfolgt. Dass die Koalition selbst diesen Schritt nicht geht, ist fahrlässige Verweigerung von Entscheidungen."