Plenartag am 18. Januar 2024

Gemeinsam rechten Umsturzphantasien eine demokratische Mobilisierung entgegenstellen

Fewrat Koçak (Die Linke): "Die Geschichte wiederholt sich jetzt. Nie wieder ist jetzt!"

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

die Correctiv-Enthüllung ist kein Einzelfall!

Am 31. Januar jährt sich der rechte Brandanschlag auf mich und meine Familie. Ein Brandanschlag, bei dem wir hätten sterben können und laut Feuerwehr einfach Glück hatten. Ein Brandanschlag, bei dem laut General-Staatsanwaltschaft AfD und gewaltbereite Nazis eine zentrale Rolle gespielt haben. Einer der mutmaßlichen Täter war zu diesem Zeitpunkt Vorstandsmitglied der AfD in Neukölln und sein Kamerad bei der NPD und jetzt beim Dritten Weg. Da ist es natürlich kein Zufall, dass Flyer von der Nazi-Partei der Dritte Weg und AfD gleichzeitig im Briefkasten meiner Eltern vorzufinden sind. Das ist eine klare Ansage an Betroffene: Wir sind immer noch hier und beobachten euch.

Am Beispiel Neuköllns wird auch ganz deutlich, dass die Verbindungen zwischen gewaltbereiten Nazis und der AfD bis hinein in die Behörden reichen. Der AfD-Polizist Detlef M. der geheime Informationen in einem rechten Chat geteilt hat, in dem auch die Hauptverdächtigen waren, das Treffen eines LKA-Beamten mit einem der Hauptverdächtigen Nazis in einer Neuköllner Eckkneipe, beobachtet vom Verfassungsschutz oder ein Staatsanwalt, der aufgrund von Befangenheit abgezogen wurde, weil er dem Angeklagten gesagt haben soll, er brauche sich keine Sorgen machen, er sei auf seiner Seite, sind nur einige Beispiele von Verstrickungen zwischen AfD, gewaltbereiten Nazis und Behörden.

Wen wundert dann noch meine extrem kritische Haltung gegenüber diesen Behörden, die wussten, dass ich monatelang von Nazis ausgespäht und verfolgt wurde, aber mich und meine Familie nicht gewarnt und nicht geschützt haben. Wir hätten sterben können, weil die Behörden versagt haben!

Entsprechend den Erfahrungen beim NSU- und dem Hanau-Untersuchungsausschuss halten sich die Erwartungen beim PUA Neukölln in Grenzen, vor allem, weil entscheidende Akten aufgrund der Fortsetzung des Gerichtsprozesses zum Anschlag auf mich und meine Familie nicht freigegeben werden. Weil in den Akten die Verstrickungen zwischen AfD, gewaltbereiten Nazis und Behörden erneut deutlich werden? Wir, die Betroffenen von rechter Gewalt, fragen uns daher: Wie tief reicht der Arm der AfD hinein in die Behörden? Die Gefahr für unsere Demokratie sitzt nämlich nicht nur in den Parlamenten, und das macht die Situation besonders gefährlich.

Besonders beängstigend, dass der Nährboden, auf dem diese menschenfeindlichen Positionen gesellschaftsfähig werden, in der Mitte gedeiht. Ich erinnere an den SPD-Kanzler, der sich auf dem Titel des Spiegels mit dem Slogan “Wir müssen endlich im großen Stil abschieben” zitieren lässt. Ich erinnere an Pascha-Merz, der Lügen über die Zahnarzt-Besuche von Geflüchteten erzählt. Ich denke aber auch an den FDP-Finanzminister, dem nichts Besseres einfällt, als bei den Bauernprotesten gegen Bürger:innengeld-Empfänger:innen und Geflüchtete zu hetzen und ich denke an Ricarda Lang von den Grünen, die ein schnelleres Rückführungsabkommen fordert.

Wir, die Menschen, die von den Deportationsplänen der AfD, CDU’lern und Unternehmer:innen betroffen sind, haben Angst. Die Geschichte wiederholt sich jetzt. Nie wieder ist jetzt!

Ferat Koçak
Sprecher für antifaschistische Politik

 

Carsten Schatz (Die Linke): "mit wirklich sozialer und demokratischer Politik gegen die AfD"

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

was mein Genosse und Fraktionskollege hier zum Ausdruck gebracht hat, ist Realität. Eine Realität, in der hunderttausende Berlinerinnen gerade leben. Menschen, die hier aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, einer Arbeit nachgehen, eine Familie gegründet haben, Steuern zahlen, die deutsche Staatsbürgerschaft haben, stellen sich die Frage, was aus ihnen wird, sollte die AfD jemals an die Macht gelangen.  Kinder fragen ihre Eltern, ob sie ihre Stadt, ihr Land verlassen müssen, weil Mutter oder Vater oder Oma und Opa einst aus einem anderen Land hierher gekommen sind. Weil sie als Arbeitskräfte gebraucht wurden oder vor Krieg und Verfolgung fliehen mussten. Ich sage, wir dürfen diese Menschen mit dieser Angst und diesen Sorgen nicht allein lassen.

So wie wir den jüdischen Berliner:innen gemeinsam von hier versichert haben, dass wir es nie wieder zulassen werden, dass sie aus Angst ihre Heimat verlassen müssen, gilt für alle Berliner:innen mit Migrationsgeschichte:

Wir werden nicht zulassen, dass ihr vertrieben werdet.

Mit Sorge, aber auch mit Wut und Empörung haben seit dem vergangenen Wochenende überall im Land zehntausende Menschen auf die Enthüllungen des Medienmagazins Correctiv reagiert. Sie fordern eine Reaktion der Politik auf die menschenverachtenden Pläne, die da im noblen Ambiente einer Villa von einem bekannten Rechtsextremisten vorgestellt und von hohen AfD-Funktionären zustimmend erörtert wurden. Sie fragen sich, was noch alles geschehen muss, damit eine Partei verboten wird, die offen rassistische Hetze betreibt, die unsere Demokratie verächtlich macht, die Abgeordnete hat, die offen mit dem Nationalsozialismus kokettieren, die mit Rechtsextremen zusammenarbeitet und in Teilen selbst als rechtsextrem eingestuft wird, auf deren Bundestagslisten Reichsbürger:innen kandidieren, die wegen gewaltsamen Umsturzplänen in U-Haft sitzen.

Und ich kann diese Frage gut verstehen. Deshalb fordere ich den Senat auf, sich ernsthaft mit dieser Frage zu befassen und selbst oder gemeinsam mit anderen Landesregierungen ein solches Verbot zu prüfen. Mir ist dabei bewusst, dass das keine einfache Frage ist. Ein Parteiverbot ist, und muss es auch bleiben, die Ultima Ratio des Schutzes der Demokratie vor ihrer Zersetzung von innen. Aber wir sind den vielen tausenden Menschen, die diese Forderung jetzt erheben, eine ernsthafte Antwort schuldig, auch für den Fall, dass man sich dagegen entscheidet.

Aber das BMI kann schnell tätig werden und die als Organisation mit gesichert rechtsextremistische Bestrebungen charakterisierte Jugendtruppe der Nazis als Verein verbieten. Auch darüber sollten wir einen Konsens unter den Demokrat:innen in diesem Haus herstellen und ich fordere den Senat und Sie, Herr Regierender Bürgermeister, auf, sich dafür einzusetzen.

Schuldig als demokratische Parteien sind wir diesen Menschen aber vor allem, dass die viel beschworene Brandmauer gegen die Menschenfeinde von rechts nicht Stück für Stück geschliffen wird. Und deshalb wirft es Fragen auf, wenn immer wieder mehr oder weniger prominente Mitglieder der CDU in Zusammenhang mit solchen Treffen auftauchen, gar als Gastgeber für diese fungieren.

Und es wirft Fragen auf, wenn aus der CDU immer wieder Stimmen zu vernehmen sind, die sich in Sprache, Intention und Duktus kaum von denen der AfD unterscheiden. Wenn der CDU-Vorsitzende Merz wahrheitswidrig behauptet, Geflüchtete würden bei Zahnarztterminen bevorzugt. Wenn der CDU-Abgeordnete Wansner an die AfD-Legende einer staatlich bezahlten Antifa anknüpft und auf Facebook von einer Bundesregierung spricht, die mit ihren linksradikalen Kampfverbänden gegen die Bevölkerung mobil macht und der ARD-Propaganda Finanzierung durch Zwangsgebühren vorwirft.

Und auch wenn ich zur Kenntnis nehme, dass Sie, Herr Regierender Bürgermeister, inzwischen auch andere Töne anschlagen, bedienen Sie mit der Forderung, dass die Bundesregierung mehr gegen die illegale Migration unternehmen müsse, dennoch auch genau das Märchen der Rechtsextremen von Unterwanderung und Überfremdung. Sie waren es auch, der vor einem Jahr in der Diskussion über die Silvesterkrawalle mit der Frage nach den Vornamen der Täter rassistische Ressentiments schürte. Ich hörte, Sie hätten sich dafür entschuldigt. Gut so, aber besser wäre es, wenn sie diese Entschuldigung nicht nur Franziska Giffey, sondern gegenüber allen Berliner:innen mit Zuwanderungsgeschichte aussprechen würden, die damals unter Generalverdacht gestellt wurden.  

Ich bleibe dabei: Wer Nazis und Faschisten politisch bekämpfen will, darf ihre Rhetorik und ihr "Das Boot ist voll"-Märchen nicht übernehmen.

Meine Damen und Herren,

die vielen Demonstrationen in diesen Tagen gegen die demokratie- und menschenfeindliche AfD sind ein Zeichen der Ermutigung und ein Beitrag gegen die Resignation, die sich manchmal breitmacht. Wirksamer und nachhaltiger als alle Demonstrationen, Petitionen und auch Verbote wäre allerdings ein wirklicher Politikwechsel in diesem Land.

Dass nicht nur darüber geredet wird, dass wir da, wo wir geflüchtete Menschen unterbringen, zugleich auch für eine ausreichende soziale, kulturelle und verkehrliche Infrastruktur für alle sorgen müssen, sondern es auch tun.

Dass nicht nur darüber geredet wird, dass wir die ökologische Transformation unserer Gesellschaft sozial ausgestalten müssen, sondern es auch wirklich tun. Dann aber dürfte man aber weder den Bundeszuschuss für den Ausbau der Stromnetze streichen, noch das versprochene Klimageld. Es ist das Gegenteil von sozialer Ausgestaltung, die Kosten für den ökologischen Umbau unserer Infrastrukturen einfach auf die Bürger:innen abzuwälzen und dabei keinen Unterschied zwischen Gering- und Besserverdienenden zu machen und zudem die Superreichen zu verschonen.

Und auch, dass wir nicht nur darüber reden, dass wir die Menschen mit den steigenden Energiekosten nicht allein lassen, sondern es auch tun. Leider wird der von Rot-Grün-Rot eingerichtete Härtefallfond gegen Energiesperren nicht fortgeführt, ausgerechnet jetzt, da vielen Menschen hohe Betriebskostennachforderungen ins Haus flattern. Und bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kommt dann noch die Mieterhöhung oben drauf, weil Mietenstopp und Mietendimmer ausgelaufen sind.

Deshalb sage ich all jenen, die sagen, lasst es uns doch mal mit etwas Neuem versuchen, um der AfD entgegenzutreten. Gute Idee, wie wäre es mit einer anderen, einer wirklich sozialen und demokratischen Politik?

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Carsten Schatz
Fraktionsvorsitzender

 


Unsere Priorität als Fraktion auf der heutigen Tagesordnung

Mieten sozial gestalten

Bundesratsinitiative zur Begrenzung des Anstiegs von Indexmieten starten

Niklas Schenker: "Mieten sozial gestalten, Indexmieten begrenzen!"

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

ich will Sie heute nicht mit Zahlen, Daten, Fakten zum Berliner Wohnungsmarkt langweilen. Die kennen wir, die kennen sie und die kennen vor allem die Berliner Mieter:innen. Die Situation ist dramatisch und sie spitzt sich immer weiter zu.

Aktuell haben wir es mit einer Welle an horrenden Betriebskostennachzahlungen zu tun.

Ich habe erst gestern eine Mieter:innenversammlung in der Angerburger Allee in Charlottenburg organisiert. Da kamen 200 Mieter:innen, von denen viele bis zu 5.000 Euro nachzahlen sollen. Das ist kein Einzelfall, ähnliche Fälle sehen wir aktuell in Tempelhof, Tegel oder Lichtenrade.

Berlin im Heizkosten-Schock – doch der Senat hat noch nicht ein Wort dazu verloren:

Wir brauchen JETZT einen Härtefallfonds für steigende Heizkosten, damit niemand seine Wohnung verliert oder im Kalten sitzt.

2024 wird kein gutes Jahr für Mieter:innen, Expert:innen erwarten Mietsteigerungen von 10 bis 20 Prozent erwartet. Ein wesentlicher Faktor für die Mietenexplosion ist die zunehmende Anzahl an Indexmieten. Nach Schätzungen des Berliner Mietervereins gibt es in Berlin aktuell rund 300.000 Mietverträge mit Indexmieten. Tendenz steigend: 2022 wurden 70 Prozent aller neuen Mietverträge mit Indexmieten abgeschlossen. Kein Wunder, Indexmieten versprechen in Zeiten steigender Preise besonders hohe Gewinne.

Heizkosten, Preise und Mieten gehen durch die Decke, aber die Löhne und Sozialleistungen halten doch überhaupt nicht mit.

Es ist beschämend, dass in einem so reichen Land, etwas so Existenzielles wie das Wohnen, für immer mehr Menschen zur Armutsfalle wird. Aber es gibt eine gute Nachricht: Der Mietenwahnsinn ist kein Naturgesetz. Doch weder die neue Bauordnung oder ihr komisches „Schneller-Bauen-Gesetz“ werden der Mietpreisdynamik etwas entgegensetzen. Berlin braucht eine beherzte Mietenpolitik, Berlin braucht einen Senat, der Mieten deckelt, Sozialwohnungen baut und verhindert, dass Menschen im Kalten sitzen, weil sie sich die Heizung nicht mehr leisten können.

Berliner Mieter:innen bräuchten vor allem eine Bundesregierung, die endlich ihre Arbeit macht. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP im Bund ist ein mietenpolitischer Totalausfall! Was hat sich die Ampel noch vor 2 Jahren dafür gefeiert, dass sie nach 20 Jahren für das Wohnen wieder ein eigenes Ministerium geschaffen hat:

Ja, aber Klara Geywitz ist auch die schlechteste für Wohnen zuständige Ministerin seit mindestens 20 Jahren!

Klara Geywitz hat es tatsächlich geschafft, noch weniger für Mieter:innen zu erreichen als ihr Vorgänger, Heimat-Horst Seehofer. Herzlichen Glückwunsch, das muss man erst mal schaffen!

Laut einer Forsa-Umfrage ist „Bezahlbares Wohnen“ das zweit wichtigste politische Thema der Deutschen. Kein Wunder: Deutschland blickt einer historischen Wohnungsnot entgegen:

  1. Es fehlen 900.000 Sozialwohnungen.
  2. Wir erleben den größten Mietenanstieg seit Jahrzehnten.
  3. Auch die Preise für Gas, Strom, Energie steigen an.

Doch die aktuelle Bundesregierung hält unbeirrt an ihrer Politik fest. Das ist eine politische Bankrotterklärung! Alle Welt redet gerade zurecht über den Rechtsruck. Ich bin davon überzeugt, dass wir ein Verbot der faschistischen AfD prüfen müssen. Wir brauchen eine breite antifaschistische Mobilisierung – und wir müssen den Rechten den politischen Nährboden entziehen.

Das beste Gegenmittel gegen die AfD:

Schluss mit der Politik gegen Geflüchtete und Erwerbslose, stattdessen: bundesweiter Mietendeckel, sozialer Klimaschutz und Milliardärssteuer!

Wir schlagen vier Maßnahmen vor, um die Mietenkrise zu lösen:

  • Erstens: Wir brauchen einen bundesweiten Mietendeckel, um die Mietpreisexplosion endlich zu stoppen!
  • Zweitens: Wir wollen Index- und Staffelmieten verbieten. Ein Anfang ist schnell gemacht: die 1.300 Indexmieten bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen müssten direkt verboten werden.
  • Drittens: Wir brauchen 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau und dauerhaft gebundene Sozialwohnungen. In Berlin wollen wir ein kommunales Wohnungsbauprogramm auf den Weg bringen, damit endlich die Wohnungen entstehen, die wir brauchen.
  • Und Viertens: Wir brauchen einen Härtefallfonds für steigende Heizkosten, damit niemand seine Wohnung verliert oder im Kalten sitzt.

Sie sehen, es könnte alles ganz einfach sein, wenn man sich konsequent an die Seite der Mieter:innen stellt. Gemeinsam mit unseren Bündnispartner:innen werden wir weiter eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik streiten und der politischen Apathie, Einfalls- und Mutlosigkeit von Ampel und Senat etwas entgegensetzen. Versprochen.

Niklas Schenker
Sprecher für Mieten und Wohnen