Linke legt Sondervotum zum Untersuchungsausschuss "Terroranschlag Breitscheidplatz" vor

Um den islamistischen Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 aufzuklären, wurde vom Senat zunächst Bruno Jost als Sonderermittler beauftragt. Nachdem dieser Versäumnisse beim Landeskriminalamt Berlin aufdeckte, hat das Abgeordnetenhaus von Berlin im Juli 2017 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um das Ermittlungsvorgehen im Zusammenhang mit dem Terroranschlag zu untersuchen. Der Untersuchungsausschuss hat nun seinen Abschlussbericht vorgelegt.

Der Abschlussbericht ist kein Behörden-Entlastungsbericht. Er stellt durchaus kritisch Defizite im Handeln der Behörden fest. Die Linksfraktion konnte über viele übernommene Änderungsanträge ihre Sichtweise und Kritik in den Abschlussbericht einbringen. Die Linksfraktion hat dennoch ein Sondervotum vorgelegt, um darüberhinausgehende Kritik und weitergehende politische Schlussfolgerungen zu äußern.

In unserem Sondervotum legen wir ausführlich dar, wie bestehende Befugnisse und Ermittlungsansätze sowohl von Polizei als auch vom Verfassungsschutz nicht ausgeschöpft wurden. So wurden zum Beispiel Informationen aus TKÜ-Daten nicht ausgewertet und die Überwachung von Anis Amris Telegram-Account nicht fortgeführt. Observationen wurden abgebrochen und Kontaktpersonen des Amri, die sich später als relevante Personen der islamistischen Szene herausstellten, nicht identifiziert. Viele relevante Informationen wurden nicht systematisch zusammengeführt. Allein mit Personalmangel bei der Polizei ist das nicht zu erklären. Was wir nun brauchen, um die Wahrscheinlichkeit künftiger Terroranschläge zu verringern, ist nicht ein blindes Aufrüsten der Sicherheitsbehörden mit Befugnissen und Personal, sondern eine umfassende Überprüfung der Befugnisse auf ihre Wirksamkeit und ihre Kollateralschäden. Das muss einhergehen mit einer Verbesserung der inhaltlichen Kompetenzen, der Kontrolle, der Dokumentation und der Fachaufsicht insbesondere beim LKA Berlin.

Auch das so genannte Frühwarnsystem des Verfassungsschutzes hat nicht funktioniert. Die Nachrichtendienste haben versucht, sich aus der Schusslinie zu nehmen, später wurde aber deutlich, dass ihnen viele relevante Informationen über Amris Netzwerk und sein Gefährdungspotential vorlagen. Mehrere Quellen waren in den von Amri besuchten Moscheen installiert. Der Berliner Verfassungsschutz hatte sogar eine V-Person im engeren Umfeld Amris. Im Ausschuss konnten wir hautnah erleben, wie das Mauern und der Quellen- und Methodenschutz der Nachrichtendienste die Aufklärung behindern. Unsere kritische Haltung zum Verfassungsschutz wird also nicht nur durch den NSU-Skandal, sondern auch durch den Komplex um den Anschlag am Breitscheidplatz bestätigt.

Niklas Schrader
Innenpolitischer Sprecher

Sondervotum Fraktion Die Linke

Zum Untersuchungsausschuss "Terroranschlag Breitscheidplatz"

Den gesamten Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin finden Sie in der Parlamentsdokumentation des Abgeordnetenhauses: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-4000.pdf