Digital auf Bürgerdienstleistungen zugreifen

NetzpolitikVerwaltungTobias Schulze

62. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 3. September 2020

Zu "Ein digitales Rathaus für Berlin" (Antrag der Fraktion der FDP)

Tobias Schulze (LINKE):

Danke schön, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade mal nachgeguckt, Herr Lenz: ab Montag sind durchgehend Termine in Berliner Bürgerämtern verfügbar, um einen Personalausweis zu beantragen. Gucken Sie einfach mal im Internet unter service.berlin.de ab Montag rein! Das ist ganz hilfreich.

Sie können es gerne nachverfolgen. Einfach mal selber drauf gehen! Funktioniert!

Präsident Ralf Wieland:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenz?

Tobias Schulze (LINKE):

Gerne, ja!

Stephan Lenz (CDU):

Herr Kollege, ich bin da wirklich dran interessiert! Ich habe es gestern lange versucht, alle Kollegen hier sind auch gescheitert daran, vielleicht finden wir uns nachher zusammen. Wäre nett, wenn Sie mir das zeigen würden!

Tobias Schulze (LINKE):

Ich zeige Ihnen das, kein Problem! Ich habe es gerade auf dem Rechner. Kein Ding!

Stephan Lenz (CDU):

Machen wir nachher!

Tobias Schulze (LINKE):

Es wurde davon gesprochen, dass die FDP mit ihrem digitalen Rathaus hier eine besonders mutige Idee präsentiert hat. Ich finde nicht, dass das eine mutige Idee ist. Wenn man anfängt, einen Bypass um die Digitalisierung aller Ämter in Berlin herum zu bauen, dann ist das keine mutige Idee, sondern eigentlich das Eingeständnis, dass man mit der Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Berlin nicht weiterkommt. So ist das bei uns nicht. Das hat der Kollege Kohlmeier eben auch schon ausgeführt. Wir brauchen kein digitales Leitamt – so ist das im FDP-Antrag gekennzeichnet –, sondern wir wollen unsere Bürgerämter insgesamt digitalisieren. Wir wollen alle Dienstleistungen im öffentlichen Sektor digitalisieren, auch vor Ort in den Bezirken. Es ist ein oberflächlicher Antrag. Warum? – Weil die ganze Infrastruktur, die dahinterliegt, die digitalisiert werden muss. Das heißt: das Breitband, die E-Akte, die Schulung der Beschäftigten. Das fehlt alles im Antrag. Es ist sozusagen nur die Oberfläche – das Bling-Bling – hier in dem Antrag gekennzeichnet. Und das ist für eine ernsthafte Befassung mit dem Thema einfach zu wenig. Tut mir leid!

Uns geht es ja darum, dass die Bürgerinnen und Bürger auf alle Dienstleistungen in Zukunft digital zugreifen können, und dass die Beschäftigten die Geschäftsprozesse auch digital abwickeln können, dass sie nicht mehr Papierakten durch die Gegend tragen, die sie aus ihren Schränken holen, sondern dass das alles digital funktioniert. Und in der Tat: Da gab es einige Rückschläge.

Wir müssen auch sagen, dass die Situation unserer Dienstgebäude deutlich komplizierter ist, als wir uns das vorgestellt haben und als sich das auch die große Koalition 2016 bei der Verabschiedung des E-Government-Gesetzes vorgestellt hat.

Wir haben mehr Probleme, als erwartet, und trotzdem arbeiten wir die Sachen seriös ab und sind auf einigen Stellen vorangekommen. Das will ich mal erwähnen. Wer sich heute service.berlin.de anguckt, der wird feststellen, dass das ganz anders aussieht, als vor fünf Jahren. Wir haben die Service-App für den öffentlichen Sektor, wir haben die Ordnungsamts-App, wir haben schon Dienstleistungen, die komplett digital abgewickelt werden können – da kommen immer weitere hinzu –, wir sind gerade dabei, die Homeofficefähigkeit deutlich zu verbessern – das ist die Lehre, die wir aus Corona ziehen müssen –, und es gibt einfach sehr viele Baustellen, die parallel abgearbeitet werden. Ja, es dauert zu lange, es könnte schneller gehen, aber dass hier nichts passiert und dass wir das digitale Rathaus bauen müssen, welches die FDP uns vorschlägt, sehe ich nicht. Da sind wir auf einem besseren Weg. – Danke schön!