Quelle: rbb-online.de

Berliner Semesterticket ist gerettet

Kristian Ronneburg
VerkehrKristian Ronneburg

"Das Semesterticket für das Sommersemester 2023 ist noch einmal gerettet worden. Das nächste Semester wird bald kommen. Die Diskussion über den Tarif wird weiter schwierig und kompliziert bleiben. Heute tagt der VBB-Aufsichtsrat. Wir erhoffen uns, dass das 29-Euro-Ticket verlängert werden kann von Januar bis Ende März." sagt der verkehrspolitische Sprecher Kristian Ronneburg.

23. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 15.12.2022

Rede zur Aktuellen Stunde "Semesterticket gerettet – Mobilitätswende und Klimaschutz voranbringen"

Kristian Ronneburg (LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst bei Frau Czyborra anschließen und zu Beginn meiner Rede zum Ausdruck bringen, dass die Studierenden in Berlin und Brandenburg uns allen eins voraus haben. Sie haben seit Jahren das verpflichtende Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel. Sie zahlen alle solidarisch ein, profitieren von einem guten Nahverkehrsangebot im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. 200 000 Studierende erhalten einen klaren Anreiz zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Sie nutzen sie auch. Sie zahlen alle dafür. Daher möchte ich im Namen meiner Fraktion gegenüber allen Studierenden und ehemaligen Studierenden in Berlin und Brandenburg einen großen Dank aussprechen.

Das muss und sollte von uns gewürdigt werden. Dabei sei auch erwähnt – das hatte Frau Czyborra ebenso in ihrer Rede erwähnt –: Sie waren dabei und sind immer auch ein fester Posten in der Kalkulation des Verkehrsverbundes. Das darf man bei der ganzen Diskussion nie vergessen.

Nun laufen auch seit Jahren Diskussionen über die Zukunft des Semestertickets. Es ist in der Tat so, ich möchte jetzt keine komplette Geschichtsstunde abhalten, aber 2020, ich fange jetzt einmal dort an, hatten wir die Situation, dass monatelang die Studierenden mit dem VBB über die Zukunft des Semestertickets verhandelten. Der damals gültige Vertrag endete zum Wintersemester 2021. Es sollte eine neue Vereinbarung geschlossen werden. Doch der VBB wollte den Preis für das Semesterticket ab Sommersemester 2021 erhöhen. Es gab eine Ablehnung des Angebots durch die Studierenden und dies natürlich auch nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Coronapandemie. Daran sei auch noch einmal erinnert. Sie wünschten sich damals eine Anpassung an den Tarif für Auszubildende. Damals hatten wir kurz zuvor das 365-Euro-Ticket für Auszubildende eingeführt, also so viel zu meinem Vorredner, der gerne sagt, es sei hier gar nichts passiert. Es ist sowieso klar, dass das nicht stimmt. Man kann aber solche Fakten immer mal wieder einflechten und daran erinnern, wo wir eigentlich herkommen.

Meine Fraktion hat damals erklärt, dass sie insgesamt die damals geplanten Tariferhöhungen im VBB für falsch hält, auch die Fahrpreiserhöhungen für die Studierenden. Wir wollten das Einfrieren des aktuellen Preises für das Semesterticket und vorbereiten, dass man auch eine Sub-ventionierung des Tickets ermöglicht. Wir, da spreche ich auch meinen Kollegen Tobias Schulze an, mussten in der Debatte auch immer wieder deutlich machen, dass die Pandemie eben nicht nur die Verkehrsunternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten brachte, sondern natürlich auch die Studierenden. Das gehört mit dazu zur Wahrheit.

Daher haben wir immer wieder betont, dass es selbstverständlich auch die Bereitschaft bei den Studierenden gab, am Solidarmodell festzuhalten, weil sie davon überzeugt sind, dass es wirklich ein Beitrag zur Klimapolitik und zur Verkehrswende ist. Das Solidarmodell darf aber nicht durch überzogene Preisforderungen riskiert werden. Letztlich haben wir es geschafft, ein Preismoratorium einzurichten. Das Land Berlin hat einen Zuschuss zur Verfügung gestellt. Das haben wir gemeinsam, SPD, Grüne und Linke, sehr gut hinbekommen.

Aber da es wieder keine langfristige Lösung gab, mussten wir für ein weiteres Moratorium sorgen, und das nach anderthalb Jahren Pandemie. In dieser Zeit haben die Studierenden das Ticket weiter pflichtgemäß bezahlt, obwohl es keine Präsenzveranstaltungen gab und sie faktisch das Ticket nicht so nutzen konnten, wie es sonst vorher der Fall war.

Nun möchte ich noch einmal zu einem nächsten Meilenstein kommen, dem 9-Euro-Ticket. Auch da haben wir es geschafft, eine Gerechtigkeitslücke zu stopfen, indem wir noch einmal klarstellen konnten, dass das Semesterticket auch als 9-Euro-Ticket gilt und damit selbstverständlich alle Studierenden auch das Ticket für den Nah- und Regi-onalverkehr nutzen können. Es hieß für die Berliner Studierenden noch im Mai, im Sommer sollen die zu viel gezahlten Beiträge zurückkommen.

Jetzt komme ich auf etwas, was nicht gut gelaufen ist. Im November haben mein Kollege Schulze und ich offiziell beim Senat zu den Rückerstattungen nachgefragt. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Rückerstattungen beim Semesterticket für das zurückliegende Sommersemester hatten teilweise noch immer nicht begonnen. Einige Hochschulen konnten die Rückerstattungen bereits ab Juli möglich machen und sie auch abschließen, während bei anderen noch nicht einmal die Antragsphase gestartet wurde. Die eigentlich für den Sommer geplante Entlas-tung kam also massiv verspätet bei den Studierenden an. Das geht gar nicht.

Denn die soziale Lage ist bereits durch die Coronapandemie bei den Studierenden prekär und natürlich auch durch die Energiekrise. 2021 lagen fast 38 Prozent der Studierenden mit ihrem Monatseinkommen unter der statistischen Armutsgrenze. Das müssen wir doch im Blick haben.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass wir daraus lernen müssen und zukünftig ein einheitliches System bei Rück-erstattungen und Auszahlungen von Hilfen an Studierende brauchen. Die Hochschulen sind dafür zentrales Element, um eine zügige Abwicklung zu garantieren. Die nächste Hilfe für Studierende kündigt sich bereits schon an in Form des 200-Euro-Zuschusses durch das dritte Entlastungspaket des Bundes.

Dass wir jetzt wieder in der Situation sind, dass wir wieder stockende Verhandlungen haben zwischen dem VBB und den Studierendenschaften, das ist wirklich frustrierend. Immer wieder muss die Politik eingreifen, bevor die Züge endgültig aufeinander prallen. Das kann so nicht mehr weiterlaufen. Wir können uns keine weiteren Hängepartien mehr leisten. Das Semesterticket für das Sommersemester 2023 ist noch einmal gerettet worden. Das nächste Semester wird bald kommen. Die Diskussion über den Tarif wird weiter schwierig und kompliziert bleiben. Heute tagt der VBB-Aufsichtsrat. Wir erhoffen uns, dass das 29-Euro-Ticket verlängert werden kann von Januar bis Ende März. Dabei möchte ich noch einmal erwähnen, wie wichtig es war, dass wir es gemeinsam als Koalition von SPD, Grünen und Linken geschafft haben, das 9-Euro-Sozialticket einzuführen. Davon profitieren über 650 000 erwachsene Personen in Berlin.

Das ist eine konkrete, spürbare Entlastung für Menschen mit wenig Geld, die von der Krise besonders betroffen sind. Wie wird es ab dem 1. April weitergehen, wenn wir das 49-Euro-Ticket bundesweit bekommen?

Es sind keine sozialen Staffelungen geplant. Da wird auch nichts mehr kommen vom Bund. Man hat sich schon schwergetan, das Ticket überhaupt auf den Weg zu bringen. Aus diesem Ticket müssen wir nun das Beste machen.

Für uns als Linksfaktion ist dabei das Prinzip wichtig, dass wir weiter gezielt entlasten, so wie wir es jetzt mit dem 29-Euro-Ticket und dem 9-Euro-Sozialticket in der Übergangsphase machen.

Drei Punkte dazu: Das 9-Euro-Sozialticket wollen wir im nächsten Schritt auf das Gesamtjahr 2023 ausweiten. Dafür haben wir im Nachtragshaushalt vorgesorgt. Wir wollen dann die dauerhafte Absenkung auf 9 Euro und ebenso die Prüfung der Ausweitung auf den C-Bereich. Das ist unser Ziel für ein gemeinsames Mobilitätsticket für Berlin und Brandenburg.

Zum Zweiten: Wenn das bundesweite 49-Euro-Ticket kommt, müssen wir uns sehr zügig alle weiteren Tarif-produkte im VBB genau anschauen, denn natürlich wer-den die Produkte oberhalb der Kategorie von 49 Euro unattraktiv. Es ist unsere Auffassung, es sollten vor allem Abonnements, die durch das Berliner 29-Euro-Ticket nicht entlastet werden konnten, in diese künftigen Rege-lungen einbezogen werden. Ich darf noch einmal daran erinnern, Inhaberinnen und Inhaber von VBB-Senioren-abos, 65plus, Azubitickets, Studierende wurden erwähnt, erhielten keine Entlastung. Wir brauchen also prioritär neben der Absenkung des Sozialtickets auf 9 Euro insbe-sondere Vergünstigungen bei Abos, die auch Tarifgebiete außerhalb von Berlin AB umfassen, bei 65plus, beim Azubiabo, bei ABC-Abos und bei Semestertickets.

Weiterhin gehört dazu die Diskussion darüber, ob wir die Finanzierung der weiteren Absenkung des bundesweiten Tickets von 49 Euro auf 29 Euro für alle stemmen kön-nen. Eine Fortführung nur für Berlin AB wäre nicht im Rahmen einer bundesweiten Lösung. Zwei Tickets nebeneinander, 29-Euro-Berlin-AB und 49-Euro-Bund ist nicht sinnvoll. Die Berlinerinnen und Berliner werden dann das 29-Euro-Ticket-AB in Anspruch nehmen, im Sommer, in den Ferien kündigen, und dann in das 49-Euro-Ticket einsteigen, um wegzufahren, und dann beginnen sie wieder das 29-Euro-Ticket. Das ist Quatsch. Wir sollten daher eher dann überlegen, auf das 49-Euro-Ticket aufzusetzen und den Ticketpreis entweder weiter herunterzusubventionieren auf das 29-Euro-Niveau oder gute Lösungen in Verbindung mit Firmentickets zu finden.

Bei all dem müssen wir zwei Dinge im Blick behalten. Diese Mittelbindung darf nicht dazu führen, dass am Ende finanzielle Mittel für den Ausbau und die Qualitätserhöhung des Nahverkehrs fehlen. Dazu gehört selbstverständlich auch noch anderes, wie der Schulbau, die Energiewende, Bürgerdienste, die Sanierung der Infrastruktur. Ich darf mal daran erinnern, das ist mir als Verkehrspolitiker noch einmal ein großes Anliegen, es ist noch nicht gelungen, den BVG-Verkehrsvertrag entsprechend dem beschlossenen Nahverkehrsplan komplett finanziell abzusichern. Die Verkehrsunternehmen müssen aktuell viele zusätzliche Kosten vor allem für Energie stemmen, was am Ende auch auf das Land zurückfällt. Die BVG hat 3 Prozent der Busverkehre gestrichen, weil ihr die Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Wir konnten mit großen Anstrengungen bei den letzten Haushaltsverhandlungen die wichtigsten i2030-Investionen und Straßenbahninvestitionen sicherstellen. Aber auch die Neubeschaffung von S-Bahn-Wagen wird nicht unbeeinflusst von der Inflation sein.

Wir haben viele Baustellen im Bereich des Nahverkehrs, wo wir weiterhin Finanzmittel absichern müssen. Es muss uns gelingen, Investitionen und attraktive Tarife für die Verkehrswende gleichermaßen abzusichern. Wir stehen dafür bereit als Fraktion, die nächsten Schritte zu gehen, damit wir die Mobilität für alle in Berlin weiter verbessern mit weniger Verkehr, bezahlbaren Tickets und einer gut ausgebauten Infrastruktur. – Vielen Dank!

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Kristian Ronneburg