Untersuchungsausschuss BER II legt Abschlussbericht vor

Nach drei Jahren hat der zweite Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Flughafen BER nun seinen Abschlussbericht (pdf) vorgelegt. Die Linksfraktion hat zudem ihre Schwerpunkte und Schlussfolgerungen in einer eigenen  Stellungnahme (pdf) festgehalten.

Dazu erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion und Obmann im Untersuchungsausschuss, Carsten Schatz:


"Eine von CDU und FDP ins Spiel gebrachte Privatisierung der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) lehnen wir ab. Denn die vermeintlich einfache Lösung und die damit verbundene Hoffnung weitere Zahlungen aus den öffentlichen Haushalten vermeiden zu können, ist illusionär und kostet die Steuerzahler*innen am Ende mehr. Viel wichtiger ist es die Flughafengesellschaft neu aufzustellen. Hierzu gehört neben einer Teilentschuldung der FBB vor allem die Konzentration auf ihr Kerngeschäft, den Betrieb eines Flughafens. Etwaige zukünftige Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen am Flughafen BER sollten durch eine von der FBB unabhängige Projektgesellschaft erfolgen. Vor allem aber brauchen wir - auch aus ökologischen Gründen - eine Abkehr von der einseitig marktwirtschaftlichen Ausrichtung der FBB aufgrund vermeintlich ständig steigende Passagierzahlen. Es war nicht zuletzt dieses „Hinterherlaufen“ hinter den stetig steigenden Passagierprognosen, welches die FBB dazu veranlasste, während der Sanierung des Terminals immer wieder Um- und Ausbaumaßnahmen an diesem vorzunehmen, trotz der damit verbundenen erheblichen Terminrisiken und der unklaren Planungsgrundlage."

 

Empfehlungen der Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus

Als Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses halten wir folgende Schlussfolgerungen fest:

1. Weiterentwicklung der Flughafenhafengesellschaft

Die Flughafengesellschaft befindet sich aufgrund der zahlreichen baubedingten Verschiebungen der Eröffnungstermine des Flughafens BER sowie der anhaltenden Corona-Pandemie in der einer angespannten finanziellen Situation, die sich seit der gescheiterten Inbetriebnahme sukzessive verschlechtert hat. Einer der Haupttreiber dieser Tendenz war die einseitige marktwirtschaftliche Ausrichtung der Flughafengesellschaft auf zukünftige Passagierprognosen und die damit zu erwartenden Erlöseinnahmen, um die immer weiter ausufernden Schulden aus dem Bau und die damit verbundenen Mindereinnahmen aus der Nichteröffnung des BER zu kompensieren. Dieses „Hinterherlaufen“ der stetig steigenden Passagierprognosen veranlasste die FBB dazu, während der Sanierung des Terminals immer wieder Um- und Ausbaumaßnahmen an diesem vorzunehmen, trotz der damit verbundenen erheblichen Terminrisiken und der unklaren Planungsgrundlage.

Vor dem Hintergrund des Aufbaus eines krisenfesten öffentlichen Unternehmens zur Sicherstellung von Mobilität und dem Erhalt von bestehenden bzw. zukünftigen Arbeitsplätzen ist es notwendig, die Flughafengesellschaft weiterzuentwickeln und breiter aufzustellen, um das Hinterherbauen von Kapazitäten aus rein marktwirtschaftlichen Erwägungen einzudämmen. Unerlässlich für dieses Vorhaben ist es, die Flughafengesellschaft von ihrer erdrückenden Schuldenlast zu befreien und soweit mit Kapital auszustatten, dass diese finanziell auf eigenen Beinen stehen kann, ohne weitere Zuschüsse durch das Land Berlin erhalten zu müssen. Deshalb ist es notwendig, dass das Land Berlin und die Gesellschafter Brandenburg sowie der Bund die Flughafengesellschaft teilentschulden, damit diese schnellstmöglich die Kapitalmarktfähigkeit erlangt. Diese Teilentschuldung sollte der Gesellschafter Berlin mit einer Neuausrichtung der Flughafengesellschaft verbinden, die auf den reinen Betrieb des Flughafens BER ausgerichtet wird.

 

2. Errichtung einer unabhängigen Projektgesellschaft für den Ausbau des Flughafens BER

Die Flughafenhafengesellschaft sollte aufgrund der massiven Kosten- und Terminüberschreitungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Flughafens BER durch politische, wirtschaftliche, aber auch organisatorische Fehlentscheidungen in der Vergangenheit auf Ihre Kernkompetenz ausgerichtet werden - den Betrieb des Flughafens BER. Die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse zum BER in der aktuellen bzw. in der vergangenen Wahlperiode haben gezeigt, dass die FBB trotz erheblicher Umstrukturierungen innerhalb der Gesellschaft nie in der Lage war, eine vollumfängliche Bauherrenkompetenz wahrzunehmen. Zukünftige Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen am Flughafen BER sollten daher durch eine von der FBB unabhängige Projektgesellschaft erfolgen. Entgegen der Haltung der FBB sollte diese Projektgesellschaft nicht nur für den Bau, sondern auch für die Planung verantwortlich sein und somit alle Leistungsphasen der HAOI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) abbilden können. Als Folge der unzureichenden Entwurfs- und Bedarfsplanung der FBB bei der Errichtung des Terminal 2 sollte die Projektgesellschaft darüber hinaus auch die sogenannte Leistungsphase 0 übernehmen, welche die komplette Projektvorbereitung (Entwurfs- und Bedarfsplanung) beinhaltet, um unerwartete Kosten- und Terminüberschreitungen in Zukunft für das Land Berlin zu vermeiden.

 

3. Weiterer Ausbau des Flughafens BER

Absehbar hat der BER mit seinen drei Terminals eine Kapazität von 45 Mio. Passagieren pro Jahr (T1 27 Mio., T2 6 Mio., T5 12 Mio.) bei einer Auslastung vor der Corona-Pandemie (2019) von etwa 37 Mio. Passagieren pro Jahr. Die finanziell angespannte Situation der Flughafengesellschaft macht allerdings eine Neubewertung der bisherigen Ausbaupläne notwendig. Da zum jetzigen Zeitpunkt nicht valide eingeschätzt werden kann, wie sich der Flugverkehr nach der Corona-Pandemie entwickeln wird, ist der Ausbau des BER nur schrittweise bzw. kleinteiliger und tatsächlich bedarfsorientiert zu organisieren. Es ist zu prüfen, ob das Terminal T5 (Schönefeld-Alt) erhalten bleiben könnte, statt ein neues Terminal (T3) zu bauen. Eine logische Konsequenz wäre damit die dauerhafte Nutzung des jetzigen Interimsterminals für den Regierungsflugbetrieb.

 

 4. Errichtung einer eigenständigen Immobilienentwicklung am Flughafen BER

Als weiterer Schritt zur Ausrichtung der Flughafengesellschaft auf den reinen Betrieb des Flughafens BER befürworten wir den Aufbau einer eigenständigen Immobilienentwicklung zur Verwertung und Entwicklung der Liegenschaften der FBB. Seit der Auflösung des Real-Estate-Bereichs durch den damaligen Geschäftsführer, wird der Bereich Immobilienstrategie und -vermarktung momentan durch die Unternehmensentwicklung der FBB unter der Leitung von Herrn Hansel geführt. Der Untersuchungsausschuss stellte in seiner Beweisaufnahme fest, dass die Konzepte sowie das Geschäftsmodell für die Immobilienentwicklung des Flughafens BER nur unzureichend sind. Vor diesem Hintergrund und im Zusammenhang mit der Fokussierung der FBB GmbH auf den reinen Betrieb des Flughafens, der Größenordnung des Investitions- und Umsatzvolumens sowie des nicht unerheblichen Risikopotentials bei der Verwertung der Liegenschaften der FBB GmbH, wird empfohlen, den Bereich der Immobilienentwicklung aus der Unternehmensentwicklung der FBB herauszulösen. Dieser Bereich sollte zukünftig entweder von einem externen Dienstleister bspw. durch die BIM oder BiMA oder von einer Tochtergesellschaft der FBB übernommen werden.

 

5. Umsetzung des Beschlusses zum Erwerb bzw. zur Gründung eines landeseigenen Bodenverkehrsdienstes

Der Untersuchungsausschuss stellte im Rahmen der Auseinandersetzung über den baulichen und betrieblichen Zustand der ehemaligen Flughäfen Schönefeld und Tegel fest, dass die Abfertigungsprozesse qualitativ bis heute nicht auf einem akzeptablen Niveau sind. Ein Grund für diese Entwicklung war die damalige Entscheidung, das flughafeneigene Tochterunternehmen Globeground für die Bodenabfertigung an das private Unternehmen WISAG im Jahr 2008 zu verkaufen. Die Folgen des Verkaufs waren sinkende Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere schlechtere Arbeitsbedingungen aufgrund der stetig steigenden Passagierzahlen und zunehmenden Taktverdichtung. Aufgrund der exponierten Stellung der Bodenverkehrsdienste als Schlüsseldienstleistung im Abfertigungsprozess des Flughafens BER, ist es unabdingbar, dass die Arbeits- und Rahmenbedingungen im Sinne eines stabilen Flugverkehrs für die Beschäftigten verbessert werden. Deshalb hatte das Abgeordnetenhaus am 19. November 2020 den Beschluss gefasst, dass der Senat bei künftigen Lizenzvergaben für Bodenverkehrsdienstleistungen umfangreiche und detaillierte Arbeitsschutz- und Qualifikationsvorgaben macht und diese in das Pflichtenheft aufgenommen werden. Soweit möglich sollen auch einheitliche tarifvertragliche Mindestvorgaben gemacht bzw. darüberhinausgehende Zusagen in der Bewertung der Angebote positiv berücksichtig werden. Darüber hinaus wurde der Senat bei der letzten Lizenzvergabe im Jahr 2020 aufgefordert, dass die Flugzeugabfertigung wieder durch ein Unternehmen der FBB erbracht wird. Die FBB solle daher ein entsprechendes Bodenabfertigungsunternehmen erwerben oder gründen. Das Abgeordnetenhaus muss sicherstellen, dass dieser Beschluss spätestens vor der nächsten Lizenzvergabe im Jahr 2022 vollständig durch den Senat bzw. die FBB umgesetzt wird.

 

6. Keine (Teil-) Privatisierung der Flughafengesellschaft

Im Untersuchungszeitraum gab es immer wieder Überlegungen der Geschäftsführung, aber auch teilweise der Gesellschafter, die Flughafengesellschaft teilweise oder vollständig zu privatisieren, um den zusätzlichen Kapitalbedarf zu decken. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Privatisierungen von öffentlichen Unternehmen in Berlin und deren sozialen Folgen sowie mit den damit verbundenen Einschränkungen hinsichtlich der staatlichen Kontrolle und dem Einfluss auf systemrelevante Infrastruktur, sollte die Flughafengesellschaft zu 100% in öffentlicher Hand verbleiben. Das schließt insbesondere auch die private Finanzierung, Errichtung und/oder Nutzung von Erweiterungskapazitäten wie Terminals etc. ein.

 

7. Neue/r Geschäftsführer/in für den Betrieb des Flughafens BER

Durch den erfolgreichen Abschluss des Projekts BER und der Fokussierung der Gesellschaft auf den Betrieb des Flughafens soll die Flughafengesellschaft zukünftig nur noch durch eine Geschäftsführerin oder einen Geschäftsführer vertreten werden. Aufgrund der Fertigstellung des Flughafens BER ist ein Großteil des Koordinierungsaufwandes und ein erhebliches finanzielles Risiko aus dem Baubereich der FBB weggefallen, weshalb sich eine dreiköpfige Geschäftsführung und die damit verbundenen Risikoaufschläge aus Sicht der Linksfraktion nicht mehr rechtfertigen lassen.

 

8. Stärkung der Gesellschafterposition des Landes Berlin und der parlamentarischen Kontrolle

Schon im Ergebnis des Untersuchungsausschusses BER in der letzten Wahlperiode ist für eine stärkere Einbindung der parlamentarischen Gremien des Abgeordnetenhauses in die Kontrollaufgaben gegenüber der Flughafengesellschaft geworben worden. Im Rahmen dessen ist die Implementierung eines weiteren Instruments zur Schaffung größerer Transparenz in der Ausübung parlamentarischer Kontrolle gegenüber der Flughafengesellschaft ins Spiel gebracht worden. Empfohlen wurde, dass das Parlament regelmäßig Risikoberichte der Flughafengesellschaft über die Beteiligungsverwaltung erhält. Die Erstellung der Risikoberichte sollte im Gesellschaftsvertrag der FBB GmbH verankert werden. Aufgrund der zunehmenden Terminstabilität und des Baufortschritts sowie der Fertigstellung des Flughafens im Untersuchungszeitraum wurde dieses Vorhaben seitens des Parlaments nicht weiterverfolgt. Dennoch wurde die Kontrollintensität in der 18. Wahlperiode durch das Parlament und seine Gremien erhöht bzw. gebündelt. Hier ist insbesondere der Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses zu nennen, welcher sich in regelmäßigen Anhörungen von der Geschäftsführung der FBB und Sachverständigen zur wirtschaftlichen Lage der Flughafengesellschaft berichten ließ und im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit Berichtsaufträge an den Senat auslöste, um einen detaillierteren Einblick in das Unternehmen zu erhalten. Um die Kontrollintensität des Abgeordnetenhauses gegenüber der FBB GmbH weiter zu stärken, empfehlen wir die Einführung eines externen Controllings im Auftrag des Gesellschafters, welches Investitionen, Immobilienvermarktung und Ausbauvorhaben am Flughafen BER ab einer bestimmten Größe analysiert. Der Gesellschafter muss in regelmäßigen Abständen dem Abgeordnetenhaus über die Ergebnisse berichten und einen Controllingbericht vorlegen. 

Verlorene Jahre, Ungenutzte Chancen

Erkenntnisse aus der Arbeit im Untersuchungsausschuss BER II des Abgeordnetenhauses von Berlin von Carsten Schatz und Thorsten Grünberg