Stellungnahme zur aktuellen Debatte um Zero-Emission-Zone und Klimaschutz

Aufgrund der öffentlichen Debatte, in der oftmals die Abläufe verschiedener Verhandlungsprozesse innerhalb der rot-rot-grünen Koalition verzerrt dargestellt und verschiedene Projekte und Beschlussfassungen vermischt werden, wollen wir hier die Debattenverläufe und unsere Positionen zum Klimaschutzpaket und der Zero-Emission-Zone erläutern.

Was ist der aktuelle Anlass? Vorlage zur Klimanotlage vs. Stadtentwicklungsplan Mobilität

Im Dezember 2019 hatte der Berliner Senat die Klimanotlage anerkannt. Im September 2020 hatte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wiederum eine Beschlussvorlage mit konkreten Maßnahmen, die daraus resultieren, vorgelegt. Diese Senatsvorlage ist vom Regierenden Bürgermeister im Senat gestoppt worden. Deshalb werden seit Dezember 2020 direkte Verhandlungen auf der Ebene der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen über diese Vorlage geführt. Die Linksfraktion hat bereits im September 2020 ihre Ergänzungsvorschläge vorgelegt und setzt sich bei den Verhandlungen für eine schnelle Einigung auf ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen ein. Die Vorlage soll am Ende des Verhandlungs-Prozesses wiederum vom Senat beschlossen werden. Darin geht es auch um die Rolle von U-Bahnen beim ÖPNV-Ausbau sowie um die „Zero-Emission-Zone“ (ZEZ), womit ein Einfahrverbot für Verbrennerfahrzeuge gemeint ist. In den Gesprächen auf Ebene der Koalitionsfraktionen war der Absatz zur ZEZ bereits weitgehend geeint.

Am 16. Februar 2021 standen dann andererseits mit mehrjähriger Verspätung der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr sowie eine Besprechungsunterlage zum Ausbau der U-Bahn im Senat auf der Tagesordnung. Nach unserer Ansicht sollten sich Beschlüsse des Senats, damit sie ernst genommen werden können, nicht innerhalb kurzer Zeit widersprechen. Daher forderten wir vor Beschlussfassung den inhaltlichen Abgleich der Beschlussvorlagen. Dies ist kurzfristig geschehen. So konnte zwei Wochen später am 2. März der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr in einer Fassung beschlossen werden, die mit der kommenden Beschlussfassung zu Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimanotlage übereinstimmt.

 

Zur Zero-Emission-Zone und dem Verbot von Verbrennerautos in der Innenstadt

Folgende Formulierung zur Zero-Emission-Zone wurde im Stadtentwicklungsplan Mobilität vom Senat beschlossen:

Klimaschutz und Luftreinhaltung machen im Stadtverkehr einen zügigen Umstieg von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen auf emissionsfreie Antriebe und alternative Kraftstoffe erforderlich. Zu diesem Zweck strebt der Senat die Einrichtung einer „Zero Emission Zone“ an, die vom Schadstoffausstoß fossil betriebener Fahrzeuge so weit wie möglich freigehalten wird und prüft dies hinsichtlich rechtlicher Grundlagen sowie möglicher sozialer und verkehrlicher Wirkungen und den Effekten für den Klimaschutz. Mittelfristig sollen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf fossiler Basis grundsätzlich aus der Umweltzone ausgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist eine weitere Verbesserung der Angebote des ÖPNVV und der Rahmenbedingungen für Radverkehr, Fußverkehr und Elektromobilität, damit nachhaltige Mobilität für alle möglich und bezahlbar ist. In einem zweiten Schritt kann dann die Ausweitung der Zero Emission Zone auf das Gebiet der Gesamtstadt erfolgen. Dabei ist eine nach Fahrzeugklassen gestaffelte Einführung der Zero Emission Zone in Abhängigkeit von technologischer und rechtlicher Machbarkeit sowie der zu errichtenden Infrastruktur anzustreben. Dafür gilt es, die bundes- und landesrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Aus unserer Sicht macht eine Antriebswende vom Verbrenner- zum Elektro-PKW allein noch keine Verkehrs- und Mobilitätswende. Bei einer Zero-Emission-Zone steht der Antriebswechsel im Mittelpunkt und es geht eben nicht um die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs insgesamt. Zentrale Elemente des Klimaschutzes im Verkehr müssen weiterhin die Verkehrswende für einen höheren Anteil des Umweltverbundes (ÖPNV, Fahrrad, Fuß) bei der Verkehrsmittelwahl und die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und der im öffentlichen Straßenland parkenden PKW sein.

Der Elektroantrieb stellt aber für den verbleibenden motorisierten Individualverkehr bei entsprechender Verfügbarkeit von ausreichend Strom aus Erneuerbaren Energien die energieeffizienteste und klimaschonendste Antriebsvariante dar. Daher brauchen wir die Durchsetzung der E-Mobilität auch im PKW-Bereich. Dafür muss bereits heute der Druck auf die Automobilindustrie erhöht werden, damit diese sich entsprechend umstellt und alle verbleibenden PKW mit alternativen Antrieben fahren. In unseren Änderungsvorschlägen und den Koalitionsgesprächen über die Maßnahmen zur Klimanotlage haben wir daher versucht durchzusetzen, dass die Forderung nach einem Neuzulassungsverbot für Verbrennerautos spätestens ab 2030 in den Beschluss aufgenommen wird. Leider ist uns dies in den Koalitionsgesprächen nicht gelungen.

Was das Einfahrtsverbot für Verbrennerautos, also die ZEZ, betrifft, war für die Linksfraktion die Frage, ob in dem Beschluss „mittefristig“ oder „2030“ als Zieljahr steht, nicht entscheidend. Wenn im Prüfprozess festgestellt wird, dass die Voraussetzungen bereits zuvor sichergestellt werden können, dann kann es vor 2030 sein, wenn die Voraussetzungen erst später bestehen, dann entsprechend später. Vorstellbar ist auch eine schrittweise Ausdehnung der Einfahrtsbeschränkungen je nach bestehenden Voraussetzungen auf weitere, jeweils besonders emissionsintensive Fahrzeugklassen, so dass am Ende des Prozesses ein kompletter Ausschluss von Verbrennerfahrzeugen stehen kann.

Entscheidend ist für uns jedoch, dass man eine weitreichende Maßnahme nicht anstreben kann, ohne zugleich die hierfür erforderlichen Prüfprozesse und Wirkungsanalysen einzuleiten sowie die Voraussetzungen für die Umsetzung der Maßnahme zu schaffen. Sonst wäre ein solcher Beschluss nichts weiter als eine erneute Ankündigungspolitik, der jedoch das Fundament fehlt und von ernstzunehmender Klimaschutzpolitik weit entfernt ist. Hierbei ist anzumerken, dass nach der erstmaligen Ankündigung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz 2019 keine Schritte eingeleitet worden sind, diese Fragen ernsthaft anzugehen und zu beantworten.

Bislang ist also weiterhin unklar, auf welche Rechtsgrundlage sich eine ZEZ stützen soll. Auch die infrastrukturellen Voraussetzungen (z.B. Ladestationen für E-Autos) für eine ZEZ, bestehen noch nicht. Es wurde weder untersucht, welche Ausweichverkehre außerhalb des Rings dadurch entstehen würden, noch wie hoch die erhoffte Reduzierung von Treibhausgasemissionen ist. Auch die Auswirkungen einer ZEZ auf die Mobilität von Menschen, die sich nicht mal schnell eine neues E-Auto kaufen können oder die kein Einfamilienhaus mit eigener Photovoltaik-Anlage und Ladestation haben, sondern in Mietshäusern wohnen und auf eine entsprechende Infrastruktur weiter warten müssen, wurden bisher nicht geprüft. Wir müssen also stets die sozialen Folgen dieser Entscheidungen beachten und Lösungen entwickeln.

Wann tatsächlich eine Zero-Emission-Zone eingeführt werden kann, hängt also davon ab, wann die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Die Linksfraktion wird sich weiterhin dafür einsetzen.

Michael Efler, Sprecher für Energie- und Klimapolitik
Kristian Ronneburg, Sprecher für Verkehr