Berliner Gemeinschaftsschulen

Archiv: 17. Wahlperiode (2011 - 2016)

Am 5. Dezember 2014 hatte die Linksfraktion erneut eingeladen, über Erfahrungen und Herausforderungen der Berliner Gemeinschaftsschulen zu diskutieren.

Die Debatte der rund 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmer knüpfte an die aktuellen Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudie zur Pilotphase der Berliner Gemeinschaftsschulen an, die deren Mitautoren Ulrich Vieluf und Dr. Joachim Herrmann am 26. September 2014 vorgestellt hatten. Diesmal waren Vertreterinnen und Vertreter von Gemeinschaftsschulen die Akteure der Veranstaltung. Es ging vor allem um die Bedingungen, unter denen Gemeinschaftsschulen überdurchschnittliche Lernentwicklungen und Lernstände erreicht haben sowie um den Handlungsbedarf, der sowohl auf der politischen Ebene als auch für die Schulleitungen und die Schulen selbst besteht, um die bisher erfolgreiche Entwicklung dauerhaft zu verstetigen.

Den Auftakt gab Lothar Sack, Bundesvorsitzender der GGG (Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V.). In seinem Impuls-Vortrag verwies er auf den Paradigmenwechsel, der im Verständnis von Schule und Lernen im 21. Jahrhundert erforderlich ist und der sich in den Schulen zu vollziehen beginnt. An Beispielen benannte er den Änderungsbedarf. Dazu gehören das derzeitige Aufnahmeverfahren in die Sekundarstufe I, insoweit es sich vornehmlich an Noten orientiert und von daher eher selektiv wirkt. Ziel sollte ein Aufnahmeverfahren sein, mit dem es gelingt, die Bevölkerung repräsentativ widerzuspiegeln. Handlungsbedarf besteht auch bezogen auf den unterschiedlich attraktiven Zugang zum Abitur, auf ein vorgegebenes veraltetes Differenzierungskonzept, das die Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Niveaus zuweist und für die Lehrer/innenausbildung, die sich noch häufig an veralteten Paradigmen orientiert. Schulen brauchen Freiräume statt starrer Vorgaben, um sich verändern und entwickeln zu können. Sie selbst müssen diese Freiräume erkennen und mutig wahrnehmen. Politik und Verwaltung müssen Schulen diese Freiräume ermöglichen.

Anschließend stellten vier Gemeinschaftsschule Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit und Konzepte ihrer weiteren Entwicklung vor:

Die Fritz-Karsen-Schule erreichte in der Sekundarstufe I eine überdurchschnittliche Lernentwicklung. Schulleiter Robert Giese nannte die Konzentration auf die Entwicklung der Lese-Kompetenz eine Grundlage für die Kompetenzentwicklung in allen anderen Bereichen und für Partizipation. Bewährt haben sich hierbei das Projekt „ProLesen – Jede Unterrichtsstunde ist auch eine Deutschstunde“, Leselotsen, Book boddy und Lesepaten. Diese werden fortgeführt und zudem Mathematik und Naturwissenschaften evaluiert. Weiterhin gehören zu den Voraussetzungen für erfolgreiche Lernentwicklung Grundüberzeugungen, die alle an der Schule Beteiligten teilen, wie „Eine Schule für alle“, Teamarbeit und „Pädagogischen Schulentwicklung“. Die wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase sollte künftig auch auf die Oberstufe ausgeweitet werden.

Die Lina-Morgenstern-Schule erreichte überdurchschnittliche Ergebnisse in Klassen mit Integrationsschülerinnen und –schülern und bei Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Familiensprache. Sebastian Pilz, Lehrer an der Schule, beschrieb die Zusammensetzung der Schülerschaft und die ihr entsprechende Akzeptanz von Vielfalt als Ausgangspunkt für erfolgreiche Lernentwicklung. Dem folgend sind gemeinsames, erfolgreiches Lernen und verantwortliches Handeln von Schüler/innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und kulturellen Erfahrungen Leitbild der Schule. Ihr schulisches Konzept verbindet soziales Lernen, wozu Morgenkreis, Klassenrat, Klassenlehrerprinzip, Lernberatung u.w. gehören, mit fachlichem Lernen, das Binnendifferenzierung, Doppelsteckung in den Hauptfächern, kleinen Lerngruppen in Naturwissenschaften, Sprachförderung in allen Fächern u.a. einschließt, mit Ganztagsbetrieb und einem engagierten pädagogischen Team. Künftige Ziele sind die Kooperation mit einer Grundschule und eine kooperative und eigene Oberstufe.

Das Konzept einer Schule von 1 bis 13 verfolgt auch die Heinrich-von-Stephan-Schule. Schulleiter Andreas Hanika und Ann-Kathrin Schwindt von der erweiterten Schulleitung stellten die Entwicklung der Schule von einer integrierten Haupt-und-Realschule (seit 1999), der Abschaffung der äußeren Differenzierung und des Sitzenbleibens (2004/05), der Teilnahme an der Pilotphase Gemeinschaftsschule (seit 2008) bis zum Aufbau einer eigenen dreijährigen Oberstufe (seit 2013/14). Dabei werden die Reformansätze der Mittelstufe, die Fortführung alternativer Arbeitstechniken, wie Herausforderungen / Challanges, und der Kerngedanke der Gemeinschaftsschule, alle individuellen Entwicklungswege zu ermöglichen und kooperative und eigenverantwortlich Lernformen zu praktizieren, fortgesetzt. Für die Attraktivität dieses Vorgehens spricht, dass die sich entwickelnde Oberstufe schon jetzt zahlenmäßig größer ist, als sie geplant wurde.

Die Evangelische Schule Berlin Zentrum ist eine Gemeinschaftsschule, die besonders auf Partizipation der Schülerinnen und Schüler setzt. Lernen läuft über eine gute Beziehung, über eine wertschätzende Beziehungs- und Anerkennungskultur – diesen Grundgedanken der Schule stellten Jenni Leonhard, Mittelstufenleiterin und Clara Schönharting und Francis Hüsemann, Schülerin und Schüler der Schule vor. Partizipation von Schülerinnen und Schülern braucht strukturelle Angebote und Möglichkeiten, in denen sie ihren Lernprozess selbstbestimmt gestalten, Verantwortung übernehmen und Unterstützung erfahren. Dies alles spiegelt sich auch im Tagesablauf in der Schule wider, der sich deutlich von einem Unterrichtstag im 45-Minutentakt abhebt.

In vier Arbeitsgruppen gab es dann die Gelegenheit, über Vortrag und Präsentationen zu diskutieren sowie den Handlungs- und Entwicklungsbedarf in den jeweiligen Feldern zu beschreiben:

  • In der Arbeitsgruppe 1, in der Schülerinnen und Schüler mit diskutierten, ging es darum, wie es gelingen kann, Schülerinnen und Schüler in den bislang eher problematischen Lernbereichen Mathematik und Naturwissenschaften zum Erfolg zu führen.
  • Die Arbeitsgruppe 2 befasste sich mit der Frage, warum eine eigene Grundstufe und ein eigner Weg zu Abitur für eine erfolgreiche Entwicklung der Gemeinschaftsschule sinnvoll und notwendig sind und wie deren Aufbau möglich werden kann.
  • Thema der Arbeitsgruppe 3 war die Partizipation von Schülerinnen und Schülern und ihr Einfluss auf die Lern- und Schulentwicklung.
  • Die Arbeitsgruppe 4 konzentrierte sich auf den Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft als Herausforderung und Gelingensbedingung für eine erfolgreich Lern- und Schulentwicklung.
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Berliner Gemeinschaftsschulen - Erfahrungen und Perspektiven

Was brauchen die Berliner Gemeinschaftsschulen, um ihre bisher erfolgreiche Entwicklung fortzusetzen und zu verstetigen?

Lothar Sack - GGG Bundesvorsitzender (Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule - Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V.)

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Fritz-Karsen-Schule

Überdurchschnittliche Lernentwicklung?

Überdurchschnittlich im Vergleich wozu?
Überdurchschnittlich in welchen Bereichen?
Warum?
Wie?

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Lina-Morgenstern-Schule

Förderprognosen als Auswahlkriterien für Anmeldung

Warum und wie konnten wir überdurchschnittliche Lernentwicklungen in Klassen mit Integrationsschülerinnen und -schülern und bei Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Familiensprache erreichen?

Präsentation downloaden [PDF, 1,5 MB]

Heinrich-von-Stephan-Schule

Eine Schule mit einem Konzept

"Unser Konzept wird von den entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten unserer Schülerinnen und Schüler gertragen, sich in verschiedenen kooperativen und eigenverantwortlichen Lernsituationen teifgründiges Wissen und Können anzueignen."

Präsentation downloaden [PDF, 633 KB]

Evangelische Schule Berlin Zentrum

Lernen läuft über die gute Beziehung!

Wertschätzende Beziehungs- und Anerkennungskultur:

"Unten abgefedert, oben nicht abgedeckelt." Bennet, 12 Jahre

Präsentation downloaden [PDF, 2,2 MB]