ASOG-Reform: Progressive Innenpolitik ist möglich

aktualisiert 11. März 2021

Für welche Sicherheitspolitik steht Rot-Rot-Grün? Im Koalitionsvertrag hatte die rot-rot-grüne Koalition auf diese Frage eigentlich eine gute Antwort gefunden: Eine gute Personalausstattung bei Polizei und Justiz in Berlin, eine höhere Besoldung, bessere Arbeitsbedingungen. Aber keine Politik der immer weiter reichenden Eingriffe in die Grundrechte. Bundesweit kennt die Entwicklung bei den Polizeigesetzen dagegen in den letzten Jahren nur eine Richtung: Die der Verschärfung. Und auch an Berlin ist diese Diskussion nicht vorbeigegangen. Entgegen des Koalitionsvertrags waren wir als Linksfraktion von Anfang an mit Forderungen der SPD und des Innensenators nach neuen Grundrechtseinschränkungen konfrontiert. Elektronische Fußfesseln, finaler Rettungsschuss, Aufenthalts- und Kontaktverbote, Videoüberwachung und einiges mehr. Doch nach langen und harten Verhandlungen ist es nun geschafft:  Mit der Mitte Juni ins Abgeordnetenhaus eingebrachten Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) gibt es ein Gegenmodell zum bundesweiten Trend der Gesetzesverschärfungen.

Mit der Reform des ASOG werden die Rechte der Bürger*innen in vielen Punkten gestärkt, problematische Befugnisse der Polizei eingeschränkt und die Kontrolle polizeilichen Handels verbessert:

  • Bislang war es möglich, aufgrund einer Häufung von aufenthaltsrechtlichen Straftaten sogenannte Kriminalitätsbelatete Orte einzurichten, an denen die Polizei anlasslose Kontrollen durchführen darf. Ein Ort konnte also allein deswegen als „kriminalitätsbelastet“ eingestuft werden, weil sich dort Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel aufhalten, damit wurde Racial Profiling durch die Polizei begünstigt. Wir streichen diese Norm aus dem Gesetz.
  • Auch die Möglichkeit, Kriminalitätsbelastete Orte aufgrund von Prostitution einzurichten, wird gestrichen, um legale Prostitution nicht zu kriminalisieren.
  • Die Veröffentlichung der Kriminalitätsbelasteten Orte wird verpflichtend, zudem muss dem Abgeordnetenhaus jährlich über Orte und deren jeweiliger Begründung berichtet werden. 
  • Die Inhaftierung auf Verdacht, der so genannte Unterbindungsgewahrsam, wird von vier Tagen auf maximal 48 Stunden verkürzt.
  • Der Einsatz von V-Personen durch die Polizei darf künftig nur noch durch Anordnung der Polizeipräsidentin und mit richterlicher Entscheidung erfolgen.
  • Bei Durchsuchungen soll dem Wunsch der betroffenen Person, die Durchsuchung von einer Person bestimmten Geschlechts durchführen zu lassen, entsprochen werden.
  • Berufsgeheimnisträger:innen wie Journalist:innen oder Anwält:innen werden besser vor Datenerhebungen durch Überwachungsmaßnahmen geschützt.
  • Opfer von Gewalt können künftig durch eine geänderte Identität geschützt werden.
  • Die in Berlin bereits bestehende individuelle Kennzeichnungspflicht der Polizist:innen wird gesetzlich verankert und damit langfristig festgeschrieben.

Neue Befugnisse für die Polizei gibt es dagegen nur in geringem Umfang. So wird Berlin als fast letztes Bundesland die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) bei Gefahr von schwersten Straftaten ermöglichen, dies allerdings nur befristet für vier Jahre und mit unabhängiger Evaluation. Quellen-TKÜ (Staatstrojaner) oder Online-Durchsuchung wird es in Berlin nicht geben.

Darüber hinaus wird der Einsatz von Body Cams bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst für drei Jahre erprobt. Auch hier schlägt Berlin einen anderen Weg als andere Bundesländer und der Bund ein. Damit dieses Instrument nicht nur von der Polizei, sondern auch von Betroffenen von polizeilichen Maßnahmen zur Aufklärung genutzt werden kann, erhalten Betroffene für diesen Fall ein Zugriffsrecht auf die erhobenen Daten. Zudem können Bürger:innen während eines Polizeieinsatzes verlangen, dass die Aufzeichnung der Body Cam eingeschaltet wird. Dass auch die bürgerrechtliche Seite der Body Cam berücksichtigt wird, war uns gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Rassismus und Polizeigewalt besonders wichtig.

Die Novelle des ASOG ist am 11. März 2021 im Abgeordnetenhaus beschlossen worden. Unterm Strich lässt sich sagen: Nach dem Beschluss über das Landesantidiskriminierungsgesetz und dem eingebrachten Gesetzentwurf über eine:n unabhängige:n Polizeibeauftragte:n haben wir auch mit dem Entwurf zum ASOG deutlich gemacht: Zur permanenten Verschärfung von Polizeigesetzen gibt es eine Alternative. Eine progressive Innenpolitik ist möglich!

Niklas Schrader
Innenpolitischer Sprecher