Trennung von Amt und Mandat

Die Trennung von Regierungsamt und Parlamentsmandat ist eine ernste politische und verfassungsrechtliche Debatte. Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD wird diesem gewichtigen Thema nicht gerecht.

Rede als Video

Aus dem Vorab-Wortprotokoll

7. Sitzung, 9. März 2017

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 8

Trennung von Amt und Mandat – Änderung der Landesverfassung von Berlin

Antrag der AfD-Fraktion
Drucksache 18/0178

Erste Lesung

 

Sebastian Schlüsselburg (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Trennung von Regierungsamt und Parlamentsmandat ist eine ernste politische und verfassungsrechtliche Debatte. Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD – das will ich schon an dieser Stelle deutlich sagen – wird diesem gewichtigen Thema nicht gerecht. Er ist handwerklich schlecht und auch in seiner Begründung ein intellektueller Offenbarungseid.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN –
Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Sie versuchen nichts weiter, als einen Keil zwischen Ramona Pop und die Grünen zu treiben und vielleicht auch zwischen die SPD-Basis und ihre Senatoren. Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um billige mediale Effekthascherei. Wenn es anders wäre, hätten Sie sich mehr Mühe gegeben – Kollege Kohlmeier hat es erwähnt.

Ich will an dieser Stelle zwei Stichpunkte nennen. Erstens ist schon der juristische Eingangssatz Ihres Gesetzentwurfs falsch. Sie werden im Gesetz- und Verordnungsblatt keine Berliner Landesverfassung finden, sondern nur die Verfassung von Berlin. Aber mit konkreten Bezeichnungen haben Sie es ja nicht so genau, wie wir bereits in ihrem ZDF-Wetterkartenantrag gesehen haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Es war nicht
die Wetterkarte, mein Lieber!]

Zweitens braucht es überhaupt kein Ausführungsgesetz für die Trennung von Amt und Mandat. Die gibt es meines Wissens auch in Hamburg und Bremen nicht. Verfassungsändernde Gesetzentwürfe sollten mit der nötigen Sorgfalt erarbeitet werden. Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist schlicht und ergreifend unterkomplex. – Soviel zu Ihrem Antrag.

Ich möchte ein paar kurze Ausführungen machen: Verfassungsrechtlich gibt es in der Verfassung von Berlin bisher keine Trennung von Senatorenamt und Abgeordnetenmandat. Im Grundgesetz gibt es keine strikte Gewaltenteilung, sondern eine Gewaltenverschränkung. – Das wurde schon gesagt. – Rein rechtlich ist es also zulässig, sowohl dem Parlament als auch einer Regierung anzugehören. Es führt aber zu einem erheblichen verfassungsrechtlichen und auch politischen Spannungsverhältnis. Das ist das eigentliche Problem.

Es ist problematisch, wenn sich ein Regierungsmitglied gleichzeitig als Abgeordneter kontrollieren soll. In der Praxis werden Sie deswegen auch kaum eine Anfrage finden, die ein Senatorenabgeordneter an den Senat stellt. Es ist einem Regierungsmitglied auch kaum möglich, sein Abgeordnetenmandat zeitlich auszuüben, geschweige denn als Abgeordneter und nicht als Senator in den Ausschüssen zu arbeiten. Damit schwächt man die Arbeitsfähigkeit der eigenen Fraktion. Das ist so.

Das aus meiner Sicht gewichtigste verfassungsrechtliche Argument für die Trennung von Amt und Mandat besteht aber in einem anderen, inzwischen auch in Berlin bestehenden Grund. Die Senatoren unterstehen als Teil des Kollegialorgans Senat gemäß Artikel 58 Abs. 2 der Verfassung von Berlin der Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters. Sind sie zugleich Abgeordnete, steht das ganz praktisch in Konflikt mit dem freien Mandat. Hier ist ein Interessenkonflikt insoweit vorprogrammiert, als dass schwerlich erwartete werden kann, dass ein Senator als Abgeordneter zum Beispiel gegen Senatsinitiativen stimmt.

Aus diesen und anderen Gründen hat meine Partei, Die Linke, eine klare Position und Praxis. Wir trennen Amt und Mandat, und das haben zuletzt Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Kartin Lompscher unter Beweis gestellt.

[Beifall bei der LINKEN]

Das bedeutet aber nicht, dass wir die Entscheidung der SPD-Senatoren oder auch die von Ramona Pop in Bausch und Bogen verurteilen. Solange wir hier in diesem Haus keine verfassungsändernde Mehrheit für die Trennung von Amt und Mandat haben, entscheidet jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses selbst, ob und wann es sein Mandat niederlegt. Diese Koalition hat allein keine solche Mehrheit, und ich zweifle mach den Ausführungen des Kollegen Rissmann von der CDU auch daran, dass sich das in dieser Wahlperiode noch ändert. Damit liegt es also an den Wählerinnen und Wählern,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Genau!]

beim nächsten Mal Parteien und Kandidaten zu wählen, die sich klar, wie wir Linken, für eine Trennung von Amt und Mandat nicht nur aussprechen, sondern auch entsprechend handeln. Es muss also politisch gelöst werden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das schaffen wir!]

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Frage, meine zwei Damen und viel zu viele Herren von der AfD. Dieses Thema hat für Sie heute ernsthaft Priorität? Ein Thema das aktuell lediglich fünf Personen betrifft. Zur Gleichstellung von Frauen – einen Tag nach dem Frauentag – kam von Ihnen nur Fünfzigerjahreromantik, kein Wort zum Thema Kinder- und Altersarmut und kein Wort zur Sanierung von Straßen und Brücken. Aber bitte! Machen Sie ruhig so weiter! Unsere Koalition kümmert sich um Probleme, die alle Berlinerinnen und Berliner haben und wird Lösungsvorschläge vortragen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN
Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP]

Noch ein Argument: In Ihrem Antrag kritisieren Sie – das hat Herr Vallendar hier am Pult auch gemacht – die Verschwendung der halben Diäten, die einige Senatoren erhalten. Ich bin in Anbetracht Ihrer mangelhaften Leistung in diesem Haus der Meinung, dass die Diäten, die Sie hier erhalten, eine Steuergeldverschwendung sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]