Staatsvertrag zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre

Wir Linke meinen, dieser Staatsvertrag ist – wie könnte es anders sein? – ein pragmatischer Kompromiss, der sich nah am Urteil des Bundesverfassungsgerichts bewegt.

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15. Sitzung, 28. September 2017

Tobias Schulze (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Worum geht es, wenn wir heute von Akkreditierung reden? Das ist nun schon von vielen Kolleginnen und Kollegen diskutiert und erklärt worden. Studiengänge, die neu eingerichtet werden, müssen sich seit etwa 15 Jahren begutachten lassen. Dies betraf und betrifft alle Studiengänge, die wir im Zuge der Bologna-Reform umstellen.

Das jetzige Akkreditierungssystem geht zurück auf die Hochzeit des marktorientierten Reformeifers im Hochschulwesen: Bildungsmärkte, Studiengebühren, Studierende als Kunden, Rückzug des Staates aus der Steuerung. Das Leitbild war damals, vor fast 20 Jahren, die unternehmerische Hochschule. Dazu passend entwarf man ein System der Qualitätssicherung, das die praktische Verantwortung bei externen privatrechtlich organisierten Agenturen sah. Diese Agenturen besetzten Expertenkommissionen, die Studiengänge prüfen und bewerten. Das Ganze kostet die Hochschulen viel Geld und macht noch mehr Aufwand, dessen Gegenwert in der Wissenschaft oft bezweifelt wurde; denn es gab und gibt trotz Akkreditierung schlecht organisierte Studiengänge, es gab trotz Akkreditierung auch fachlich unzureichende Studiengänge. Man kann festhalten: Das Qualitätssicherungssystem in seiner bisherigen Form hat nicht genug Qualität gesichert. Das System hat wie vieles am Bologna-Prozess mehr schlecht als recht funktioniert. Man muss aber sagen – das hat die Kollegin Schillhaneck schon getan –, diese Probleme wurden in der Regel nicht durch die Bologna-Vereinbarungen und auch nicht durch Europa verursacht, sondern waren auf die stümperhafte und häufig aufs Sparen orientierte Umsetzung des Bologna-Prozesses hier bei uns in Deutschland zurückzuführen. Auch unser Akkreditierungssystem war kein Import aus Europa, sondern es ist ein spezifisch deutsches: Der Staat, der bis dahin für die Begutachtung von Studien- und Prüfungsordnungen zuständig war, sollte sich am besten heraushalten.

Genau an dieser Stelle hakte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr ein. Die Richter spielten den Ball zurück an die Politik: Der Staat und die Wissenschaft könnten die Verantwortung für die Qualität in der Lehre nicht ausschließlich an Externe delegieren. Es müsste zudem klare Regeln und Kriterien für die Qualitätssicherung geben. Das sehen wir Linke ganz genauso. Das heißt übrigens nicht, dass wir die gesamte Verantwortung zurück an das Land, an den Staat delegieren wollen. Es ist gut, wenn Externe, die häufig noch einmal einen anderen Blick haben, auf Studiengänge schauen. Die Verwaltung allein kann das nicht. Das Verfassungsgericht hat aber klar gesagt, der Staat muss Regeln und Kriterien vorgeben und seine Verantwortung für Studienqualität wahrnehmen.

So hatten die Länder die Pflicht, sich über neue Regeln zu verständigen, die uns jetzt zur Begutachtung vorliegen. Wir Linke meinen, dieser Staatsvertrag ist – wie könnte es anders sein? – ein pragmatischer Kompromiss, der sich nah am Urteil des Bundesverfassungsgerichts bewegt. Man hält an der Eigenverantwortung der Hochschulen und der Bedeutung externer Agenturen grundsätzlich fest. Dadurch wurde aber leider die Chance verpasst, das Thema Qualitätssicherung im Studium noch einmal grundsätzlich neu zu denken. Nun müssen wir mit dem Verhandlungsergebnis umgehen.

Wir hätten uns etwa eine Stärkung der Studierendenperspektive im zentralen Akkreditierungsrat gewünscht. Wir hätten uns mehr Beteiligung des Mittelbaus gewünscht, der ja heute den Großteil der Lehre trägt. Qualität in der Wissenschaft sollte endlich mehr als demokratischer Prozess in selbstverwalteten Hochschulen gesehen werden. Trotzdem bietet der neue Staatsvertrag aber auch die Chance, dem Flickenteppich im Akkreditierungswesen zu begegnen und mehr Einheitlichkeit bei den Qualitätskriterien zu schaffen. Noch wichtiger wird jedoch sein, dass die Hochschulträger, also die Länder und damit auch unser Land Berlin, ihre Verantwortung für ein gutes Studium wieder verstärkt wahrnehmen. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich daher vorgenommen, die Studierbarkeit zu verbessern und mehr Freiheit ins Studium zurückzubringen, damit aus Bologna doch noch ein Erfolgsmodell werden kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!