Anne Helm (Die Linke) zur Novelle des rbb Staatsvertrags

Rede zur Novelle des rbb Staatsvertrags

Anne Helm

Die vorliegende Reform des Rundfunkstaatsvertrag ist in der Tat mehr als Alltagsgeschäft. Nach dem unsäglichen Skandal um die Verschwendungssucht der ehemaligen Intendantin geht es darum daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und den rbb trotz Sparkurs bei verändertem Medienverhalten zukunftsfähig aufzustellen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die vorliegende Reform des Rundfunkstaatsvertrag ist in der Tat
mehr als Alltagsgeschäft. Nach dem unsäglichen Skandal um die
Verschwendungssucht der ehemaligen Intendantin geht es darum
daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und den rbb trotz Sparkurs
bei verändertem Medienverhalten zukunftsfähig aufzustellen.
Zudem haben die Senatskanzlei und die Staatskanzlei von
Brandenburg sich auf eine stärkere Regionalisierung des Angebots
festgelegt. Das stellt einen politischen Richtungswechsel dar, der
zumindest diskussionswürdig ist.
Angesichts dessen wäre eine umfassende und frühzeitige
Befassung im Parlament und eine öffentliche Debatte der
Beteiligten notwendig gewesen.
Die kurzen Fristen für Stellungnahmen haben bei den Betroffenen
erhebliche Irritation ausgelöst. So konnten sie auch kaum Eingang
finden in den Kabinettsentwurf der uns jetzt vorliegt. Am 13.
Dezember soll nun doch endlich eine Anhörung im Ausschuss
stattfinden. Allerdings soll der Staatsvertrag im gleichen
Tagesordnungspunkt schon abgestimmt werden. Die Einladung
von Expertinnen und Betroffenen ist also Makulatur und ihre
Hinweise werden keine Berücksichtigung erfahren. Das ist
ärgerlich.
Das lief in Brandenburg besser. Dort gab es eine Sondersitzung
des Hauptausschusses zum Thema noch vor dem
Kabinettsbeschluss. So konnten Änderungen noch eingearbeitet
werden.

Aber da wir jetzt Gelegenheit haben die Novelle des
Staatsvertrages öffentlich zu debattieren, möchte ich natürlich
auch auf den Inhalt eingehen.
Zuerst ist es gut, dass Kontrollmechanismen, das Compliance
System und Transparenzregeln ausgebaut werden. Auch die
externe Kontrolle durch den Rechnungshof soll gestärkt werden.
Das ist eine notwendige Antwort auf den rbb Skandal.
Künftig soll es umfassende Veröffentlichungspflichten über die
Organisationsstruktur und die Aufsichtsgremien geben.
ver.Di Medien hat dazu kluge Ergänzungsvorschläge gemacht, wie
die Offenlegung der Verwendung der Mittel sowie Berichtspflichten
wie etwa Vergabebericht oder Gleichstellungsbericht
festzuschreiben. Das sollte aus unserer Sicht aufgenommen
werden.
Besonders erfreulich finden wir als Linke, dass die Festen Freien
des rbb endlich wie in den meisten anderen Anstalten im
Personalrat vertreten werden. Für dieses Ziel haben wir uns
gemeinsam mit der Freienvertretung und den Gewerkschaften
jahrelang eingesetzt. Bei der letzten Novelle haben wir uns an der
SPD geführten Senatskanzlei noch die Zähne ausgebissen. Ein
echter Fortschritt.
Auch dass die Gehälter der Intendantin und der außertariflich
Beschädigten in Führungspositionen gedeckelt werden finden wir
richtig. Das wird den rbb nicht sanieren, aber es ist ein
notwendiges Signal an Beschäftigte und Beitragszahlerinnen dass
Schluss ist mit der Selbstbedienungsmentalität.Auch die Einrichtung einer Ombudsperson als externe Anlaufstelle
für vertrauliche Hinweise zu Rechts- und Regelverstößen im
Rundfunk Berlin-Brandenburg ist richtig.
Auch mit einer Vertretung von Menschen mit Behinderungen im
Rundfunkrat, sowie einen für den Lesben- und Schwulenverband
sehen wir eine jahrelange linke Forderung erfüllt. Deshalb haben wir
in der letzt Legislatur des Rundfunkrats unseren Sitz dem
Berhindertenverband zur Verfügung gestellt. Künftig können sie
sich selbst direkt vertreten lassen.
Die Chance eine faire Beteiligung von verschieden Konfessionen
aber auch Konfessionslosen im Sendegebiet zu ermöglichen wurde
leider verpasst. Das wird weiterhin für Diskussionen sorgen.
Nach dem Lob muss ich leider auch grundlegende Kritik üben.
Die sogenannte "Flexibilisierung" der technischen Verbreitung der
Hörfunkprogramme halten wir für einen Fehler. Das bedeutet nichts
anderes als den schrittweisen Rückzug aus UKW und DAB+.
Und das obwohl die Hörerzahlen stabil sind.
Zum einen ist das ungerecht gegenüber den Beitragszahlerinnen.
Für sie wird faktisch eine zweite Rundfunkgebühr" fällig. Nämlich
die monatlichen Kosten für den privaten Internetprovider um das
Angebot überhaupt empfangen zu können. Das kann nicht im
Sinne des von der Verfassung festgeschriebenen
Grundversorgungsauftrags sein.
Und was ist mit der Versorgung der Gebiete in Brandenburg, die
nach wie vor eine grottige Netzabdeckung haben?
Zudem sollten uns die letzten Jahre gelehrt haben, dass es
kurzsichtig ist ohne Not krisensichere Infrastruktur wie UKW
abzuwickeln.Einen weiteren Fehler sehen wir in den strikten Vorgaben zur
Regionalisierung ohne finanzielle Untersetzung:
Es sollen vier neue Regionalbüros festgeschrieben werden. Unter
anderem in Brandenburg/Havel, das nicht weit vom bestehenden
Standort Potsdam liegt.
Es werden ausgeweitete regionale Sendestrecken sowie die
Schaffung zwei neuer Leitungsposten festgeschrieben.
Auf der anderen Seite sollen die tägliche Werberechte und damit
eine Einnahmequelle stark eingeschränkt werden.
Meine Partei hat sich immer für die Begrenzung von Werbung im
öffentlich rechtlichen eingesetzt.
Aber das alles findet vor dem Hintergrund eines rigiden Sparkurses
statt.
Und die Beteiligten in den Landesregierungen sprechen sich ja
öffentlich immer für eine Beitragsstabilität aus.
Neue Führungsposten, neue Immobilien, neue Programmvorgaben
bei gleichzeitiger Einschränkung der Einnahmen. Das passt nicht
zusammen und ist unehrlich.
Es ist zu befürchten, dass dies am Ende zu Lasten des
Gesamtprogramms und damit der Mitarbeitenden, zuallererst der
Festen Freien gehen wird.
Wir sind grundsätzlich nicht gegen eine stärkere Regionalisierung.
Aber die muss doch vor allem durch Flexibilität der Jornalist*innen
gewährleistet werden, die im Sendegebiet unterwegs sind und
Debatten aufgreifen, und nicht dadurch, dass irgendwo Büros
angemietet werden.Dazu kommt das große Thema der Staatsferne, insbesondere das
Recht auf die Programmautonomie, Rundfunkfreiheit und
Selbstverantwortung. Zurecht ist das Prinzip der Staatsferne ein
von den Verfassungsgerichten hoch eingestuftes Gut. Die
Intendantin und der Rundfunkrat haben in ihren Stellungnahmen
deutlich gemacht, dass sie dieses mit dem vorliegenden
Staatsvertrag nicht mehr gewährleistet sehen. Wenn das nicht
ausgeräumt werden kann, werden darüber wieder die Gerichte
entscheiden müssen. Und das wird das Vertrauen nicht stärken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Nicht weniger als sieben rbb-Produktionen waren in diesem Jahr
für den renommierten Grimmepreis vorgeschlagen. Als einer von
zwei Preisträgern hat die Redaktion des Politmagazins "Kontraste"
den Preis für "besondere journalistische Leistung" erhalten. Die
Jury würdigte die "kontinuierlichen, investigativen" Recherchen zu
Randthemen des Rechtsradikalismus. Dieses aktuelle Beispiel
verdeutlicht den Wert, den der öffentliche rechtliche Rundfunks
gerade in seiner journalistischen Arbeit in einer Zeit von Fakenews
und Angriffen auf die Demokratie und unsere plurale Gesellschaft
hat.
Für mutige Recherchen, die Hartnäckigkeit erfordern und sich auch
mit Mächtigen anlegen, braucht es Beschäftigte, die nicht um ihre
Zukunft bangen müssen, und die sich darauf verlassen können,
dass der Sender ihnen den Rücken freihält.Das verprasste und veruntreute Geld der Beitragszahlerinnen
werden wir größtenteils nicht zurückbekommen. Aber das
verlorengegangene Vertrauen, das muss der rbb zurückgewinnen.
Das kann nicht gelingen, wenn der Verwaltungsapparat weiter
aufgeblasen und die Staatsferne riskiert wird, und wenn der strikte
Sparkurs auf Kosten des Programms und der Beschäftigten
durchgesetzt wird.
Es ist unser gemeinsames Interesse den öffentlich Rechtlichen
Rundfunk aber auch die Freien Presse ingesamt vor Angriffen von
Rechts zu schützen. Wie nötig das ist zeigte sich jüngst wieder
beim Parteitag der rechtsextremen AfD Thüringen wo
Journalist*innen im Machttaumel bedroht wurden und ihnen
Arbeitsverbote angekündigt wurden.
Wir als Linke tragen gerne unseren Teil zu einer fairen und
transparenten Debatte bei, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.