Kostenfreie Meisterinnen- und Meisterausbildung ist das Ziel

Franziska Brychcy

46. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 12. September 2019

Meister dem Master gleichstellen: Abschlüsse müssen kostenfrei sein (Antrag der Fraktion der FDP)
 

Franziska Brychcy (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich sehr, dass die FDP-Fraktion mit dem vorliegenden Antrag die Forderung nach der Kostenfreiheit von Bildungsgängen für sich entdeckt hat. Das finden wir als R2G natürlich gut, denn Bildung für alle ist ein Menschenrecht und darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

Die Frage ist nur, wie kommen wir zu tatsächlicher Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Wo müssen wir diesbezüglich anfangen, weil sich der Trend zur Akademisierung, den Sie ja zu Recht beklagen, Frau Dr. Jasper-Winter, nicht erst an der Schwelle zur Meisterinnen- und Meisterausbildung entscheidet? – Da müssten wir auch über die Einstellung zu Berufsbildern reden, die in der Familie, in der Kita und an der Grundschule vorgeprägt werden, über die Umsetzung der Berufs- und Studienorientierung an den weiterführenden Schulen, über die Ausweitung des WAT-Unterrichts, über mehr qualifizierte Elterninformationen und vor allem über die Stärkung der Kooperation der weiterführenden Schulen mit unseren Oberstufenzentren, die wirklich ein breites, hochwertiges Bildungsangebot vorhalten, das viel zu wenig bekannt ist

Jetzt konkret zu Ihrem Antrag: Es gibt das einkommensunabhängige Aufstiegs-BAföG, worin Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bis zu 15 000 Euro und Materialkosten für ein Meisterstück bis zu 2 000 Euro enthalten sind. Das Aufstiegs-BAföG wird gerade novelliert. Der Zuschuss von derzeit 40 Prozent soll im Vergleich zum Darlehensanteil deutlich erhöht werden. Dafür soll von Bund und Ländern ab 2020 ein dreistelliger Millionenbetrag pro Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Übrigens wird das Meisterinnen- und Meister-BAföG von Jahr zu Jahr mehr nachgefragt, nur der Frauenanteil von einem Drittel könnte gerade in den handwerklichen und technischen Gewerken ruhig noch etwas anwachsen.

Präsident Ralf Wieland:

Die Rednerin wünscht keine Zwischenfragen.

Franziska Brychcy (LINKE):

Das Land Berlin vergibt zudem – wie Brandenburg, NRW, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt – eine Meisterinnen- und Meistergründungsprämie für Meisterinnen und Meister, die einen Betrieb gründen, übernehmen oder in einen bestehenden eintreten. Hier hat Berlin mit einer Fördersumme in Höhe von 15 000 Euro den Spitzenplatz inne. In anderen Bundesländern gibt es einen Meisterinnen- und Meisterbonus bei bestandener Prüfung, in NRW sogar bis zu einer Höhe von 4 000 Euro. Allerdings sehen wir dieses Instrument eher als Notbehelf an, denn wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg würden wir eine bundeseinheitliche Lösung, nach der die Kosten der Aufstiegsfortbildung möglichst zu 100 Prozent übernommen werden, wirklich begrüßen.

Das wäre ein tatsächlicher Beitrag zur Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung, und wir sind da sehr gespannt auf die angekündigte Änderung des AFBG. Aber selbst gesetzt den Fall, es gelänge beim AFBG ein großer Wurf, damit allein werden wir natürlich den akuten Fachkräftemangel nicht beseitigen können, denn für mehr Meisterinnen und Meister brauchen wir erst einmal mehr Gesellinnen und Gesellen, und für mehr Gesellinnen und Gesellen brauchen wir Auszubildende, und dafür brauchen wir dringend die ausbildenden Betriebe und die Mindestausbildungsvergütung. Ich habe ja schon auf die Komplexität von Berufswahlentscheidungen hingewiesen und darauf, dass wir vielschichtige Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung ergreifen müssen, und da sind wir auch dabei.

Fazit: Beim Ziel der kostenfreien Meisterinnen- und Meisterausbildung sind wir uns einig. Nur wollen wir den Bund jetzt nicht aus der Verantwortung lassen, das AFBG entsprechend zu novellieren, und sind bereit, gemeinsam mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg für eine bundeseinheitliche Regelung Druck zu machen, bevor wir in Berlin weitere Insellösungen einführen. Zwischenzeitlich kümmern wir uns um die Basis, die Gewinnung von Auszubildenden, z. B. durch die weitere Stärkung der Jugendberufsagentur, die Einrichtung des Talentechecks und die Ausweitung der integrierten Berufsausbildung IBA, die durch lange Praxisphasen in den Betrieben schneller und verlässlicher in die duale Ausbildung führt. Da haben wir noch einiges gemeinsam zu tun. – Danke!

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