Bürgerämter müssen wachsen

Hendrikje Klein
VerwaltungHendrikje Klein

81. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 17. Juni 2021

Zu "Den Berlinerinnen und Berlinern das Reisen wieder ermöglichen – Taskforce für Bürgerämter einrichten" Priorität der Fraktion der CDU

Hendrikje Klein (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die Berliner Bürgerämter prägen seit 20 Jahren das Bild der bezirklichen Verwaltung Berlins. Wir können uns schon gar nicht mehr vorstellen, dass es einmal eine Zeit ohne sie gab. Bei der Einführung der Bürgerämter war ich dabei; ich habe damals an der FHVR studiert – heute HWR – und in einem Bezirk gearbeitet. Damals wurde heftig diskutiert, wie viele Ämter jeder Bezirk haben und was in einem Bürgeramt denn so alles passieren soll. Der breite Standardaufgabenkatalog und die sogenannte Allzuständigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren das Beste, was damals entschieden wurde. Ein Amt für alles für die Berlinerinnen und Berliner war das Ziel, und davon fünf Stück in jedem Bezirk, ein Bürgeramt pro 60 000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Nach fünfjähriger Projektlaufzeit wurde es Ende 2003 als umgesetzt erklärt. Zu der Zeit gab es 61 Bürgerämter an 47 Standorten mit einer Öffnungszeit von 31 Stunden in der Woche, mit über 700 Beschäftigen und 94 Dienstleis­tungen aus einer Hand. Im Abschlussbericht des damaligen Innensenators im Oktober 2004 hieß es damals schon – ich zitiere –:

Waren anfangs in den ersten Bürgerämtern eher kurze Wartezeiten zu beobachten, haben sich die Wartezeiten mit der räumlichen Integration der Meldestellen teilweise stark ausgedehnt. Die Meldestellen haben ihre temporär hohen Wartezeiten mitgebracht.

Das Problem mit den Wartezeiten besteht also schon seit Beginn der Bürgerämter, geerbt von den alten Meldestellen. Interessanterweise hatte das Projekt zur Entwicklung der Bürgerämter damals, vor 20 Jahren, aber auch das Ziel, die Kosten zu reduzieren. Dieses Ziel wurde erreicht, so heißt es im Abschlussbericht 2004. Der damalige Innensenator ging davon aus, dass allein der Wettbewerb die Qualität positiv beeinflusst; dafür bezahlen muss man nicht.

Warum erzähle ich das alles? – Ich möchte Ihnen verdeutlichen, dass das Terminproblem in Bürgerämtern bereits seit Beginn besteht. Die Geschichte geht aber auch noch weiter. In den finanzschwachen Jahren Berlins wurden die Bürgerämter ebenso ausgequetscht. Das Personal und die Standorte wurden reduziert, das war sehr schmerzhaft. 2015/16 gab es dann zur Qualitätsverbesserung eine Organisationsuntersuchung, und da heißt es wieder – ich zitiere –:

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßnahmen sollte sich eine Reduzierung des Personalbedarfes der Berliner Bürgerämter erschließen lassen.

Da war es also wieder: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Bürgeramt hat, soll quasi egal sein.

Die jetzige rot-rot-grüne Regierung erkor die Verbesserung bei den Bürgerämtern als Leitprojekt aus. Wir haben die Stellen bei den Bürgerämtern aufgestockt, gleichzeitig wurden verschiedene Einzelmaßnahmen umgesetzt, und Ende 2019 war es dann auch so weit: Das 14-Tage-Ziel wurde tatsächlich erreicht. Wir alle waren erleichtert, und der Knoten schien endlich gelöst zu sein. Doch dann kam 2020 die Pandemie, und natürlich warf uns das erst einmal zurück. Die Kontakte mussten reduziert werden, und somit mussten die Termine reduziert werden, doch die Bürgerämter passten sich innerhalb kürzester Zeit an die neuen Bedingungen an und gaben ihr Bestes, um so viel wie möglich weiterhin bearbeiten zu können. Ich finde, das kann ruhig auch mal anerkannt werden.

Ich kenne sehr viele gute Beispiele, wie die Bürgerämter unter diesen schwierigen Bedingungen alles geben, um weiterhin für die Berlinerinnen und Berliner da zu sein. Da hilft es nicht, wenn der Innensenator so tut, als wären die Bürgerämter zu doof zum Arbeiten und er könne das mit seiner Behörde zentralisiert alles besser. Da hilft es ebenso nicht, wenn die Staatssekretärin so tut, als müssten die Bürgerämter nur hier und da ein bisschen was tun und schon wäre alles schön. Das ist doch Augenwischerei, und da hilft es auch nicht, jetzt zum Ferienbeginn – eine Woche vorher – eine Taskforce einzurichten, um noch schnell alle abgelaufenen Reisepässe zu erneuern.

Sie können und dürfen sich das nicht zu einfach machen. In den letzten 20 Jahren zeigte sich vor allem eines: Der Arbeitsaufwand ist über das Jahr verteilt nicht gleich. Es entstehen Spitzen, die regelmäßig dazu führen, dass ein Bearbeitungsstau entsteht, zum Beispiel durch Parkausweise bei Einführung neuer Parkzonen, oder demnächst müssen auch sehr viele Berlinerinnen und Berliner aufgrund rechtlicher Änderungen ihren Führerschein umtauschen. Dann haben wir im September eine große Wahl, und dazu kommen auch noch viele Einwohneranträge, Volksinitiativen, Volksbegehren, für die es Unterschriften zu prüfen gilt, und das alles auch noch unter Pandemiebedingungen.

Unsere Bürgerämter sind so ausgestattet, um in Nichtkrisenzeiten ohne besondere Bearbeitungsspitzen zu funktionieren. Um sie krisenfest zu bekommen, benötigen wir einfach mehr Bürgerämter; deshalb ist das neue Bürgeramt in Mitte eine wirklich sehr gute Entscheidung. Ich denke, von solchen Entscheidungen brauchen wir mehr.

Berlin wächst, die Aufgaben von Bürgerämtern wachsen, also müssen auch die Bürgerämter selbst wachsen. Auf die Digitalisierung zu warten, ist hingegen vorerst keine Lösung. Fragen Sie doch mal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bürgerämtern, was sie zur Unterstützung brauchen, anstatt sie immer nur kleinzumachen. Die Bürgerämter wissen am besten, was sie brauchen, und dann erreichen wir auch wieder das 14-Tage-Ziel.

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