Änderung des Landeswahlgesetzes

Justiz und RechtspolitikSebastian Schlüsselburg

72. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 11. Februar 2021 

Zu "Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes"

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP
Drucksache 18/3351

Sebastian Schlüsselburg (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Es ist gut, dass wir uns heute in der zweiten Lesung noch einmal ausführlicher Zeit nehmen und den vorliegenden Gesetzentwurf ergänzend zu den Ausführungen im Ausschuss darlegen und begründen, nicht nur schriftlich, sondern eben auch hier im Parlament. Denn das ist bei Gesetzen, bei denen es sich letzten Endes um sekundäres Verfassungsrecht handelt, sehr wichtig, damit auch – ich hoffe, es kommt nicht dazu, aber – sowohl die Verwaltung als auch gegebenenfalls Gerichtsbarkeiten den Willen des Gesetzgebers nachvollziehen können.

Ich möchte mich dem Dank des geschätzten Kollegen Kohlmeier anschließen. Ich bedanke mich bei ihm persönlich für die Initiative, die er angeschoben hat, denn es ist an der Zeit, dass wir nicht noch mehr Zeit verlieren, um die gesetzliche Grundlage zu schaffen für die Wahlvorbereitung innerhalb der Parteien und natürlich auch auf der Seite der Wahldurchführung bei der Landeswahlleiterin.

Ich möchte mich auch beim Kollegen Wesener bedanken, mit dem wir bei der Schärfung des Gesetzentwurfes auch noch mal sehr diffizile Fragen zu den Grenzen und Möglichkeiten von Digitalität nachgeschärft haben. Das hat, glaube ich, dazu beigetragen, dass wir wirklich die verschiedenen Wahlsettings im Verantwortungsbereich der Parteien vollumfänglich in den Blick genommen haben und dort tatsächlich keine blinden Flecken haben. Davon sind wir fest überzeugt. Ich danke auch der demokratischen Opposition, dass sie so konstruktiv dann mit uns noch einmal zusammen über den Antrag gegangen ist und dass wir hier auch wirklich ein gemeinsames Gesetz vorlegen.

Das ist schon ein Wert an sich, und es reiht sich auch ein in eine Kaskade von wichtigen Gesetzen, die wir hier miteinander in einer gebührlichen Geschwindigkeit, aber auch Gründlichkeit verabschiedet haben. Das sind, wenn Sie so wollen, die Gesetze, die dafür sorgen, dass unsere Berliner Stadtgesellschaft rechtlich pandemiefest ist. Das ist das ambitionierteste und schärfste Parlamentsbeteiligungsgesetz, das uns ja hier am Sonntag noch mal zusammenführen wird, und darüber hinaus möglicherweise auch noch ein paarmal. Dieses Gesetz ist eben ein weiteres, das sich in diese Kaskade einreiht. Es zeigt auch, dass Parlamente trotz ihrer Geschäftsordnungsregeln und ihres gewissen Geschwindigkeitsdefizits gegenüber der Exekutive, wenn es darauf ankommt, in der Lage sind, schnell zu handeln und trotzdem gründlich zu sein.

Wir haben jetzt die Rechtsvoraussetzungen und die Grundlage dafür geschaffen, dass wir innerhalb des Verantwortungsbereichs der Parteien, was die Aufstellungen anbelangt, in Bezug auf hybride Formate, in Bezug auf Schlussabstimmungsformate, in Bezug auf Briefwahlmöglichkeiten, in Bezug auf Aufspaltungen von Versammlungen an verschiedenen Orten und Tagen eigentlich alles abgedeckt haben. Wir standen vor der Auswahlentscheidung, wie der Bund zu arbeiten, also als Parlament eine grundsätzliche Verordnungsermächtigung zu geben, einen Mechanismus anzuschalten und dann durch die Innenverwaltung, durch die Exekutive, eine Rechtsverordnung vorlegen zu lassen. Das ist, glaube ich, mit der fortgeschrittenen Zeit, die wir alle konstatieren müssen, jetzt nicht mehr der richtige Weg. Wir haben uns entschlossen, alle zusammen, alles Wesentliche, aber auch bestimmte Detailfragen vollständig im Gesetzestext zu verankern. Ich glaube, das ist uns gut gelungen, und uns ist natürlich auch zupassgekommen, dass wir in der Zwischenzeit, während der Verhandlungen, dann auch die Vorlage der Rechtsverordnung des Bundesinnenministeriums hatten, die uns natürlich auch noch mal eine Formulierungshilfe war. Das muss man an der Stelle so sagen. Ich finde es trotzdem richtig, dass wir, anders als der Bund, nicht nur wegen der zeitlichen Achse die Gelegenheit hatten, hier tatsächlich als Gesetzgeber die Regelung selber zu treffen. Das versetzt uns nämlich alle in die Lage, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, nach dem Inkrafttreten entsprechend schnell zu handeln.

Wir haben ja auch schon Erfahrungswerte gesammelt. Auf der Ebene der Parteiwahlen für Parteiämter, Parteivorstände und Ähnliches haben ja verschiedene Berliner Parteien jetzt schon Erfahrungen mit hybriden Formaten gesammelt. Das ist auch gut so, denn wir haben auch da festgestellt – muss ich auch ganz selbstkritisch sagen –, dass da nicht immer alles technisch glattgelaufen ist. Das darf uns natürlich bei den wichtigen wahlvorbereitenden Handlungen in den Parteien für die Vorbereitung des Zustandekommens dieses Verfassungsorgans, des Abgeordnetenhauses und auch der Bezirksversammlungen, nicht passieren. Diese Erfahrungswerte sind natürlich auch eingeflossen.

Ich möchte ein bisschen Wasser in den

[Paul Fresdorf (FDP): Wein!]

Rotwein oder Weißwein, wie Sie wollen,

[Christian Buchholz (AfD): Rotwein!]

gießen. Wir als Linksfraktion haben schon in den Koalitionsverhandlungen dringlich vorgeschlagen, dass wir auch eine Änderung des Abstimmungsgesetzes vornehmen, und zwar für die erste Stufe der direkten Demokratie, und zwar dahingehend, dass wir der Innenbehörde, ähnlich wie im Volksabstimmungsgesetz in Schleswig-Holstein – da haben wir es wieder –, gerne eine Verordnungsermächtigung gegeben hätten, um es in dieser ersten Stufe für die Volksinitiativen zu ermöglichen, auch digitale Unterschriften zu sammeln. Warum haben wir das vorgeschlagen? – Es ist natürlich wesentlich gleich, ob eine Partei Unterschriften sammeln muss, um überhaupt zu einer Wahl anzutreten, oder ob spiegelbildlich auf der Ebene der direkten Demokratie, der Volksgesetzgebung, Volksinitiativen die Möglichkeit haben, die Unterschriften sozusagen auch vereinfacht sammeln zu können. Denn in beiden Fällen sind wir davon betroffen, dass das Sammeln der Unterschriften selbstverständlich maßgeblich erschwert wird durch die Coronabedingungen, die wir alle miteinander tragen.

Ich freue mich, dass es in der Koalition Konsens war und wir da kein Thema hatten.

Ich bedauere es aber, dass es mit der FDP und der CDU nicht zustande gekommen ist. Das wäre auch für die FDP noch mal eine Möglichkeit gewesen. – Sie haben es ja jetzt wieder mit Flughäfen oder mit Flughafengeländen. Sie hätten zumindest noch mal die Chance gehabt, bis zum Jahresende – auch diese Regelung wäre ja befristet gewesen – erleichtert Unterschriften zu sammeln. Sie gerieren sich ja auch immer als Digitalpartei. Vielleicht bekommen wir es beim nächsten Mal hin. Denn ich glaube, unabhängig von der Pandemie ist das ein Punkt, über den wir grundsätzlich reden müssen. Die Innenverwaltung hat ja auch im Landeshaushalt Geld bekommen, um die Voraussetzungen technischer Art zu schaffen, dass man da eine rechtssichere Methode findet, wie man in Zukunft diese digitalen Unterschriftensammlungen, bei der ersten Stufe der direkten Demokratie jedenfalls, hinbekommt. Bei der zweiten Stufe ist das ja nicht möglich, weil wir da an den Verfassungstext heranmüssen. Auch das haben wir uns angeguckt.

Insofern hoffen wir, dass diese erste Debatte dazu, auch wenn sie jetzt für diesen Gesetzentwurf noch nicht gefruchtet hat, vielleicht trotzdem dazu führt, dass wir eine der verschiedenen Digitalisierungslehren aus dieser blöden Pandemie ziehen und uns dann möglicherweise in der nächsten Wahlperiode dieses Themas noch einmal annehmen. Ich glaube, das wäre sehr wichtig und würde der direkten Demokratie und der Volksgesetzgebung sehr gut zu Gesicht stehen – und Berlin sowieso. In dem Bereich sind wir einerseits sehr vorbildhaft und andererseits auch sehr quirlig und lebendig, was die Initiativen anbelangt. Das ist gut so, und das soll auch so weitergehen.

Noch ein letzter Satz vielleicht zu den Unterschriftenquoren: Wir haben ja vorgeschlagen, das für Kleinstparteien – das wurde gesagt – im Wesentlichen zu halbieren. Damit setzen wir eine Vorgabe des baden-württembergischen Landesverfassungsgerichts um, denn die haben, unter anderem auch auf Antrag meiner Partei, die dort auch Unterschriften sammeln muss, um zur Landtagswahl anzutreten, gesagt, dass die Landtagsmehrheit bei der Änderung des dortigen Gesetzes eben das Recht auf Chancengleichheit verletzt hat. Es ist gut, dass uns das hier nicht passiert. – Vielen Dank! Jetzt geht es los! Auf in den Wettbewerb um die besten Argumente! Ich freue mich darauf.