Ärztliche Versorgung in der Krise – Senat verwaltet nur den Mangel

Eine schriftliche Anfrage der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus hat ergeben, dass die Versorgungsgrade in der ambulanten ärztlichen Versorgung seit 2014 in allen Arztgruppen gesunken sind.

Dazu erklärt Tobias Schulze, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus von Berlin:

„Was die Menschen dieser Stadt am eigenen Leib erfahren, wird durch Zahlen bestätigt: wer eine Haus- oder Fachärztin finden oder bei diesen auch noch einen Termin vereinbaren möchte, begibt sich auf eine Odyssee. Punktuell gibt es zwar positive Entwicklungen, insgesamt befinden wir uns aber in einem deutlichen Negativtrend. Dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ihren Mitgliedern derzeit empfiehlt, ihre Behandlungsfälle um 10 Prozent zu senken, wird die Lage noch weiter verschlimmern. Das Modell der niedergelassenen Praxis ist vielerorts nicht mehr in der Lage, die flächendeckende medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Die Situation wird sich mit der Krankenhausreform dramatisch zuspitzen, wenn der angekündigte Abbau von Krankenhausbetten tatsächlich eintritt.


Trotz der prekären Lage bleibt der Senat bisher untätig. Der nur angekündigte Masterplan Ambulante Versorgung darf kein Papiertiger werden. Wir fordern eine konzertierte Strategie für medizinische Zentren (MVZ) der Grundversorgung und eine integrierte Gesundheitsplanung. Alle Angebote der medizinischen Versorgung vom öffentlichen Gesundheitsdienst über den ambulanten Bereich bis hin zu den Krankenhäusern müssen zusammen gedacht und geplant werden. Dazu müssen die Steuerungsmöglichkeiten des gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a SGB V endlich engagiert wahrgenommen werden. Die Entbudgetierung der Hausärzt*innen und möglicherweise auch weiterer Ärzt*innengruppen sowie das dringen auf bundespolitische Reformen sind weitere Schritte in diese Richtung.“


Hintergrund:
Der Versorgungsgrad ist eine Kennziffer, die innerhalb der Bedarfsplanung zur Steuerung der Niederlassung von Ärzt:innen verwendet wird. Die Bedarfsplanung wurde zu Beginn der 90er-Jahre eingeführt, mit dem Ziel, eine Überversorgung zu verhindern. Ausgangspunkt der Berechnung der Versorgungsgrade war das Verhältnis zwischen Einwohner- und Ärzt*innenzahl, die sogenannte Verhältniszahl. Sie gibt jedoch keine Auskunft, inwieweit die Versorgungslage zum Zeitpunkt der Einführung tatsächlich angemessen war. Damalige Unterversorgung schreibt sich bis heute fort. Nach Reformen fließen inzwischen neben den demografischen Entwicklungen auch die Sozial- und Morbiditätsstruktur in die Berechnungen mit ein, doch der Konstruktionsfehler wirkt bis heute nach. Die Versorgungsgrade in Berlin sind künstlich aufgeblasen und geben ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder. Hinzu kommen weitere verzerrende Effekte, wie beispielsweise bei den Kinderärzt*innen: diese sind vielfach spezialisiert. Nur rund die Hälfte der in der eigentlich im Versorgungsgrad inbegriffenen Kinderärzt:innen steht daher überhaupt der Grundversorgung zur Verfügung.


Schriftliche Anfrage

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