Universitätsmedizin noch besser machen

GesundheitWissenschaftTobias Schulze

47. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 26. September 2019

Zu: Erstes Gesetz zur Änderung des Berliner Universitätsmedizingesetzes (Priorität der Fraktion Die Linke)

Tobias Schulze (LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch vor 10 oder 15 Jahren, in denen Sparzeiten Berlins, galt die Charité als das große Sorgenkind. Einige Haushälter hier im Haus werden es noch wissen: Die kriegten häufiger mal Falten auf der Stirn, wenn das Wort Charité fiel. – Kürzungen beim Landeszuschusses und unsteuerbare Defizite haben unsere Universi-tätsmedizin damals immer wieder in Schieflage gebracht. Die vier Standorte der Charité standen zur Diskussion, und die CDU hatte damals übrigens sogar eine Teilprivatisierung ins Gespräch gebracht. Aber nicht nur auf Kosten der Investitionen wurde die Charité saniert, vor allem die Beschäftigten haben Lasten geschultert.

Heute haben wir eine ganz andere Zeit, und darüber sind wir sehr froh. Wir holen heute ausgesourcte Tochterfirmen ins Unternehmen zurück und nehmen Kurs auf den TVöD als Flächentarifvertrag für alle Bereiche der Charité. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist unser Motto auch für die Charité. Das ist ein wichtiges und gutes Motto.

Wer heute auf unsere Universitätsmedizin schaut, der sieht eine Einrichtung, die beim Personal, beim Umsatz und bei der wissenschaftlichen Qualität wächst. Wenn wir über die Zukunft der Charité sprechen, geht es um die Entwicklung der Medizin im 21. Jahrhundert. Es geht um individualisierte, genbasierte Therapien, es geht um akademisierte, forschungsbasierte Pflege, und es geht nicht zuletzt auch um die Digitalisierung von Forschung und Krankenversorgung. Die Charité ist heute eine der ersten Adressen weltweit, wenn herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Arbeitsort suchen. Ich glaube, darauf können wir gemeinsam mit allen 15 000 Beschäftigten unserer Universitätsmedizin stolz sein.

[Regierender Bürgermeister Michael Müller:
Sind wir!]

Warum braucht es eigentlich in dieser Situation ein neues Universitätsmedizingesetz? Zum einen können wir gerade deswegen die Strukturen der Charité modernisieren, weil die Zeiten des harten Sanierens vorbei sind, weil wir heute nicht mehr den Mangel verwalten, sondern das Wachstum und die Qualität gestalten wollen. Zum anderen hat uns das Bundesver-fassungsgericht in seinem Urteil zur Medizinische Hochschule Hannover klare Hausaufgaben als Gesetzgeber aufgegeben. Ich zitiere hier mal mit Erlaubnis der Präsidentin den Leitsatz 1 des Urteils:
Die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge einer Hochschule erstreckt sich auf alle wissenschaftsrelevanten Entscheidungen.
Darunter auch auf die Krankenversorgung.

Im Klartext: Karlsruhe hat dem Gesetzgeber den unmissverständlichen Auftrag erteilt, die akademische Selbstverwaltung gegenüber den Managementstrukturen deutlich zu stärken. Diesem Auftrag kommen wir mit diesem Gesetz nach.

Erstens: Der Fakultätsrat als gewähltes Gremium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Studierenden bekommt deutlich mehr Kompetenzen. So wird er zukünftig zwei Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler in den Aufsichtsrat entsenden können.

Zweitens: An der Charité wird nicht nur geforscht, sondern hier werden Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Mir hat ein Eingeweihter berichtet, dass es im Aufsichtsrat in den vergangenen zwei Jahren vielleicht zehn Minuten um das Thema Lehre ging. Wir haben uns entschieden, den Studierenden einen Sitz mit beratender Stimme im Aufsichtsrat einzuräumen, und ich wünsche den Studierenden viel Erfolg, das Thema Studium und Lehre dort mit lauter Stimme einzubringen.

Drittens: Ohne hochqualifiziertes pflegendes und therapeutisches Personal gibt es keine Universitätsmedizin. Wir schaffen einen neuen Vorstandsposten für Pflege und für die Gesundheitsberufe, und auch für die Personalentwicklung soll dieses neue Vorstandsmitglied zuständig sein. Denn nicht erst in Zeiten des Fachkräftemangels muss ein guter Arbeitgeber beste Bedingungen, Karriereperspektiven und natürlich auch Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten.

Nicht zuletzt: Eine Hausaufgabe ist noch offen geblieben. Wir diskutieren seit Längerem über die Schaffung des neuen Universitären Herzzentrums. Bei den Verhandlungen, die in dem Zusammenhang noch laufen, deutet sich an, dass wir eventuell ohne eine risikobehaftete Ausgründung in privater Rechtsform auskommen. Auch wenn der entsprechende § 2a derzeit noch in dem Gesetz steht, wird er wohl nicht zur Anwendung kommen und steht auf der Diskussionsliste für eine kommende Überarbeitung des Gesetzes.

Zum Schluss: Die Charité ist bereits sehr gut – besser denn je –, und sie wird mit diesem Gesetz den Rahmen bekommen, noch besser zu werden. – Danke schön!